Suizide in Herforder JVA machen dem Personal zu schaffen

Herford. Das kannte man früher vom Sommerschlussverkauf: Beim Weihnachtsbasar der Herforder Justizvollzugsanstalt in der hauseigenen Gärtnerei war schon zur Eröffnung am Samstagmorgen um 9 Uhr eine Warteschlange vor der Tür. Die Produkte aus den Lehrwerkstätten des Jugendgefängnisses sind begehrt – legendär sogar die Grills aus dem Fachbereich Metall. Der Abschluss einer Berufsausbildung ist eine gute Voraussetzung für einen erfolgreichen Neustart nach der Haft für die jungen Gefangenen, wissen Anstaltsleiterin Elke Jungeblodt, ihre Stellvertreterin Martina Schuchert und der Vorsitzende des Anstaltsbeirates, MdL Christian Obrock. Jungeblodt bedauert, dass immer weniger Gefangene die Voraussetzungen für eine abgeschlossene Berufsausbildung mitbringen. Anstaltsbeirat setzte sich für würdevolle Bestattung ein Der Weihnachtsbasar ist traditionell Anlass für die Anstaltsleitung, eine Bilanz des Jahres zu ziehen. Sie hatte Erfreuliches und Betrübliches zu berichten. Zu den Tiefpunkten zählen 2023 zwei Selbsttötungen, die auch den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der JVA schwer zu schaffen machen. &bdquo;Wir hatten bis dahin Suizide seit fünf Jahren nicht mehr“, sagt Jungeblodt. Im April starb ein 17-jähriger deutscher Untersuchungsgefangener, im August ein 22-jähriger somalischer Jugendstrafgefangener. Pfarrer Holger Kasfeld ist froh, dass der Anstaltsbeirat die Stadt Herford überzeugen konnte, eine würdevolle Bestattung mit Namen in Herford entsprechend der jeweiligen Kultur des Betroffenen mitzutragen.Vorgesehen sind nach seinen Angaben eigentlich eine Verbrennung und das Ausstreuen der Asche auf dem Sennefriedhof. Der Beirat konnte auch mit Spenden helfen. &bdquo;Das fanden auch die Mitarbeiter gut. Die sind hier sehr engagiert“, weiß Kasfeld. Kontakt mit der Außenwelt wichtig für die jungen Leute Elke Jungeblodt freut sich, dass nach der Coronazeit Schritt für Schritt wieder Veranstaltungen stattfinden können. &bdquo;Der Kontakt mit der Außenwelt ist wichtig für die jungen Leute – auch wenn sich einige nicht benehmen konnten und wir das Sommerfest verschieben mussten.“ Insgesamt wünscht sie sich vom Land, den Vollzug wieder etwas offener zu gestalten für Gefangene, die es sich verdient haben. Aus Sorge um negative Schlagzeilen ist der Vollzug in den letzten 15 Jahren &bdquo;immer enger“ geworden. &bdquo;Fehlende positive Verlockungen – das macht etwas mit den Gefangenen“, hat Jungeblodt festgestellt. &bdquo;Wenn das Land hier progressiver handeln würde, hätten sie mehr Anreiz, sich besser zu verhalten.“ Die Herforder JVA hat 353 Haftplätze für junge Männer zwischen 14 und 24 bis maximal 26 Jahre. Davon sind derzeit im Schnitt 223 Plätze belegt. Sie werden von 210 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreut. Die Gewinnung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gestaltet sich, so Jungeblodt, mangels geeigneter Bewerbungen schwierig. Ausländeranteil bei 47 Prozent Zwei Gefangene verdanken der Weihnachtsamnestie ihre vorzeitige Entlassung. Der Ausländeranteil, also junge Leute ohne deutsche Staatsangehörigkeit, liegt bei rund 47 Prozent. Rund 30 Gefangene sind drogenabhängig, deutlicher Schwerpunkt ist Cannabis. Der Drogenschmuggel in die JVA war mit den Kontaktbeschränkungen in der Pandemie stark zurück gegangen. Das Blatt hat sich dann wieder gewendet. Das ist ablesbar an 105 positiven Urinproben nach neun im Jahr 2022 und 24 im Jahr 2021. Die Zahl der Strafanzeigen innerhalb der JVA ist weiter gesunken auf 21 von 26 Fällen im Jahr 2022. Acht Anzeigen kassierten Gefangene wegen Beleidigung und Bedrohung, neuen wegen Drogendelikten. Im Einsatz sind regelmäßig Drogenspürhunde, die aber erst einen Fall angezeigt haben. Mehr Drogenmissbrauch festgestellt Seit Jahren lässt sich trotz der eher geringen Belegung der JVA Herford ein stetiger Anstieg hinsichtlich der Auslastung der Schlichtzellen feststellen – das sind einen Hafträume, deren Inventar fest mit Zellenwand oder Zellenboden verbunden sind. So wurden Ende Oktober zwei weitere Schlichträume mit Überwachungstechnik und Medienwand gebaut. Über den Computerbildschirm der Medienwand kann man mit den Inhaftierten kommunizieren und auf sie auf verschiedene Arten beruhigend einwirken. Steigende Zahl psychisch Vorerkrankter Für den Anstieg hauptverantwortlich ist die steigende Zahl von Inhaftierten, die sich aufgrund einer psychischen Vorerkrankung selbst verletzten oder andere gefährden. In diesem Jahr sind das 32 gegenüber 23 im Vorjahr. Es gibt ein breites Angebot an Freizeitbetätigungen, darunter Sport. So hat die Lauftruppe im Vergleich mit denen anderer JVA 2023 einen ersten Platz im Staffellauf gewonnen. Viele Gefangene sprechen nicht oder nicht gut Deutsch. So ist Elke Jungeblodt froh über ein gutes Netzwerk von Dolmetschern vor Ort. Sie helfen auch beim Thema Integration, zu dem auch ein Antisemitismusprojekt, interkulturelles Kochen, Flüchtlingsberatung des Diakonischen Werks und Gruppengespräche mit einem Imam für Muslime gehören.

Meistgelesen