Weißblaue Geschichten: Spaziergang durchs winterliche Löhne

Löhne. Diese Stille. Herrlich. Nur das Knirschen des Schnees unter meinen Stiefeln. Das schönste Knirschen der Welt. Und dazu das Trommeln des Buntspechts im kleinen Waldstück nebenan. Ansonsten Stille. Und eine Welt in Weiß und Blau. Vor etwa einer Woche - am grauen Vorabend des Wintereinbruchs - habe ich schon mal an dieser Stelle gestanden, an jenem Bach am Blutwiesenweg. Da wäre ich mit meinen Turnschuhen fast im Matsch versunken, als ich mal kurz in die Wiese gehen wollte. Schön war's trotzdem, vor allem wegen der vielen Graugänse an den Blänken. "Hier komm' ich wieder hin, wenn der Winter richtig da ist", lautete mein Entschluss. "Das muss toll aussehen." Jetzt ist der Winter da, und wie. Und es sieht toll aus. Vor mir liegt tief verschneit die Wiese. Die Blänken und der Bach mit seinen vielen Ausbuchtungen sind zugefroren. Die Gänse haben das Weite gesucht. Aus dem Eis und aus dem Schnee schauen nur noch einige Seggen und die trockenen Halme von Giersch und anderen Doldenblütlern - die Samen sind in diesen Tagen eine wichtige Nahrungsquelle für viele Singvögel. Als hätte ein Engel Sternenstaub verteilt Kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, lässt sich ein Trupp Stieglitze im Gestrüpp nieder - im Verbund mit ein paar Erlenzeisigen. Aber nur kurz, dann ziehen die zierlichen Vögel wieder zwitschernd von dannen. Ich wage ein paar Schritte und versacke sofort im Schnee, die kalte Masse dringt von oben in meine Stiefel. Egal. Die Sonne lacht vom blauen Himmel. Und die strahlend weiße Fläche, die mich von allen Seiten umgibt, glitzert und funkelt, als hätte ein Engel auf einem nächtlichen Flug übers Feld mit beiden Händen Sternenstaub verteilt. Wie oft habe ich als Kind im Sommer auf dieser Wiese gespielt? Manchmal haben wir hier sogar Picknick gemacht. Einmal mussten wir uns vor einem Platzregen in der kleinen Holzhütte auf der Pferdekoppel nebenan in Sicherheit bringen. Der Unterstand hat bis heute seinen Platz dort am Waldrand, das verwitterte Dach trägt an diesem Nachmittag eine hübsche Haube aus Schnee. Misteln in den Pappeln Der heute renaturierte Bach verlief seinerzeit noch schnurstracks durch die Wiese. Wo sich jetzt die kleinen Teiche und sogar ein besetztes Storchennest befinden, war damals nur ein Maisfeld. Fürwahr, es gibt ein paar Dinge, die haben sich zum Besseren entwickelt. Spuren von Hasen und Rehen ziehen sich kreuz und quer durch das Feld, in der Ferne sehe ich zwischen einer Reihe Kopfweiden einen einzelnen Bock über den Bachlauf springen. Das Eis im Bach ist von einer dünnen Schneeschicht bedeckt. Auch dort befinden sich Spuren. Tatzen von Räubern. Welche es sind, vermag ich nicht genau zu sagen. Mein Blick fällt auf die vielen immergrünen Misteln in den Pappeln. Die gab's hier schon immer in großer Zahl. Als kleines Kind habe ich geglaubt, das seien Vogelnester. Meine Mutter belehrte mich eines Besseren. Ein kurzes Gespräch – dann wieder Stille Am Himmel fliegt ein Flugzeug und zieht einen weißen Kondensstreifen von Norden nach Süden. Ein Mäusebussard stößt einen langgezogenen Schrei aus und scheint dem Flieger zu folgen. Ich schaue in Richtung "Stühmeiers Busch", sehe das Dach der verwaisten Reithalle und die runden Strohballen, die auf dem Feld liegen gelassen wurden. Ein paar Eltern ziehen ihre fröhlich lachenden Kinder mit einem Schlitten über den Blutwiesenweg. Dahinter läuft ein Hund. "Na, mal wieder in der Natur unterwegs?", ruft mir unvermittelt der Vater zu. Ein alter Bekannter. Es folgt ein &bdquo;Small Talk“. Ein nettes Gespräch, zweifelsohne. Aber dann ist wieder Stille. Herrliche Stille. Und das Knirschen des Schnees. Und das Trommeln des Buntspechts.

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