Minus 20 Millionen in diesem Jahr: Düstere Finanz-Aussichten für Herford

Herford. Kämmerer Jochen Strieckmann hat am Freitag, 16. Februar, den Haushalt im Rat eingebracht. Ohne einen neuen Buchungstrick, den sich das Land hat einfallen lassen, würde Herford in die Haushaltssicherung geraten. Trotz Steuererhöhungen, trotz Kürzungen in Höhe von fast 3,3 Millionen Euro, trotz Entnahme aus der Rücklage. In die Haushaltssicherung könnte die Stadt, wenn’s schlecht läuft, schon 2025 rutschen. Ab 2026 muss sie wegen ihrer Jahresfehlbeträge auf die allgemeine Rücklage zurückgreifen, die Ausgleichsrücklage ist dann verzehrt. Online einsehbar Für jeden Politiker und jeden Bürger ist der Haushalt ab sofort nachvollziehbar: Statt eines PDF-Dokuments von knapp 1.000 Seiten liegt er nun mit anschaulichen Grafiken zum Durchklicken im Internet vor. Abrufbar ist er über die Internetseite der Stadt. Die Nutzerinnen und Nutzer können so sehen, woher das Geld der Stadt kommt und wohin es fließt. Zudem können sie nach Positionen suchen, die sie besonders interessieren. Hohes Defizit Strieckmann und Bürgermeister Tim Kähler hoffen auch, dass die Bürgerinnen und Bürger das voraussichtliche Defizit von 19,7 Millionen Euro 2024 als ein durch Bund und Land verursachtes strukturelles Problem erkennen. Dieses Defizit setzt sich in den nächsten Jahren noch fort, 2025: minus 17,8 Millionen Euro, 2026: minus 18,1 Millionen Euro, 2027: minus 19,6 Millionen Euro. Steuererhöhungen Erstmals seit zehn Jahren erhöht die Stadt 2024 die Steuern. Die Grundsteuer B steigt von 440 auf 501 Punkte, was in etwa dem Durchschnitt aller Hebesätze in NRW entspricht, so Kähler. Im Jahr darauf folgt eine weitere Erhöhung auf 650 Punkte. Ebenfalls 2025 wird die Gewerbesteuer von 430 auf 445 Punkte angehoben. Bei einem Einfamilienhaus (durchschnittlicher Messbetrag: 72,53) steigt die Grundsteuer B zum Beispiel von 319,13 Euro 2023 auf 363,38 Euro 2024 und auf 471,45 Euro 2025. Für ein Zweifamilienhaus (durchschnittlicher Messbetrag: 82,46) erhöht sie sich von 362,82 Euro 2023 auf 413,12 Euro 2024 und auf 535,99 Euro 2025. Für Gewerbegrundstücke (durchschnittlicher Messbetrag: 1.402,69) erhöht sich der Betrag von 6.171,84 Euro auf 7.027,48 Euro und auf 9.117,49 Euro. Gute Ertragslage Der Etat macht sehr deutlich, dass Herford kein Problem mit der Ertragsseite hat. Steuern und Abgaben steigen von 2023 auf 2024 von prognostizierten 113 auf 119,5 Millionen Euro (+ 5,7 Prozent), Zuwendungen und allgemeine Umlagen von 71 auf 79,2 Millionen Euro (+ 11,6 Prozent). Er habe in den vergangenen Monaten immer wieder Unternehmer angesprochen, sagte Strieckmann. &bdquo;Sie haben durchweg positive Signale gesendet.“ Das belegt die Gewerbesteuer. Die Erwartungen lagen für 2023 bei 55,2 Millionen, nach dem Controlling-Bericht aus dem dritten Quartal 2023 bei 60 Millionen Euro. Auch die Schlüsselzuweisungen weisen nach oben. Die größten Mehreinnahmen im Haushaltsplan 2024 gegenüber 2023 sind rund 6,8 Millionen Euro aus der Gewerbesteuer und 1,85 Millionen Euro aus der Grundsteuer B. Die Erhöhung der Grundsteuer B bringt je Prozentpunkt rund 25.000 Euro. Die Mehreinnahmen in diesem Bereich entstehen zum Teil auch durch die anstehende Änderung von Messwerten durch die Neubewertung von Grundstücken. Die Neuregelung liegt aber in Händen des Landes, nicht der Stadt. Zu hohe Aufwendungen Was in allen Kommunen nicht mehr stimmt, ist die Ausgabenseite. Kähler verwies beim Etat-Gespräch auf Bundes- und Landesgesetze. Sie entziehen den Städten und Gemeinden von 2024 bis 2027 fast 7,8 Milliarden Euro. Hohe Standards Dabei gehe es vor allem um höhere gesetzliche Standards, etwa im Offenen Ganztag, die Bund und Land verlangen, deren Kosten aber die Kommunen tragen müssen. Das schlägt sich zum Beispiel in Herford in den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen nieder, die von geplanten 51,9 Millionen Euro 2023 auf geplante 57,6 Millionen Euro 2024 (+ 11 Prozent) steigen. Neuer