Höxteraner wird nicht behandelt: „Ärzte wollen die Klientel nicht da sitzen haben“

Höxter. Sprichwörtlich gibt es für jedes Problem auch eine Lösung. Und weil das grober Unfug ist, haben klügere Köpfe noch allerlei Nachsätze für die Volksweisheit geschrieben. Zum Beispiel der US-amerikanische Schriftsteller Henry L. Mencken: &bdquo;Für jedes Problem gibt es eine Lösung, die einfach, klar und falsch ist.“ Johannes P. (Name geändert) hat auch ein Problem: Er hat pädophile Neigungen. Und deswegen hat auch die Gesellschaft ein Problem. Und weil der Höxteraner doppelt einschlägig vorbestraft ist und unter offener Bewährung steht, liegt die Lösung, zumindest aus Sicht der Allgemeinheit, nahe: P. sollte ins Gefängnis. Eine einfache, klare Lösung - die aber eigentlich niemanden weiterbringt. &bdquo;Er kommt nicht besser raus, als er reingeht“, prognostiziert P.s Verteidiger Dietlef Bitterberg in seinem Plädoyer. Denn pädophile Neigungen verschwinden nicht einfach so. Auch nicht hinter vergitterten Fenstern. Das wussten auch die beiden Gerichte, die den heute 28-Jährigen in der Vergangenheit bereits zu Bewährungsstrafen mit der Auflage verurteilte, sich in Therapie zu begeben. Das allerdings ist nicht passiert. Höxteraner ist ein sogenannter &bdquo;Hands-off-Täter“ &bdquo;Für diese Personenfelder gibt es kaum therapeutische Angebote“, erklärt der Bewährungshelfer des Höxteraners. Sein Klient gehört zu den sogenannten &bdquo;Hands-off-Tätern“. Johannes P. wird also nicht aktiv, vergewaltigt oder nötigt nicht selbst ein Kind oder einen Jugendlichen. Aber &bdquo;er nutzt das Erstellungsmaterial“. Das heißt, er schaut sich Bilder oder Videos an. Teilweise seien posierende Kinder und Jugendliche zu sehen. Doch, wie die Staatsanwaltschaft betont, seinen unter den Dateien, die auf P.s Handys festgestellt wurden, auch Aufnahmen von oralem oder vaginalem Missbrauch zu sehen. Hinter jedem Pixel steckt das Leid echter Kinder und Jugendlicher. Und wer solche Inhalte anschaut, also nachfragt, trägt mittelbar dazu bei, dass neue Bilder und Videos angeboten werden. Mehr zum Thema: Riesiges Kinderpornografie-Netzwerk enttarnt - Verdächtige aus OWL darunter &bdquo;Im Hochstift gibt es 80 bis 90 Therapeuten“, fährt der Bewährungshelfer fort, &bdquo;keiner geht an die sexuelle Delinquenz ran, aus verschiedenen Gründen“. Die Situation sei vergleichbar mit der Suche nach einem Mediziner in der Region, der Methadon oder andere Substitute an Drogensüchtige abgebe: &bdquo;Viele Ärzte wollen die Klientel nicht da sitzen haben.“ Und auch wer weitere Kreise zieht, findet eigentlich kein passendes Angebot für den Höxteraner. So gebe es zum Beispiel präventive therapeutische Hilfe für Menschen mit pädophilen Neigungen - aber nur, wenn die noch nicht straffällig geworden sind. Der Zug ist bei Johannes P. aber längst abgefahren. Isoliert und depressiv: Höxteraner leidet an psychischen Erkrankungen In dieser verfahrenen Situation ist der Bewährungshilfe eigentlich nur noch eines eingefallen. Bei Johannes P. liegt nämlich gesundheitlich einiges im Argen. Der Höxteraner sitzt vornübergebeugt. Wenn kein Tisch ihn daran hindert, liegt er fast mit dem Oberkörper auf den eigenen Knien. Das Haar hat er sich weit ins Gesicht gekämmt, der Blick geht an jedem menschlichen Auge vorbei und studiert in einem konstanten 45-Grad-Winkel den Fußboden des Amtsgerichts Höxter. Johannes P. sei depressiv und leide unter einer Sozialphobie. Lesen Sie auch: Kinderpornografie und kleine Sexpuppe: Höxteraner muss sich vor Gericht verantworten &bdquo;Er hat nur sehr wenige bis gar keine sozialen Kontakte“, erklärt der Bewährungshelfer. Stattdessen führe er ein isoliertes Dasein. Interessant ist, dass die Schwester des Angeklagten &bdquo;an den gleichen Symptomen“ leide. Die Frau müsse in ihrer Kindheit vom eigenen Vater sexuell missbraucht worden sein. &bdquo;Eventuell liegt auch bei Johannes P. Missbrauch durch den Vater vor“, sagt der Bewährungshelfer. P. sage zwar, dass er sich nicht an so etwas erinnern könne, doch das könne auch ein Schutzmechanismus des Körpers sein. Jedenfalls würden so die Reifeverzögerungen und die pädophile Neigung erklärbar, meint der Bewährungshelfer. Warum werden die Depressionen des Höxteraners nicht längst behandelt? Nun dessen Lösung: Wegen der Depression und der Sozialphobie könnte Johannes P. vom Hausarzt ohne Probleme eine Überweisung für einen stationären Aufenthalt in einer Psychiatrie bekommen. &bdquo;Das wäre wichtig“, meint der Bewährungshelfer. Und mit etwas Glück könnten während dieser Behandlung auch noch &bdquo;die anderen“ Themen in Angriff genommen werden. &bdquo;Das könnte für ihn noch eine Rettung sein“, ist auch Verteidiger Bitterberg überzeugt, der von der &bdquo;letzten Hoffnung stationärer Aufenthalt“ für seinen Mandanten spricht: &bdquo;Er kann sich nicht aus eigener Kraft berappeln, er kann es nicht.“ Voraussetzung dafür, den Strohhalm zu ergreifen wäre, dass P. noch einmal mit einer Bewährungsstrafe davonkommt. Dem Silberstreif erteilen Staatsanwältin und Richterin jedoch eine Absage. Zum einen seien die Erfolgschancen eher gering. Und &bdquo;das hätte man schon machen können“, sagt Richterin Christina Brüning. Die Überweisung könnte längst da, der Angeklagte längst auf einer Station sein. &bdquo;Die Chance war da.“ Rechtsanwalt des Höxteraners will Berufung einlegen Das Gericht verurteilt Johannes P. daher zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten. Ohne Bewährung. Eingeflossen sind hier eine alte Bewährungsstrafe, deren Bewährungszeit noch nicht abgelaufen war, sowie die Strafbestände des Abrufens kinderpornografischen Materials, des Abrufens, des Besitzes sowie der Verbreitung jugendpornografischen Materials und der Besitz einer kindlichen Sexpuppe. Johannes P. muss ins Gefängnis. Auch interessant: Kindesmissbrauch in Lügde: Ein Opfer wird selbst zum Täter &bdquo;Sie können Berufung oder Revision einlegen“, erklärt Brüning dem 28-Jährigen. Bei einer Berufung würde am Landgericht Paderborn erneut verhandelt. &bdquo;Die würden dann vielleicht auch andere Umstände miteinbeziehen“, winkt sie mit dem Zaunpfahl. P.s Verteidiger kündigt gegenüber der &bdquo;NW“ an, Berufung einlegen zu wollen: &bdquo;Wir gehen in Berufung, um Zeit zu gewinnen.“ Vielleicht wäre bis dahin ein stationärer Therapieplatz gefunden. Keine Lösung, aber eine Hoffnung.

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