Herforder Rechtsanwalt angeklagt: Er verwehrte einem Richter den Zugang zum Pflegeheim

Herford/Bielefeld. Hat ein bevollmächtigter Betreuer das Recht, einem Richter den Zugang zu einem pflegebedürftigen Vollmachtgeber zu verwehren? Unter anderem mit dieser Frage hat sich nun in zweiter Instanz eine Berufungskammer des Bielefelder Landgerichts auseinandersetzen müssen. Die Kammer verurteilte schließlich einen Herforder Rechtsanwalt wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen à 80 Euro. Der äußere Ablauf des Geschehens, das sich am 29. September 2021 vor einem Herforder Pflegeheim zutrug, wurde von sämtlichen Beteiligten im Großen und Ganzen ähnlich dargestellt. Lediglich in der Wertung des Vorfalls gingen die Ansichten weit auseinander – und führten nun nach einer ersten Verhandlung vor dem Herforder Amtsgericht zur Berufungsverhandlung vor dem Landgericht. Der Angeklagte, ein Rechtsanwalt aus Herford, war 2021 unter anderem als Berufsbetreuer mit der Wahrnehmung der Interessen des damals 92 Jahre alten, pflegebedürftigen Xaver F. (Namen aller Betroffenen geändert) betraut. Der Senior hatte seiner Tochter Julia V. eine Generalvollmacht, diese wiederum dem Rechtsanwalt ihres Vaters eine Untervollmacht ausgestellt. Vermögen im unteren siebenstelligen Bereich Doch offenbar war es zu Unstimmigkeiten unter den Kindern von Xaver F. gekommen – den Grund hierfür sieht der nun angeklagte Rechtsanwalt in einem zu vererbenden Vermögen im unteren siebenstelligen Bereich: &bdquo;Da lohnt es sich schon mal zu kämpfen“, so der Jurist vor dem Landgericht. Die Geschwister von Julia V. erhoben jedenfalls den Vorwurf des Vollmachtsmissbrauchs sowie der Untreue gegen die Frau und den Rechtsanwalt – ein entsprechendes Verfahren ist mittlerweile jedoch eingestellt worden. Dennoch hielt es das Herforder Amtsgericht aus Fürsorgegründen für geboten, Xaver F. zu den Vorwürfen seiner Kinder anzuhören und gegebenenfalls eine Kontrollbetreuung einzurichten. Termin im Pflegeheim angesetzt Doch setzte das Gericht den Termin im Pflegeheim von Xaver F. offenbar äußerst kurzfristig an. Am 29. September 2021 erhielt der Rechtsanwalt gegen 13 Uhr einen Anruf von Julia V., dass sich eine halbe Stunde später ein Richter des Amtsgerichts einen Eindruck von ihrem Vater verschaffen wolle. Der Anwalt machte sich sofort auf den Weg zum Pflegeheim, in dem F. untergebracht war, wo er gemeinsam mit Julia V. und deren Ehemann dem Richter den Weg zur Eingangstür versperrte. Auch interessant: Bielefelder Pflegerin veruntreut mehr als 80.000 Euro von einer 83-Jährigen &bdquo;Ich sagte, Sie kommen hier nicht rein“, räumte der Anwalt nun unumwunden vor dem Landgericht ein, &bdquo;wir wollten nicht, dass Herr F. vernommen wird. Der lag im Sterben und war überhaupt nicht vernehmungsfähig.“ Dabei habe er sich, so der Angeklagte, kraft ausgestellter Vollmacht auf das Hausrecht des Seniors berufen: &bdquo;F. war dort Mieter eines Zimmers, hatte also Hausrecht“. Richter rechtfertigt sein Vorgehen Der Richter habe weder versucht, die Klingel der Einrichtung zu betätigen, noch sonst irgendwie Kontakt zur Heimleitung oder Pflegepersonal aufzunehmen: &bdquo;Stattdessen hat er einen bereits fertigen Beschluss aus der Tasche gezogen, dass eine Kontrollbetreuung eingerichtet werde.