Buchungstrick Auch die Personalkosten steigen. Allerdings verabschiedet das Land voraussichtlich Ende Februar eine Weiterentwicklung zum Neuen Kommunalen Finanzmanagement, also dazu, wie genau der Haushalt aufzustellen ist. Städte und Gemeinden, die wie Herford ihre Haushalte für 2024 erst danach beschließen, können demnach aus ihrem Etat zwei Prozent &bdquo;Globalen Minderaufwand“ rausrechnen. Herfords Haushalt verschafft dieser Buchungstrick 5,8 Millionen Euro im Jahr. Personal Der Minderaufwand entsteht zum Beispiel durch Stellen, die im Laufe des Jahres nicht besetzt werden können, in Herford sind das im Schnitt 6 Prozent der Stellen. Die Personalkosten steigen dadurch von geplanten 46,7 Millionen Euro im Jahr 2023 auf nur 51,6 Millionen Euro 2024 (+ 10,5 Prozent). Enthalten sind Tariferhöhungen und 28,11 unbefristete Stellen, die zum Teil bereits gegenfinanziert sind, darunter auch 6,5 Stellen, die in Kitas entfristet werden, und vier neue Stellen, die der City-Wache zugute kommen. Kreisumlage und mehr Ein weiterer dicker Brocken ist die Kreisumlage, die allein von 2019 bis 2023 um fast 10 Millionen Euro auf 54,39 Millionen Euro gestiegen ist und 2024 auf 56,4 sowie bis 2027 auf 66,21 Millionen Euro weiter ansteigt. Die größten Veränderungen vom Haushaltsplan 2023 zum Haushaltsplan 2024 machen zudem 2,3 Millionen Euro für Pensionsrückstellungen, 2,15 Millionen Euro für die Unterhaltung der Schul-IT, 1,95 für die Ambulanten Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch VIII und 1,67 Millionen Euro für Zuschüsse an Kitas aus. Fehlende Erstattung Das Defizit aus den Aufgaben Herfords als Schulträger steigt ebenfalls, von 2023 geplanten 22 Millionen Euro auf 2024 geplante 25 Millionen Euro. Das Defizit in der Kinder-, Jugend- und Familienhilfe steigt im gleichen Zeitraum von geplanten 39,6 auf geplante 45,3 Millionen Euro. Die Kostensteigerungen setzen sich durch nahezu alle Haushaltspositionen, die Bund und Land zu verantworten haben, fort. Um die Dimension deutlich zu machen: Im Bereich der Grundschulen steigen die Aufwendungen der Stadt von 10,1 Millionen Euro 2019 auf geschätzte 15,6 Millionen Euro 2027. Die Zuweisungen des Bundes steigen im gleichen Zeitraum von 285.000 auf 550.000 Euro, die des Landes von 2,7 Millionen auf 3,9 Millionen. Allein 2024 bleibt ein Defizit von 7,8 Millionen Euro an der Stadt hängen. In den Bereichen weiterführende Schulen, Kita und Hilfen zur Erziehung ist es ebenso: Die Landes- oder Landes- und Bundesmittel sind marginal, während die Stadt in Millionen-Schritten ins Defizit rutscht. Kredite Nicht mehr bezahlen kann die Stadt wegen des Mehraufwands an vielen Stellen die laufenden Ausgaben aus den laufenden Einnahmen. Das macht Liquiditätskredite erforderlich, 2024 belaufen sie sich nach dem Plan auf 42,4 Millionen Euro. Die Schuldenstand liegt vor allem deshalb dann bei 300,2 Millionen Euro und damit um 66,1 Millionen Euro höher als 2023. Für Kreditzinsen zahlt die Stadt derzeit durchschnittlich 1,5 Prozent. 2024 kalkuliert der Haushalt mit Zinsen für Liquiditätskredite von 4,5 Prozent, für Investitionskredite von 4 Prozent. Die Liquiditätskredite machen dem Kämmerer vor allem deswegen Sorgen, weil sie – anders als Investitionskredite – nicht dazu beitragen, das Anlagevermögen der Stadt zu erhöhen. Ab 2026 wird zudem die Rückzahlung der Corona- und Kriegskosten fällig, die sich auf 33,2 Millionen Euro beläuft. 2025 muss sich der Rat überlegen, ob die Stadt das Geld in einem Rutsch zurückzahlt oder es auf 50 Jahre abschreibt. Die Zukunft Falls Bund und Land an diesen Strukturen nichts ändern, bleiben drei Lösungen: Standards runterfahren, etwa Theater, Museen, Schwimmbäder und anderes schließen, Elternbeiträge erhöhen und/oder Steuern für alle erhöhen, so Kähler. Wie die Stadt in dieser Situation auch noch die Anforderungen der Zukunft lösen soll, etwa die Verkehrs- und Energiewende, ist völlig unklar.

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