Möbel für 100.000 Euro spurlos verschwunden

Bünde/Kirchlengern. Mit Diebstahl hatte eine Logistik-Firma aus Kirchlengern in der Vergangenheit offenbar große Probleme. Der Junior-Chef des Unternehmens ging dem Verdacht gegen einen Mitarbeiter selbstständig nach und fand nach eigener Aussage Ware im Wert von etwa 100.000 Euro, die eigentlich für Möbelhäuser in ganz Deutschland bestimmt waren, in einem Geschäft in Bad Oeynhausen wieder. Er meldete die Beobachtungen der Polizei und eine Spur führte die Ermittler zu einem ehemaligen Mitarbeiter. Dem 60-jährigen Holzmechaniker wird Diebstahl von der Staatsanwaltschaft vorgeworfen. Verhandelt wird aber nicht über Ware im Wert von 100.000 Euro, sondern nur über zehn Paletten Bruchware - also Möbel, die aufgrund eines Transportschadens nicht mehr in den offiziellen Verkauf gelangt sind. Der Wert: etwa 1.500 Euro. Von den restlichen Möbeln fehlte bei einer Durchsuchung der Polizei, mehrere Wochen nach der Entdeckung durch den Junior-Chef, jede Spur. "Wir sind kein Selbstbedienungsladen" Der Angeklagte erzählt, dass er in dem Unternehmen für die Qualitätssicherung zuständig gewesen sei. Im Laufe seines Arbeitstages sei es immer mal wieder vorgekommen, dass Ware beschädigt wurde. Diese sei dann am Rand der Lagerhalle gestapelt worden, damit die Versicherung die Schäden begutachten könne. Die beschädigten Möbelteile seien nach Aussage des Angeklagten entsorgt, an Postenhändler verkauft oder an Vereine verschenkt worden. "In den Kartons war Folie, Styropor und Holz. Die Entsorgung kostet sonst viel Geld", sagt der 60-Jährige. Damit der Müllberg nicht weiter wachse, will er in Absprache mit dem Vorgesetzten die Initiative ergriffen und oftmals die beschädigte Ware weggeschafft haben. Auf Nachfrage bei den Chefs hätten sich auch Mitarbeiter bedienen dürfen, sagt er. "Dafür gab es dann Geld in die Kaffeekasse." Das bestätigt in der Verhandlung auch ein leitender Mitarbeiter des Unternehmens. "Wenn jemand gefragt hat, war das in Ordnung. Das kam aber nicht oft vor. Wir sind ja kein Selbstbedienungsladen", sagt er. Kirchenverein brachte zum Dank Apfelsinen Laut Aussage des Angeklagten sei mehrmals auch ein Kirchenverein zum Lager gekommen und habe Bruchware abgeholt. Die Möbelteile sollen dann nach Osteuropa, zum Beispiel in die Ukraine, geliefert und verschenkt worden sein. "Als Dankeschön haben sie uns dann Apfelsinen und Wein für den Chef gebracht. Das war Tauschhandel, so wie früher", plaudert der Angeklagte im lockeren Ton. Die Stimmung im Gerichtssaal kippt etwas, als die Richterin den Angeklagten auf einen Lieferschein anspricht. Mit dem Schreiben wurde die Anlieferung von zehn Paletten Bruchware an einen Händler aus Bad Oeynhausen bestätigt. Dem Händler, wo Logistik-Mitarbeiter die entwendete Ware im Wert von 100.000 Euro gesehen haben wollen. Das Dokument trug die Handschrift des Angeklagten, als Unterschrift war jedoch der Name des damaligen Lagerleiters zu erkennen. Lieferschein offenbar gefälscht Der beteuert im Gerichtssaal, das Dokument nicht zu kennen. "Das ist auch nicht meine Unterschrift, ich unterschreibe anders. Zudem ist das gar nicht der normale Lieferschein des Unternehmens", sagt er. Im Zeugenstand spricht ein leitender Mitarbeiter von "einer Fälschung". Sollte das illegale Geschäft nachträglich legalisiert werden? Beantworten lässt sich die Frage nach 90 Minuten Verhandlung nicht. Weil von der Polizei nur die zehn Paletten Bruchware gefunden wurden und man den Prozess nicht weiter in die Länge ziehen will, ist das Verfahren gegen den 60-Jährigen unter Auflagen eingestellt worden. Der mittlerweile arbeitslose Mann muss 800 Euro bezahlen. Die fehlende Ware im Wert von 100.000 Euro bleibt weiter verschwunden.

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