Polizeischüsse auf Herforder: Nachbarn berichten von der Verfolgungsfahrt

Bad Salzuflen/Herford. Die bunt ausgemalten Kreidemotive auf der Straßendecke gehen in der idyllisch gelegenen Sackgasse Plaßheide in Holzhausen seit diesem Wochenende nicht mehr nur auf Kinderhände zurück. Auf dem grauen Teer des Wendehammers am Ende der Wohnstraße, wo sonst Kinder toben oder Fußball spielen, hat die Polizei am Samstag über mehrere Stunden akribisch ermittelt – und die Fahrbahn markiert. Es muss genau aufgeklärt werden, was hier passiert ist. Denn auch die Polizei selbst steht im Fokus. Bei dem knallenden Lärm, den einige Nachbarn zunächst als Feuerwerk deuteten, handelte es um Schüsse aus mehreren Dienstpistolen. Was war passiert? Gegen 4.35 Uhr war am frühen Samstagmorgen eine Verkehrskontrolle im nahe gelegenen Herford eskaliert – und etwa 20 Kilometer weiter im Desaster – mit einem Schwerverletzten – geendet. Seitens der Polizei fielen mehrere Schüsse, bestätigte Staatsanwältin Johanna Bretthauer direkt am Samstagmorgen. Die umliegende Nachbarschaft kann einen Tag später immer noch nicht glauben, was sich vor ihrer Haustüren abgespielt hat. Mitten im ruhig gelegenen Holzhausener Wohngebiet war es zum dramatischen Ende einer Verfolgungsfahrt zwischen einem jungen Audifahrer (19) und der Polizei gekommen, nachdem sich der Fahrer nach Angaben der Bielefelder Polizei und Staatsanwaltschaft Detmold am Ortsieker Weg in Herford einer drohenden Verkehrskontrolle entzogen hatte - vermutlich weil er keinen Führerschein besaß, das fanden die Ermittler später heraus. Er ignorierte die Aufforderung zum Anhalten und beschleunigte stattdessen, heißt es im Bericht. Erst nach einigen Kilometern endete die Flucht in einer Sackgasse in einem Salzufler Wohngebiet, an deren Ende das Auto stehen blieb. Als die Polizistinnen und Polizisten aus Lippe und Herford laut Pressemitteilung aus ihren Streifenwagen stiegen, um den Fahrer festzunehmen, gelang dem 19-Jährigen in der engen Gasse offenbar unvermittelt ein Wendemanöver auf einer der Hofeinfahrten. Der 19-Jährige soll dann mit erhöhter Geschwindigkeit auf die dort stehenden Polizisten zugerast sein. Um den Wagen zu stoppen, machten mehrere Beamte von ihrer Schusswaffe Gebrauch, heißt es. Wie viele Schüsse abgefeuert wurden, konnte Staatsanwältin Johanna Bretthauer bisher nicht sagen. Markierungen deuten auf etwa 30 abgefeuerte Schüsse hin Die rot eingekreisten Markierungen an der Einsatzstelle deuten daraufhin, dass die Ermittler später etwa 30 Patronenhülsen am Einsatzort sicherstellten. Anwohner berichten, wie die Spurensicherung den kompletten Samstag akribisch nach Patronenhülsen gesucht und den Hergang rekonstruiert habe. &bdquo;Wir konnten eine Zeit lang gar nicht raus auf unsere Einfahrt“, sagt Anwohnerin Christa Richter (85), deren Haus direkt gegenüber der Unglücksstelle liegt. Etwa zehn Patronenhülsen scheinen den Markierungen nach auf ihrem Grundstück gefunden worden zu sein. &bdquo;Wir haben in der Nacht nur lautes Knallen gehört. Ich habe im ersten Moment gedacht, es geht eine Rakete los“, sagt die Seniorin. Doch es waren Schüsse, die auf das heranrasende Auto zielten. Dabei wurden nicht nur die Reifen des Autos zerschossen, sondern auch der junge Fahrer getroffen. &bdquo;Das Geschehen war sehr dynamisch, es ist daher leider nicht unwahrscheinlich, dass in so einer Situation auch der Fahrer getroffen wird“, erklärt Staatsanwältin Johanna Bretthauer. Gerade wenn ein Auto auf kurzer Distanz plötzlich beschleunige. Alle Artikel zum Thema finden Sie hier. Der junge Fahrer erlitt schwere Schussverletzungen, sein Auto kollidierte mit einem parkenden Streifenwagen. Laut Pressemitteilung der Bielefelder Polizei und Staatsanwaltschaft Detmold leisteten die Beamten und Beamtinnen sofort Erste Hilfe, ein angeforderter Rettungshubschrauber, der auf einem Feld um die Ecke landete, brachte den dann vom Rettungsdienst stabilisierten Verletzten in eine Klinik nach Hannover. Am Sonntagmittag sind immer noch Blutspuren auf der Fahrbahn zu sehen. &bdquo;Hier hat er eine ganze Zeit lang gelegen, bis man ihn wegbringen konnte“, sagt eine Anwohnerin. Dass sich der junge Fahrer sogar in Lebensgefahr befindet, konnte bisher nicht ausgeschlossen werden. Laut Staatsanwältin Johanna Bretthauer ist der 19-Jährige inzwischen erfolgreich operiert worden. &bdquo;Die OP ist gut verlaufen“, sagt Bretthauer. Vorschnelle Entwarnung zum Gesundheitszustand wollte die Staatsanwältin aber nicht geben. Zunächst müsse abgewartet werden, wie sich der Patient stabilisiere. Beteiligte Polizisten stehen selbst unter Schock Zwar wurde seitens der Polizei niemand ernsthaft verletzt, doch auch die beteiligten Polizistinnen und Polizisten hat der Einsatz augenscheinlich sehr mitgenommen, so beschreibt es die Nachbarschaft. &bdquo;Mir tun die Beamtinnen und Beamten wirklich leid“, sagt ein Anwohner (70). Viele junge Polizeikräfte seien dabei gewesen. &bdquo;Eine Polizistin war völlig fertig mit den Nerven – und kaum zu beruhigen.“ Keiner schien damit gerechnet zu haben, dass die Situation derart eskalieren könnte. Nun müssen die Umstände genau geklärt werden. Dazu wird nicht nur gegen den auf die Polizei zurasenden Fahrer wegen versuchten Mordes ermittelt, auch die Polizisten selbst müssen sich einem Ermittlungsverfahren stellen. Direkte Zeugen der unmittelbaren Szene wird es wahrscheinlich nicht geben. Alle befragten Nachbarn berichten, dass sie erst durch Sirenen und Schüsse überhaupt wach wurden.

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