Vor Kartoffelsalat mit Würstchen: Das gab es früher an Weihnachten zu essen

Kreis Herford. Würstchen mit Kartoffelsalat oder die gebratene Gans – das sind aktuell wohl typische Weihnachtsgerichte im Wittekindsland. Oder aber Fondue und Raclette, die seit den 60er-Jahren das Menü-Angebot bereichern. Auch der Anteil veganer Rezepte steigt. Nach früheren Zahlen des Lebensmittelverbandes Deutschland sind mindestens sechs Prozent der Speisen unter deutschen Tannenbäumen vegan. In der Vergangenheit standen hingegen ganz andere Gerichte während der Winterzeit und der Weihnachtsfeiertage auf dem Speiseplan der Menschen im Wittekindsland, erklärt Monika Guist vom Kreisheimatverein Herford. Die Kochforschergruppe des Vereins ist seit Jahren dabei, diese alten Rezepte zu sammeln, nachzukochen und zu veröffentlichen. Wobei die Ernährung immer eine Frage war, was gerade Saison hatte oder verfügbar war. Mit dem Winter schwand die Möglichkeit, sich mit frischem Obst oder Gemüse zu versorgen und so die – damals allerdings noch unbekannten Vitamine – zu versorgen. Dafür standen die im Sommer und Herbst eingekochten Äpfel, Birnen, Pflaumen oder aber das Gemüse zur Verfügung. Eine andere Möglichkeit, Früchte zu konservieren, war das Einlegen in Alkohol. Der Rumtopf, über dessen geschmackliche Qualität sich trefflich streiten lässt, gehört etwa dazu. Mehr zum Thema: Weihnachtsessen-Umfrage: Gans liegt nur auf Platz drei Hausschlachtungen in der kalten Jahreszeit Einen Vorteil brachte der Winter: Weil Nahrungsmittel wegen der Kälte länger haltbar waren, wurde Ende November/Anfang Dezember mit den sogenannten Hausschlachtungen begonnen. Die zumeist privat in kleinen Ställen gehaltenen und mit Kartoffeln und Essensresten gemästeten Tiere wurden nicht zu den Schlachthöfen gebracht. Sie wurden vor Ort geschlachtet – im Haus. Die sogenannten Hausschlachter, die das übernahmen, hatten mehrheitlich zwei Berufe: Während des Sommers waren sie in der Regel Maurer und im Winter – wenn am Bau Flaute herrschte und nicht gearbeitet werden konnte – zogen sie mit ihren Karren grade in den ländlichen Regionen von Haus zu Haus und schlachteten dort die Schweine. Nach dem Schlachten wurden die Schlachtkörper für einige Tage etwa an einer Leiter oder auf einem Extra-Gestell aufgehängt, damit das Fleisch reifte und ein paar Tage später wurde gewurstet. Monika Guist: &bdquo;Dass man sich mal so richtig satt essen durfte, mit allen Fleischleckereien, die das frisch geschlachtete Schwein hergab, war auf allen Höfen nicht selbstverständlich. Weihnachten war gleichberechtigtes Sattessen für alle: die Bauernfamilie ebenso wie ihre Bediensteten, Verwandten und Nachbarn.“ Fleisch wurde in der Regel durch das Einkochen haltbar gemacht. Genutzt wurde so gut wie alles von den Tieren – Sülze, Blutwurst oder aber die Pfötchen für den Eintopf zeigen das. Abfälle gab es kaum. Das heute teils in Vergessenheit geratene Einkochen ist wiederum eine vergleichsweise neue Methode: Im Mittelalter und der frühen Neuzeit wurde Fleisch etwa durch Pökeln, Räuchern oder Trocknen haltbar gemacht. Lesen Sie auch: Tipps für ein besseres Bauchgefühl nach dem Weihnachtsessen Grünkohl mit Wurst, aber ohne Kartoffeln Die Kohlwürste wiederum bildeten eine der Grundlagen für die Grünkohlgerichte. Heute wird Grünkohl in der Regel mit Kartoffeln serviert. Bis in Jahr 1800 waren die ursprünglich aus Südamerika stammenden Knollen de facto unbekannt. Und so kommen die traditionellen westfälischen Kohlgereichte ursprünglich auch ganz ohne die Kartoffel aus. So wie beim 1590 eingesetzten Radwiger Kohlfest, das der damalige Herforder Bürgermeister Anton Brudtlacht stiftete. Der wollte mit der Speisung in der Adventszeit daran erinnern, dass die Jakobikirche in der Radewig lange leer stand und schließlich unter großen Anstrengungen wiederhergestellt werden konnte. Monika Guist weist darauf hin, dass bis ins vergangene Jahrhundert im Wittekindsland Grünkohl eines der traditionellen Gerichte am ersten Weihnachtstag war. Oder aber es wurden Bratwürste und Sauerkraut serviert. Während der Grünkohl ein typisches Wintergemüse ist, das auch bei Frost noch geerntet werden kann, ist Sauerkraut ein unter Luftabschluss und mithilfe von Milchsäurebakterien konservierter Weißkohl. &bdquo;Im 19. Jahrhundert bis in die 1930er-Jahre begann in Ostwestfalen das Festtagsessen mit einem üppigen Frühstück am ersten Feiertag, das nach der Rückkehr vom Gottesdienst gereicht wurde. Auf dem Weihnachtstisch durfte natürlich der Stuten, also ein Brot aus gebeuteltem Roggenmehl oder auch aus Weizenmehl, das durch Zucker, Korinthen, Rosinen oder Birnen verfeinert wurde, nicht fehlen. Im Wittekindsland waren auch Platenkuchen und später der Topfkuchen beliebte Festkuchen“, sagt Guist. Fakten zu Weihnachten: In diesem Land isst man an Weihnachten bei KFC Fastenzeit endete in der Nacht zum 1. Weihnachtsfeiertag Teilweise wurde auch im westfälischen Herford Fisch serviert: Die Fastenzeit in den katholischen Gegenden endete erst in der Nacht zum 25. Dezember. Und während dieser Zeit waren keine Fleisch-, sondern nur Fischgerichte erlaubt. Teilweise wurde aber auch einfach Hering – heute eine Spezialität, in der Vergangenheit ein billiges Produkt – serviert. Und natürlich wurde auch gebacken. Weißes Mehl – also Weizenmehl, das statt des damals weit verbreiteten Roggenmehls zum Einsatz kam – war dabei eine besondere Zutat, die etwa für Stutenkerle genutzt wurde und wird. Neben dem Kohlfest gibt es eine noch weit ältere Tradition im Kreis: Auf den Dreikönigstag wiederum fällt das Timpkenfest in Enger. Die Timken – eine süße Semmel – werden nach dem Gottesdienst an die Besucher der Stiftskirche verteilt. Die wohl auf das Mittelalter zurückgehende Tradition soll angeblich an den Sachsen-Herzog Wittekind erinnern und an Arme und Hilfsbedürftige verteilt werden. Zu den traditionellen Weihnachtsgerichten gehört aber auch die Hühnersuppe. Heute klingt das lapidar, doch Fleisch auf dem Teller war in der Vergangenheit etwas Besonderes und nicht alltäglich und deshalb mit Feier- und Festtagen verbunden.

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