Arminia Bielefeld in der NS-Zeit: Als Fanatiker das Kommando übernahmen

Bielefeld. Arminia Bielefelds sportliche Bilanz bei der Betrachtung der Jahre von 1931 bis 1940 nimmt aufgrund der politischen Lage, die damals in Deutschland herrschte, nur eine unbedeutende Nebenrolle ein. Mit der Ernennung Adolf Hitlers am 30. Januar 1933 zum Reichskanzler begann eine zwölfjährige Epoche des Schreckens – in Bielefeld, in Deutschland, in Europa, weltweit. Ein Fackelzug durch Bielefelds City leitete die braune Zeitenwende auch in OWL ein. Wenige Tage später war schon deutlich erkenn- und spürbar, welchen Weg die NSDAP einschlagen würde. Erste Hausdurchsuchungen bei jüdischen Mitbürgern in Bielefeld wurden vorgenommen. SA und SS organisierten am 1. April 1933 Boykotte gegen jüdische Geschäfte, Ärzte und Rechtsanwälte. Mittlerweile war der Bürgerpark in Adolf-Hitler-Park umbenannt worden. Die Maschinerie des Schreckens war angelaufen. Die vom Regime angeordnete Gleichschaltung des Sports fand bei den Offiziellen des DSC Arminia sofort offene Ohren – im Gegensatz zum VfB 03 Bielefeld. Dessen Entscheidungsträger hielten sich zunächst merklich zurück. 1934 hatte Karl Demberg Paul Fleege an der Spitze des Vereins abgelöst. Demberg war ein ehrgeiziger junger Rechtsanwalt, der Großes mit der Arminia vorhatte. Er war ein fanatischer SS-Mann, der nach jeder Versammlung das Horst-Wessel-Lied anstimmen ließ. Verbriefte Rechte der Mitgliederversammlung wurden von ihm trotz Kritik außer Acht gelassen. Neue Vorstandspersonen ernannte Demberg per Handschlag. Lesen Sie auch: Erstes Spiel auf dem Bielefelder Kesselbrink – wie bei Arminia alles begann Arminia dreimal in der höchsten deutschen Spielklasse Der als charismatisch geltende Demberg, der zuvor als Spieler zu den besten Arminen gehört hatte, wies aber auch ein anderes Gesicht auf. Für einige Arminia-Fans in der damaligen Zeit galt er als der Vater des sportlichen Erfolges. Er war ein Fußballverrückter, der mit allen Kräften hohe Ziele zu erreichen versuchte. 1934, 1938 und 1940 gehörten die Arminen jeweils eine Saison der damals höchsten deutschen Spielklasse, der Gauliga, an. Im Umgang mit jüdischen Mitgliedern reagierten die Fußballklubs auf den von außen kommenden Druck zur sogenannten &bdquo;Arisierung“ völlig unterschiedlich. Im Gegensatz zu vielen anderen Sportverbänden hatte der Deutsche Fußball-Bund (DFB) seinen Vereinen keinen generellen Ausschluss jüdischer Mitglieder vorgeschrieben. Die Klubs hatten somit Handlungsspielräume. Lesen Sie auch: Wie der Erste Weltkrieg Arminias Höhenflug stoppte Arminia jedoch erfüllte die Erwartungen der Nationalsozialisten in vorauseilendem Gehorsam. Jüdische Mitglieder wurden ausgeschlossen und erhielten Hausverbot auf der Alm. Die Anpassung der Vereinsfarben von schwarz-weiß-blau in braun war für die Vereinsführung erstaunlicherweise ein No-Go. SS-Leute aus dem inneren Zirkel von Arminia Vorläufiger Höhepunkt der Judenverfolgung nicht nur in Bielefeld war der 9. November 1938. Als in der Pogromnacht die Synagoge an der Turnerstraße niedergebrannt wurde, sollen mehrere SS-Leute aus dem inneren Zirkel von Arminia beteiligt gewesen sein. 18 jüdische Geschäfte wurden geplündert. 50 jüdische Bürger wurden verhaftet und nach Buchenwald deportiert. 1933 zählte die jüdische Gemeinde in Bielefeld 800 Mitglieder bei einer Einwohnerzahl von 120.000. Etliche von ihnen waren aktiv in Bielefelder Sportvereinen involviert. Sie wurden im Zeichen des Hakenkreuzes aus politischen und rassistischen Gründen als missliebige Personen aus der kollektiven Erinnerung gestrichen. Eine wissenschaftliche Aufarbeitung der damaligen Ereignisse ist schier unmöglich. Viele Quellen und Nachweise aus Arminias Vereinsarchiv sind im Krieg verloren gegangen. Mitgliederkarteien aus der NS-Zeit sind nicht mehr auffindbar. Wie viele andere Vereine in Deutschland auch hat sich Arminia Bielefeld viele Jahre schwergetan, Licht in dieses dunkle Kapitel zu bringen. &bdquo;Butterbürste“ und Alm-Auftrieb: Arminias Goldene Zwanzigerjahre Seit 2012 verstärke Aufarbeitung der NS-Zeit Große Anerkennung bei der Aufarbeitung der DSC-Geschichte in der Nazi-Zeit verdient Insa Schlumbohm. Die im Bielefelder Bildungsbüro tätige Pädagogin schrieb 2012 einen bemerkenswerten Aufsatz zum Gedenken an jüdische Mitglieder im DSC Arminia Bielefeld. Ihr Verdienst besteht darin, dass sie über das Leben und tragische Schicksal von Ex-Präsident Julius Hesse und Fritz Grünewald Fakten recherchierte und aufschrieb. Die Geschichte dieser zwei leidenschaftlichen DSC-Anhänger jüdischen Glaubens wird in der nächsten Folge über die 40er-Jahre erzählt. Seit 2018 betreibt eine Vierergruppe um den pensionierten Geschichts- und Politiklehrer Friedhelm Schäffer, dem Fanprojekt der Arminen, dem Arminia Supporters Club (ASC) und Christian Venghaus, der seit 1997 in diversen Tätigkeiten für Arminia tätig ist, Gedenk- und Erinnerungsarbeit. Sie haben die Julius-Hesse-AG ins Leben gerufen. Arminias Präsident Rainer Schütte gilt als großer Unterstützer dieses Vorhabens. Zum Thema: Historiker arbeitet NS-Vergangenheit von Arminia Bielefeld auf Schäffer hat in seiner Funktion als pädagogischer Mitarbeiter des Kreismuseums Wewelsburg die Geschehnisse um Arminia Bielefeld während dieser dunklen Epoche erforscht und in einer Broschüre mit dem Titel &bdquo;Arminia Bielefeld während des Nationalsozialismus“ zusammengefasst. Empfehlenswert ist auch das Werk der fünf Autoren Volker Backes, Olaf Bentkämper, Jens Kirschneck, Julien Lecoeur und Marcus Uhlig aus dem Jahre 2005 mit dem Titel &bdquo;100 Jahre Leidenschaft“. Zum Ende doch noch ein sportlicher Aspekt: Auffälligster Arminen-Spieler zu jener Zeit war Josef Hogenkamp. Der Offensivspieler war ein Typ, wie es viele Jahre später Fabian Klos war: bullig und torgefährlich. Der spätere Mannschaftskapitän hatte erheblichen Anteil an den drei Gauligaaufstiegen. Hogenkamp starb 1944 im Krieg.

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