“ Lesen Sie auch: &bdquo;Ich bin fassungslos“: Richterin verurteilt Bielefelder Anwalt wegen Untreue Der Richter rechtfertigte sein Vorgehen: &bdquo;Das ganze Verfahren ist völlig abnorm verlaufen, völlig aufgeladen“, sagte er in seiner Zeugenvernehmung aus. Entgegen der Ansicht der Bevollmächtigten sei eben gerade wegen des schlechten Zustands von Xaver F. Eile geboten gewesen – sei es doch um die Überprüfung von dessen tatsächlicher Interessen gegangen. Knapp zwei Monate nach dem Eklat vor dem Pflegeheim beschwerte sich ein weiterer vom angeklagten Anwalt betreuter Mann über den in Rede stehenden Richter. In diesem Gespräch äußerte der Jurist, dass jener Richter tatsächlich &bdquo;ein Arschloch“ sei. Allerdings überwarf sich der Mandant kurz darauf mit seinem Anwalt und präsentierte dem Amtsgericht eine Aufnahme des genannten Gesprächs. Die Folge: eine Anzeige wegen Beleidigung gegen den Anwalt. Amtsgericht verwarnt Rechtsanwalt Wegen dieser beiden Ereignisse war es im Dezember des vergangenen Jahres schließlich zu einer ersten Verhandlung gekommen. Das Herforder Amtsgericht sah den Tatbestand der Nötigung als erfüllt an. Vom Vorwurf der Beleidigung sprach das erstinstanzliche Gericht den Juristen jedoch frei, weil diese während eines vertraulichen Gesprächs und nicht im Rahmen eines Mandatsverhältnisses gefallen sei. Das Gericht verwarnte den Rechtsanwalt und behielt sich eine Geldstrafe in Höhe von 10 Tagessätzen à 80 Euro vor. Sowohl der Angeklagte als auch die Staatsanwaltschaft legten Berufung gegen diese Entscheidung ein. Während der Angeklagte auch vom Vorwurf der Nötigung freigesprochen werden wollte, verfolgte die Staatsanwaltschaft eine Verurteilung wegen der im Raum stehenden Beleidigung sowie ein höheres Strafmaß wegen der Nötigung. Auch interessant: Betrüger-Duo aus Osnabrück soll Raser aus Herford vor Fahrverboten und Punkten bewahrt haben Fall vor dem Landgericht weiter verhandelt Nach abermaliger Beweisaufnahme verurteilte die 22. Kleine Strafkammer des Landgerichts unter dem Vorsitz von Richterin Beate Hellermann den bislang nicht vorbestraften Anwalt nun wegen Nötigung und Beleidigung zu einer Geldstrafe von 35 Tagessätzen à 80 Euro. &bdquo;Das Vergehen, einen Richter an seiner Amtsausführung zu hindern, ist verwerflich“, sagte Hellermann in der Urteilsbegründung, &bdquo;der Richter hätte in das Zimmer gehen dürfen, um sich einen Eindruck von Herrn F. zu verschaffen. Ein Hausrecht hatte F. sicherlich in seinem Zimmer, aber nicht vor dem Eingang des Heims.“ Auch sei die Beleidigung des Richters entgegen der Ansicht des Angeklagten nicht in einem sogenannten &bdquo;beleidigungsfreien Raum“ - hierzu zählen insbesondere Gespräche unter Familienangehörigen – gefallen. &bdquo;Die Professionalität gebietet es, sich sprachlich nicht auf dieses Niveau zu begeben“, sagte Hellermann. Eine Verwarnung, wie sie vom Amtsgericht ausgesprochen worden sei, wäre vielleicht denkbar gewesen, &bdquo;wenn eine gewisse Selbstkritik vorhanden wäre. Die Kammer ist sich jedoch nicht sicher, dass es in Zukunft nicht zu weiteren derartigen Vorfällen kommt.“ Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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