„Sie hatten keine Chance“: An diesem beliebten Ort in Herford wurden Hexen gefoltert

Herford. Waren sie erst einmal auf der Anklagebank angekommen, hatten sie eigentlich keine Chance mehr: 55 meist mit dem Todesurteil geendete Hexenprozesse lassen sich für die Jahre 1584 bis 1654 für die Stadt Herford nachweisen – die Dunkelziffer wird noch weitaus höher liegen. Diese schier hohe Zahl ist kaum verwunderlich, denn für die Beweisfindung setzten die Ankläger Foltermethoden und unmögliche Proben ein. Vor nunmehr 250 Jahren, am 7. April 1775, ist in Deutschland die letzte Frau in einem Hexenprozess zum Tode verurteilt worden. Ihr Name: Anna Maria Schwegelin. Die Dienstmagd hat, so die Überlieferungen, an einer psychischen Erkrankung gelitten und während ihrer langen Zeit in Untersuchungshaft gestanden, eine Hexe zu sein. Das Besondere am letzten Hexen-Todesurteil in Deutschland: Es wurde nie vollstreckt. 1995 findet ein Historiker heraus, dass Schwegelin erst 1781 starb – in Gefangenschaft. Herfords Bürgermeister lässt an nur einem Tag 30 Frauen verhaften Urteile, auch mit anschließenden Hinrichtungen, hat es auch hier in Herford gegeben. 1584, 1589, 1622, und auch noch nach dem Höhepunkt der Hexenverfolgung im Jahr 1627. Damals ließen der Bürgermeister und die Schöffen an nur einem Tag dreißig Frauen verhaften und der sogenannten &bdquo;Wasserprobe“ unterziehen. Anschließend wurden sie verurteilt und eine Woche später im Lübberbruch verbrannt. Ort der &bdquo;Wasserprobe“: eine tiefe Ausspülung unter der heutigen Radewiger Brücke. Bei der Probe wurden Frauen, die beschuldigt wurden, eine Hexe, zu sein, an Händen und Füßen gefesselt und in die Aa geworfen. Wer ertrank, galt als von Gott durch den Tod erlöst. Wer nicht unterging, war vermeintlich überführt. Nach Folterungen im &bdquo;Tortur-Turm“, dem Stadtturm in der Nähe der heutigen Herta-Brücke, ging es für die &bdquo;Hexen“ auf den Scheiterhaufen. &bdquo;Die nach dem endgültigen Urteil durchgeführten Verbrennungen und das Verscharren der Asche erfolgten wahrscheinlich auf dem auf alten Flurkarten als ’Hexenplatz’ bezeichneten Richtplatz außerhalb der Stadt (heute etwa an der Ecke Mindener-/ Bismarck-Straße)“, heißt es auf der Gedenktafel, die heute am Geländer der Radewiger Brücke angebracht ist. Auch interessant: Moderne Hexe erfindet in Hiddenhausen Geschäftsmodell mit Toten und Geistern Hexentreppe an der Radewiger Brücke erinnert an Herfords dunkles Kapitel Auch eine fliegende Hexentreppe von Künstlerin Susanne Albrecht erinnert an das dunkle Kapitel der Stadt in der Frühen Neuzeit. Die Treppe ist eine an einem Seil über der Aa hängende Leiter aus Metallelementen, die zwar himmlische Erlösung verheißt, aber dennoch ins Nichts führt. Ein Sinnbild für die Lage der Verurteilten, so Albrecht bei der Einweihung ihrer Hexentreppe im August 2014. &bdquo;Frauen, die der Hexerei verdächtigt wurden, hatten keine Chance, sich von dieser Anschuldigung reinzuwaschen.“ Neben Gedenkorten und Kunstinstallationen fordern nicht wenige Historiker auch eine echte Rehabilitierung der Opfer. Denn, obwohl Hexen damals nach geltendem Recht verurteilt wurden, sei eine moralische, sozialethische und theologische Rehabilitierung der Opfer überfällig. &bdquo;Sie müssten aus heutiger Sicht im Sinne der Anklage für unschuldig erklärt werden“, sagt Hartmut Hegeler. Der Pfarrer, Autor und ehemalige Vikar der Evangelischen Kirche von Westfalen findet: Dieser Schritt, wie ihn bereits viele Städte, etwa Lemgo und Lippstadt, gegangen sind, stehe Herford gut zu Gesicht. NW-Podcast zur Hexenverfolgung in Ostwestfalen-Lippe OWL-Crime: &bdquo;Den Teufel im Haus gehabt“: Warum eine Mindenerin wegen Hexerei enthauptet wurde Pfarrer will mit Gerüchten rund um die Hexenverfolgung aufklären Auch mit Halbwissen rund um die Hexenverfolgung will Hegeler aufräumen. Falsch sei etwa, dass die Prozesse vor kirchlichen Gerichten geführt wurden. &bdquo;Es waren immer weltliche Gerichte, die die Todesurteile sprachen und vollstrecken ließen“, so Hegeler, &bdquo;denn nur diese bei Räten oder Magistraten angesiedelten Gerichte hatten das Recht, Todesurteile zu sprechen.“ Unter den Herforder Opfern seien zudem nicht nur Frauen gewesen, sondern auch 30 Prozent Männer und 5 Prozent Kinder: &bdquo;Der Hexerei konnte jeder beschuldigt werden“, so Hegeler.

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