Detmolder Anwältin vor Gericht: Testament einer Seniorin laut LKA gefälscht

Detmold. Die Hitze hat an diesem Vormittag längst nicht ihren Höhepunkt erreicht, da offenbart sich am Ende des Sitzungstages eine für das Mammutverfahren gegen eine Detmolder Rechtsanwältin wichtige Erkenntnis. Diese betrifft eine Erbschaft, die sich die 59-Jährige mutmaßlich unter den Nagel reißen wollte. Diesen und vielen anderen Vorwürfen muss sich die Angeklagte zumindest seit vergangenem November vor dem Landgericht stellen. An Prozesstag 24 führt die Große Wirtschaftsstrafkammer ein vom Gericht beauftragtes schriftvergleichendes Gutachten ein, das ein die Juristin begünstigendes Testament näher untersucht hatte. Das Landeskriminalamt kommt darin zum Ergebnis, dass die Angeklagte den letzten Willen der von ihr betreuten Seniorin mit hoher Wahrscheinlichkeit gefälscht hat. Mit Blick auf das LKA-Gutachten erteilt die Vorsitzende Richterin Katharina Schikowski daher den rechtlichen Hinweis, aus Sicht der Kammer könnte für diesen angeklagten Komplex auch eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung in Betracht kommen. In diesem Punkt wirft die Staatsanwaltschaft Detmold der vorrangig als gesetzlichen Betreuerin tätig gewesenen Anwältin nämlich vor, versucht zu haben, eine demente Seniorin auszunutzen und den rechtmäßigen Erben um rund 700.000 Euro zu bringen. Testament der Senioren von Angeklagten gefälscht Schon beim zuständigen Nachlassgericht in Detmold war das hier strittige Dokument mit einem vermeintlich abgeänderten letzten Willen der Seniorin wegen der offenbar nicht passenden Unterschrift aufgefallen. Die Angeklagte selbst lässt sich im Gerichtssaal keine Emotion anmerken. Sie starrt konzentriert auf die Anklagebank vor sich und scrollt durch ihre Unterlagen. An diesem Sitzungstag sagt die 59-Jährige selbst kein Wort. Lesen Sie auch: Zeichnung ist keine Unterschrift – Testament nichtig Das Gutachten basiert auf einer umfangreichen Analyse. Um ein aussagekräftiges Ergebnis zu erzielen, hatte das LKA etliche von der betroffenen Seniorin getätigten Unterschriften aus den vergangenen Jahrzehnten herangezogen. Seitens der Anwältin lagen der Sachverständigen zum Vergleich diverse an die Staatsanwaltschaft und das Gericht handschriftlich geschickte Briefe vor. Die Analyse kommt zum Ergebnis, dass die Seniorin das Testament mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht selbst geschrieben hat. Im zweiten Schritt stellt das Gutachten fest, das Dokument sei mit hoher Wahrscheinlichkeit von der Angeklagten verfasst und demnach gefälscht worden. Das heißt, die vorliegenden Merkmale sprechen deutlich für eine entsprechende Urheberschaft, können aber laut Definition keine vollständige Sicherheit bieten. Sachverständiger Architekt passt Gutachten an Völlig uneingeschränkt von seiner Beurteilung überzeugt, zeigt sich dagegen der erneut vom Gericht als sachverständiger Architekt geladene Gutachter. Der hatte den Wert einer in den Fokus der Ermittler gerückten Eigentumswohnung nachträglich bestimmt. Dem Vorwurf der Staatsanwaltschaft nach soll die angeklagte Anwältin ihrer ehemaligen Kanzlei-Mitarbeiterin mithilfe einer viel zu niedrigen Wertermittlung dabei geholfen zu haben, die Wohnung für einen &bdquo;Spottpreis“ zu erwerben. Um den tatsächlichen Wert der Wohnung ein für alle Mal zu klären, trägt Richterin Schikowski dem Gutachter kleinteilig vor, welche Defizite und Mängel die Beweisaufnahme nachträglich ergeben hat. Dazu zählen ein kaputter Teppich, nicht funktionierende Steckdosen und zu niedriger Wasserdruck. Da es keine Fotos vor dem Kauf gibt und der Architekt das Objekt nur im renovierten Zustand kennt, hatte der Sachverständige quasi blind bewerten müssen. Die neuen Fakten veranlassen den Architekten dazu, in seiner neuen Rechnung noch einmal 5450 Euro Renovierungskosten vom ermittelten Wert abzuziehen und den Mietspiegel wegen des &bdquo;schlechten Zustands“ anzupassen. Auch interessant: &bdquo;Ich bin fassungslos“: Richterin verurteilt Bielefelder Anwalt wegen Untreue Auch gegen die Nichte der Kanzlei-Mitarbeiterin wurde ermittelt Damit kommt der Sachverständige zur abschließenden und ganz nebenbei in einer Sitzungspause errechneten Erkenntnis, der Ertragswert der Wohnung liege bei knapp 124.772 Euro. &bdquo;Einen grottigen Zustand kann ich aus den Mängeln nicht ablesen“, sagt der Architekt auf Nachfrage von Verteidigerin Christina Peterhanwahr. &bdquo;Das ist eine Beurteilung, hinter der ich voll stehe.“ Die Wohnung sei nicht unbewohnbar gewesen - sondern einfach länger nicht renoviert. Die ebenfalls angeklagte Kanzlei-Mitarbeiterin hatte für die Wohnung im Jahr 2022 etwa 82.500 Euro gezahlt, die von ihrer damaligen Chefin in Auftrag gegebene Wertermittlung kam auf eine Summe von 87.000 Euro. Die Beweisaufnahme hatte ergeben, dass dieser Wert nur ein vorläufiger gewesen war und keinesfalls für Verkaufsgespräche hätte dienen dürfen. Wieder sitzen die parallel vor Gericht stehende Kanzlei-Mitarbeiterin und ihre Nichte, gegen die ebenfalls in diesem Komplex ermittelt wurde, im Zuschauerraum und tippen eifrig mit, was der Gutachter zu sagen hat, der im anderen Prozess ebenfalls noch mal aussagen muss. Die Vorsitzende erinnert daher noch einmal daran, dass keine Tonaufnahmen im Sitzungssaal erlaubt sind. Richterin spricht Machtwort Zwischendurch gibt es sogar ein Machtwort. &bdquo;Wir sind hier nicht im Kino, können Sie sich gerade hinsetzen?“, sagt die Vorsitzende und blickt streng zur Angehörigen. &bdquo;Wir legen ein bisschen Wert darauf, dass man Respekt vor dem Gericht hat.“ Noch vor der großen Mittagshitze ist der Prozesstag dann vorbei. Die ehemalige Kanzlei-Mitarbeiterin sitzt am 3. Juli wieder auf der Anklagebank. Der Prozess gegen die Anwältin geht am 8. Juli weiter. Mehr zum Thema: Bielefelderin vererbt der Stadt ihr gesamtes Vermögen

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