Herforder vom Vorwurf der versuchten räuberischen Erpressung freigesprochen

Herford. Er trägt ein blaues Hemd mit akkuraten Bügelfalten und eine Stoffhose, als er den Gerichtssaal des Herforder Jugendschöffengerichts betritt und neben seinem Verteidiger Sven Peters Platz nimmt. Mit einem verbindlichen Lächeln begrüßt er die Anwesenden, dabei wiegt der Tatvorwurf schwer: Der heute 19-jährige Herforder soll einen 52-jährigen Mann mit einem Messer bedroht haben, um ihn auszurauben. Es ist der 3. Januar dieses Jahres. Der 52-Jährige sei, so die Anklageschrift, morgens gegen 8.30 Uhr auf dem Weg zum Einkaufen gewesen. Als er im Bereich der Windhorststraße/Ortsieker Weg auf eine fünfköpfige Personengruppe trifft wird er von dem damals 18-Jährigen angesprochen und um eine Zigarette gebeten. Der Mann erwidert, kein Zigarettenraucher zu sein und geht weiter. Daraufhin soll sich der Angeklagte von der Gruppe gelöst haben und dem 52-Jährigen gefolgt sein. Zunächst habe der heute 19-Jährige, der zurzeit eine Ausbildung zum Automobilkaufmann absolviert, ihn mehrfach mit dem Wort "Hurensohn" beleidigt. Als der 52-Jährige schließlich an einer Bushaltestelle nahe der angrenzenden Grundschule stehen blieb, habe er unvermittelt ein Messer gezogen und den Mann mit den Worten bedroht: "Hey, Hurensohn. Mach deine Taschen leer oder ich steche dich ab". Der 52-Jährige erwiderte, er wolle die Polizei rufen und ging weiter, der Täter flüchtete unverrichteter Dinge. Zeugen mussten polizeilich vorgeführt werden Rechtsanwalt Sven Peters hatte seinem Mandanten empfohlen, von seinem Schweigerecht Gebrauch zu machen, so dass ein besonderes Gewicht auf den Zeugenaussagen liegen würde. Doch sowohl das mutmaßliche Opfer als auch ein weiterer Zeuge, der zum Tatzeitpunkt in der Gruppe zuvor dabei gewesen sein soll, erschienen nicht - trotz ordnungsgemäßer Ladung. Die Vorsitzende Richterin Tanja Schwöppe-Funk ließ die beiden Zeugen daher von der Polizei vorführen, so dass die Verhandlung mit halbstündiger Verspätung schließlich weitergeführt werden konnte. Das mutmaßliche Opfer schildert noch einmal den Tathergang, erkennt den Angeklagten zweifelsfrei wieder. Bei seiner polizeilichen Vernehmung und der damit verbundenen Wahllichtbildvorlage hat er den Angeklagten bereits identifiziert, allerdings habe er zur Tatzeit seine Haare kürzer getragen und auch keinen Schnäuzer gehabt. Seit der Tat habe er ständig Angst, schaue sich öfters um und meide Personengruppen, an denen er vorbeigehen muss. Auch, wenn er den mutmaßlichen Täter zweifelsfrei wiedererkannte, so passe die damals angegebene Körpergröße nicht zum Angeklagten, wirft Rechtsanwalt Peters ein. Der 52-Jährige habe damals eine ungefähre Größe von zirka 1,70 Metern angegeben, sein Mandant sei allerdings 1,87 Meter groß. Aufschluss sollte nun die Aussage des zweiten Zeugen geben. Er soll morgens zusammen mit den vier anderen Personen zusammen gewesen sein, als der Geschädigte an ihnen vorbei ging und angesprochen wurde. Doch der arbeitssuchende Heranwachsende will sich an nichts erinnern, da wohl Alkohol im Spiel gewesen sei. Er kenne - bis auf den Angeklagten - die anderen Personen nicht und könne daher zur Aufklärung auch nichts beitragen. Dennoch sei er sicher, dass es sich bei dem gezogenen Messer nur um einen Schlüssel gehandelt haben dürfte. "Wegen so einer Kleinigkeit solch ein Theater" "Das Opfer will doch nur Schmerzensgeld. Wegen so einer Kleinigkeit solch ein Theater", entfährt es dem Zeugen schließlich, der über seine polizeiliche Vorführung nicht erfreut war und auch auf weitere Fragen vom Staatsanwalt ungehalten und ausweichend reagiert. Dieser belehrt ihn, dass er mit dem Gedanken spiele, gegen ihn ein Ermittlungsverfahren einzuleiten, da der Verdacht einer Falschaussage und desweiteren auch Strafvereitelung im Raume stünden. Der Bundeszentralregisterauszug des angeklagten Azubis weist einen Eintrag auf. Erst im August dieses Jahres sei ein Verfahren gegen ihn wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte gegen eine Geldauflage, die er aktuell in Raten abzahlt, eingestellt worden. Schließlich wird auf Freispruch entschieden. Zwar sei die Aussage des Opfers erlebnisbasiert und glaubwürdig, allerdings seien zu viele Fragen offen geblieben, die auch durch die Zeugen nicht geklärt werden konnten. Daher gelte der Grundsatz "In dubio pro reo" - im Zweifel für den Angeklagten. Staatsanwalt Frederik Meeth kündigt gegen das Urteil noch im Gerichtssaal an, in Berufung gehen zu wollen. Ob er auch ein Ermittlungsverfahren gegen den 19-jährigen Zeugen einleiten werde, sei nun Gegenstand weiterer Überlegungen.

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