Fast jedes fünfte Kind in Herford von Armut betroffen

Herford. Rund 1.800 Kinder unter 15 Jahre leben Ende 2023 in Herford in einem Haushalt mit Bürgergeldbezug und gelten somit als arm. Das zeigt der erste Lebenslagenbericht der Stadt. Besonders betroffen sind neben dem Stadtzentrum auch einzelne Außenbezirke. Die gute Nachricht: Die Zahl der in Armut lebenden Kinder sinkt seit Jahren. Waren es 2018 noch 21,7 Prozent, sind es nun nur noch 17,9 (2023). Die schlechte: Herford liegt damit noch immer deutlich über dem Landesschnitt von 16,5 Prozent. Herfords Nachbarstadt Bielefeld weist eine Armutsquote von 18,7 Prozent auf. &bdquo;Armut ballt sich überwiegend im Stadtkern“, so Patrick Puls vom Dezernat Bildung, Jugend und Soziales. So sind dort rund 45 Prozent der Kinder, also fast jedes Zweite, von Armut betroffen. Ähnliche Zahlen weißen die Außen-Quartiere Birkenstraße, Bornbrede und Amselplatz aus. Die niedrigsten Armutsanteile werden in den Quartieren Heidsiek/Herforder Heide und Altensenne/Aa gemessen. Meinung: Kinderarmut auf dem Höchststand: Verkneift Euch die scheinheilige Bestürzung Die Gründe für Kinderarmut in Herford Besonders häufig von Armut betroffen sind Kinder mit einem alleinerziehenden Elternteil. Rund 700 der knapp 1.700 Alleinerziehenden-Haushalte in Herford beziehen Bürgergeld, das ist ein Anteil von etwa 40 Prozent. Auf alle Herforder bezogen, liegt die SGB II-Quote gerade einmal bei 13 Prozent. &bdquo;Dies hängt damit zusammen, dass Alleinerziehende eine existenzsichernde Erwerbstätigkeit mit der Kindererziehung in Einklang bringen müssen“, heißt es in dem Lebenslagenbericht. Zudem seien sie alleine dafür verantwortlich, die Fixkosten, etwa für Miete, Strom und Internet aufzubringen. Im Vergleich zu einem Paarhaushalt ergeben sich so höhere Lebenshaltungskosten. Mit Blick auf die räumliche Verteilung zeigt sich: Im stark von Armut betroffenen Quartier Birkenstraße beziehen knapp drei Viertel aller Alleinerziehenden-Haushalte Bürgergeld, im Quartier Obering/Waldfrieden (niedriger Armutsanteil) nur jeder Vierte. Mehr Hintergründe: Deshalb sind Alleinerziehende am stärksten von Armut betroffen Auch ausländische Bürger leiden häufig unter Armut. Sie leben vor allem in den Quartieren Birkenstraße, Otterheide und Bornbrede. In den dortigen Kitas wachsen rund dreiviertel aller Kinder in Familien auf, in denen vorwiegend kein Deutsch gesprochen wird, heißt es in dem Lebenslagenbericht. Im von Armut kaum berührten Bezirk Heidsiek/Herforder Heide sind es nur fünf Prozent der Kinder. Die Folgen von Kinderarmut in Herford Kinder, die in Armut leben, nehmen häufig nicht am gesellschaftlichen Leben teil. Selbst dann nicht, wenn es für sie kostenlos ist. Das zeigt sich am Beispiel des Herforder Projekts &bdquo;Sports for Kids“. Seit 2015 erhält jedes Kitakind zu seinem vierten Geburtstag einen Gutschein über eine einjährige Mitgliedschaft in einem Herforder Sportverein seiner Wahl. Die Zahlen im Lebenslagenbericht zeigen nun: Die Gutscheine werden vor allem dort nicht genutzt, wo Familien mit niedrigem Einkommen leben. In nur drei Kitas mit vielen ärmeren Familien sind die Gutscheine häufig eingelöst worden – in zwölf nicht. &bdquo;Im Sinne eines bedarfsgerechten Einsatzes städtischer Haushaltsmittel wäre zu hinterfragen, ob das Projekt bei den Gruppen ankommt, die davon am meisten profitieren würden“, heißt es in dem Bericht. Die mögliche Konsequenz also: Das Projekt könnte eingestellt werden. Auch auf gesundheitliche Vorsorge müssen Kinder in Armut wohl häufig verzichten. In den jeweiligen Armuts-Quartieren sind die Zahlen von verpassten Vorsorge-Untersuchungen für Kinder am höchsten. Im Herforder Zentrum liegt die Quote bei 22 Prozent, in Bornbrede bei 21 Prozent. Aber auch in einzelnen reicheren Quartieren werden die Untersuchungen nicht immer wahrgenommen. So etwa im Bezirk Bünder Straße/Füllenbruch (22 Prozent). Die Hilfen gegen Kinderarmut in Herford Um die negativen Folgen von Armut zu bekämpfen, hat die Stadt 2023 unter anderem Fördermittel aus dem &bdquo;Stärkungspakt NRW“ erhalten und es beispielsweise in den Solidarpass der Stiftung Solidarität investiert. Mit ihm konnten Lebensmittel-Gutscheine, Gutscheine für energiearme Haushaltsgeräte und Stromschuldenhilfen im Wert von fast einer Million Euro an bedürftige Familien bereitgestellt werden. Über 10.000 Menschen konnten, laut Angaben der Stiftung, so unterstützt werden. Auch die Herfordkarte spielt eine wichtige Rolle. Mit ihr können arme Menschen kostengünstig an Kultur-, Freizeit- und Sportaktivitäten teilnehmen. 2023 ist die Karte zu 73 Prozent an Bürgergeldempfänger ausgegeben worden. Vorreiterin: So geht diese Schule in Herford mit sozialen Herausforderungen um Die Probleme bei der Bekämpfung von Kinderarmut in Herford Familienzentren, also Kitas, die vom Land gefördert werden, spezielle Angebote haben und sich vor allem an Kinder und Familien mit besonderem Unterstützungsbedarf richten, sind eine weitere Säule. Sie finden sich häufig direkt in den benachteiligten Quartieren.Durch den Kita-Ausbau der vergangenen Jahre müsse nun allerdings nachjustiert werden, heißt es. Vor allem &bdquo;in Quartieren und neuen Kindertageseinrichtungen mit weit über-durchschnittlichem Anteil an Kindern und Familien mit niedrigem sozioökonomischen Status“, so der Bericht. Das Problem: Zusätzliche Fördermittel für neue Familienzentren wird es nicht geben, da mit Erlass des Ministeriums für Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht und Integration nur Mittel für bislang nicht genutzte Kontingente zur Verfügung stehen. &bdquo;Der Ausbau neuer Familienzentren wird damit deutlich gebremst“, so die Kritik in dem Bericht.

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