Polizistin aus dem Kreis Herford warnt: Kindesmissbrauch oft nach gleichem Schema

Kirchlengern/Bünde. In jeder Schulklasse gibt es mindestens ein Kind, das bereits einmal Opfer von sexueller Gewalt geworden ist. Knapp 15.000 Fälle gab es 2022 in Deutschland – und die Dunkelziffer ist noch zehnmal höher. Die Zahlen, die die Opferschutzbeauftragte der Kreispolizeibehörde Herford, Korinna Zimmermann, während der Ausschusssitzung für Schule, Jugend, Familie und Kultur in Kirchlengern vorträgt, sind erschreckend. Dennoch scheint das Thema bei vielen Eltern keine Priorität zu besitzen. Denn wenn die Kriminaloberkommissarin ihre Präventionsvorträge auf Elternabenden halten will, werden diese oft am gleichen Tag abgesagt, weil sich nur zwei Eltern bis zu dem Zeitpunkt angemeldet hätten. Dabei sollte das gerade ihr Publikum sein. &bdquo;Die Erwachsenen sind verantwortlich für den Schutz der Schutzbefohlenen“, sagt sie. Die Gemeinde Kirchlengern aber hat sich das Thema und vor allem die Prävention mit auf die Agenda gesetzt. Um Kinder und Jugendliche zu schützen, möchte man vorbeugend agieren. Das heißt: Schüler oder junge Sportler in den örtlichen Vereinen sollen so gut es geht informiert und aufgeklärt werden. Unter anderem auch darüber, was sie weiterverbreiten. Denn wer zum Beispiel kinderpornografische Videos über Whatsapp verschickt, macht sich strafbar – auch Eltern und Lehrer, wenn sie welche bei Kindern entdecken und sie sich das Video an sich selbst schicken lassen. 30 Prozent der Täter waren unter 18 Jahre Doch was soll man dann machen in so einem Fall? &bdquo;Bloß nicht weiterverschicken“, ist die Antwort, die Zimmermann darauf gibt. &bdquo;Bei so etwas immer erst zur Polizei gehen.“ Angst davor haben, müsste man nicht: Auch bei der Polizei würden Menschen sitzen, die verstehen, dass das Kind oder der Jugendliche wahrscheinlich nicht verantwortlich für das Video sei, sagt sie. Dort könne es aber gesichert und weiterverfolgt werden. Damit es überhaupt zu einer Verbreitung von solchen Videos kommen kann, ist zuvor eine Straftat geschehen, die gefilmt wurde. Es gibt also mindestens einen Täter und mindestens ein Opfer. Da die Täter häufig aus dem nahen Umfeld des Opfers kommen, sind in 2022 80 Prozent der knapp 15.000 Fälle von sexualisierter Gewalt an Kindern und Jugendlichen aufgeklärt worden, zitiert die Kriminaloberkommissarin aus der Statistik. Es habe knapp 11.000 Tatverdächtige gegeben. Davon waren mehr als 90 Prozent Männer und etwa 30 Prozent unter 18 Jahre alt. Die Opferzahl lag dabei bei etwa 17.000. Mehr als 70 Prozent davon waren Mädchen und knapp 14 Prozent unter sechs Jahren. Nur ein Drittel der Täter ist pädophil &bdquo;Es gibt dabei kein einheitliches Täterprofil“, erklärt Zimmermann. Aber es gebe Tätertypen, die häufig nach einem bestimmten Schema vorgehen. Der weiße Bulli mit der offenen Tür vor der Schule oder der Kita sei schon längst nicht mehr die größte Angst, die Eltern haben sollten. Und auch nur ein Drittel der Täter seien pädophil veranlagt. &bdquo;Täter sind oft nett, sozial engagiert, sehr angesehen und besitzen einen Vertrauenvorschuss von Eltern“, erklärt sie. Sie hätten häufig einen freien Zugang zu Kindern, wie beispielsweise in Vereinen, Schulen oder Kitas. Wenn sie sich ein Opfer ausgesucht haben, gehen sie in kleinen Schritten vor, testen ihre Grenzen, gewinnen Vertrauen und machen die Kinder dann abhängig. Am Ende werden Drohungen ausgesprochen wie: &bdquo;Sonst stirbt dein Kaninchen“ oder &bdquo;Sonst töte ich deine Mama“. &bdquo;Kinder nehmen das so ernst, dass sie auch, wenn der Täter bereits in U-Haft ist, immer noch schweigen.“ Die Täter suchen sich auch oft die &bdquo;leichtesten Opfer“ aus. Dabei sind Kinder mit Einschränkungen, Außenseiter oder auch besonders ehrgeizige Kinder, die zum Beispiel im Sportverein vom Trainer mehr wahrgenommen werden möchten. Erst jede siebte Person glaubt dem Kind Wenn Eltern oder andere Bezugspersonen auffällt, dass das Kind sich anders verhält, sollten sie aufmerksam werden, sagt Zimmermann. Warnsignale neben den sichtbaren Verletzungen im Intimbereich, wie Kopfschmerzen, Rückenschmerzen, Schulversagen oder Aussagen des Kindes sollten ernst genommen werden. Kinder würden sich in der Regel eher einer dritten Person anvertrauen als den eigenen Eltern. &bdquo;Im Schnitt müssen sich die Opfer an sechs Erwachsene wenden, bevor ihnen die siebte Person glaubt.“ Wenn sich das Kind an einen wendet, dann solle man auf keinen Fall den Täter direkt kontaktieren, so Zimmermann. Wer sich nicht direkt an die Polizei wenden möchte, kann auch erst eine anzeigenunabhängige Spurensicherung ohne Polizei vornehmen lassen. Diese würden von Fachkräften im Mathildenhospital oder auch im Herforder Klinikum vollzogen. Die Spuren können dann bei einer künftigen Anzeige hinzugezogen werden. Denn eine Anzeige bedeutet auch eine enorme Belastung für das Kind. Auch Beratungsstellen seien eine Alternative. So geht die Schule mit dem Thema um Sollte so ein Vortrag nicht mit ins Pflichtprogramm von den Schulen, regte die Ausschussvorsitzende Birte Rögner an. Das Thema sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen werde bereits sehr häufig an der Erich-Kästner-Gesamtschule thematisiert, sagt Schulleiterin Antje Stuke darauf. Unter anderem in der Schulung der Medienkompetenz oder an Projekttagen. Meist würden die Lehrer die Verbreitung eines kinderpornografischen Videos sowieso erst als Letzte in der Kette mitbekommen. &bdquo;Wir schalten in so einem Fall die Polizei ein und benachrichtigen die Eltern“, erklärt sie. Mittlerweile wüssten alle Lehrer der Gesamtschule, dass sie das Video nicht weiterverschicken dürfen, das sei vor einigen Jahren noch nicht so gewesen. Alle Schulen hätten den Auftrag bekommen, ein entsprechendes Schulkonzept zum Thema zu entwickeln. &bdquo;Wir sind aber alle noch weit weg, um alle Beteiligten in der Sache mitzunehmen“, sagt Stuke. &bdquo;Wir sollten vorsichtig damit sein, alles so schnell der Schule unterschieben zu wollen“, ergänzte Rüdiger Bockhorst von den Grünen. Er mahnte an, dass es auch die Aufgabe der Eltern sei, die Kinder entsprechend zu informieren. &bdquo;Schule kann nicht alles leisten.“

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