Das ist inzwischen aus dem Löhner Straßenkinderprojekt in Condega geworden

Löhne. Die Straßenkinder von 1994 sind längst erwachsen. Gerd-Arno Epke hat nicht alle ihre Lebenswege verfolgt, aber einen Namen nennt der Vorsitzende des Condega-Vereins sofort: Daniel Casco. Der 29-jährige Vater aus Condega (Nicaragua) war vor drei Jahren in Löhne und hat am Welternährungstag davon berichtet, dass viele Familien in seiner Heimatstadt morgens nicht wissen, was sie abends zum Essen auf den Tisch stellen - weil ihnen das Geld fehlt. Daniel Casco ist als kleiner Junge oft im Straßenkinderprojekt gewesen. Jetzt arbeitet er dort als Flötenlehrer und Ofenbauer auf Honorarbasis mit. Das Straßenkinderprojekt geht wesentlich auf Ideen aus Löhne zurück. Die Partnerschaft zwischen dem Kreis Herford und Condega bestand 1994 schon seit sechs Jahren. Doch erst ein Besuch der Löhner in Condega brachte Schwung in die internationalen Beziehungen. Seit 25 Jahren wird das Projekt mit Geld der Stadt Löhne unterstützt. Es stammt aus den Erträgen der Sparkasse Herford, über die der Stadtrat verfügen kann. Von ehemals rund 10.000 Euro ist der Förderbetrag inzwischen auf 8.000 Euro geschrumpft. Das meiste Geld für das Projekt kommt von privaten Spendern. Der Kreis Herford gibt derzeit 2.000 Euro. Zum Projekt-Jubiläum stellt Löhne überraschend den Geldfluss ein Ausgerechnet zum Projekt-Jubiläum wird nun der Geldhahn zugedreht. Das Abstimmungspatt im Löhner Stadtrat hat dazu geführt, dass der Förderantrag des Condega-Vereins abgelehnt wurde. Gar kein Geld zu geben war allerdings gar nicht das Ziel der Mehrheit im Stadtrat. CDU und FDP wollten den Betrag in Absprache mit den Projektverantwortlichen weiter abschmelzen. SPD, Linke und Grüne wollten bei 8.000 Euro bleiben. Jetzt fließt gar kein Geld. "Das ist bitter", sagt Matthias Mawick. Er ist bei einer der ersten Jugendbegegnungsreisen in Condega gewesen und kennt die Anfänge des Projekts aus eigenem Erleben. Das Gebäude des Straßenkinderprojekts war immer auch Anlaufstelle der Begegnungsreisen. "Anfangs war es eine Speisungsstätte", erzählt Mawick, der inzwischen auch zweiter Vorsitzender des Condega-Vereins ist. Die Kochstelle in dem Gebäude war 1994 wenn überhaupt, dann vielleicht mit dem Mittagstisch einer Tafel für Bedürftige in Deutschland zu vergleichen. Bildung für alle Lebenslagen "Inzwischen ist viel mehr daraus geworden", sagt Matthias Mawick. Mit dem Geld aus Löhne und dem Kreis Herford haben die Nicaraguaner ein Familienbildungszentrum aufgebaut. Straßenkinder bekommen hier zwar immer noch eine Mahlzeit. Es gibt aber auch Kochkurse, Ernährungskurse, Musik- und Malunterricht, Nachhilfe für den Schulstoff und Gelegenheit für Sport. Wichtigster Ansprechpartner in Condega ist Ermen Rodriguez, der mal Bürgermeister war. Rodriguez hat erkannt, dass das Straßenkinderprojekt, bei allen politischen Verwerfungen in Nicaragua, einen verlässlichen organisatorischen Rahmen braucht. Projektpartner für Deutschland ist seitdem Nicaraguas 1966 gegründete Nichtregierungsorganisation INPRHU (Instituto de Promoción Humana), die unabhängig von den politischen Regimen stets für Chancengleichheit in der Bevölkerung eintritt. INPRHU bekommt kein Geld vom nicaraguanischen Staat. Das Straßenkinderprojekt ist mit Hilfe von Rodriguez im Lauf der Jahre zu einer Art Volkshochschule, einem Familienbildungszentrum geworden. 20 Lehrkräfte und Sozialarbeiter arbeiten in Teilzeit und auf Honorarbasis mit, zwei Bürokräfte managen den Alltag. Wenn das Geld zum Jahresende verbraucht ist, verlieren die Angestellten ihre Arbeit. Anspruch auf Arbeitslosengeld haben sie nicht. Die Sozialarbeiter reisen in die Dörfer Frauen lernen in dem Projekt-Haus in Condega in überaus begehrten Nähkursen das Nähen, es gibt Sexualaufklärung und Schwangerschaftsberatung. Die Lehrer lassen längst nicht mehr ihre Schüler zu sich kommen, sondern fahren mit Bus und Material zu ihnen. "Bis in die entlegenen Dörfer", erzählt Matthias Mawick. Das ehemalige Straßenkind Daniel Casco hat in dem Projekthaus gelernt, Öfen zu bauen, die 50 Prozent weniger Brennholz verbrauchen und einen Rauchabzug haben. Jetzt leitet er andere an, es genauso zu machen. Das spart nicht nur Energie, sondern auch Geld. Condega ist eine der ärmsten Regionen der Welt. Die tägliche Bohnen-und-Mais-Mahlzeit wird am offenen Feuer gekocht. Über 700 solcher Energiesparöfen sind inzwischen in Condega und in den Dörfern rundherum entstanden.

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