Tödlicher Schuss nach Angriff in Detmold – Haftstrafe für 19-Jährigen

Detmold. Schusssichere Westen, mehrere Polizeiwagen – das Sicherheitskonzept am letzten Prozesstag rund um die tödlichen Schüsse in der Bachstraße ist nicht grundlos extra hoch. Um jede Eskalation zu verhindern, hat das Landgericht vorgesorgt. Es bleibt jedoch bis auf einzelne verbale Eskalationen im Zuschauerraum ruhig – selbst als einer der Angeklagten einen Freispruch erhält. &bdquo;Gewalt führt zu weiterer Gewalt“, das ist der traurige Schluss, den die Vorsitzende Richterin Anke Grudda am Ende zieht. &bdquo;Dieses Verfahren sollte für alle Menschen eine Warnung sein, die meinen, Konflikte selbst mit Gewalt lösen zu wollen.“ Es sei erschreckend, nach welchem Rechtsverständnis alle Beteiligten gelebt hätten. Nach einer mehrere Stunden andauernden Beweisaufnahme und acht Plädoyers ist die Große Jugendkammer von der Schuld des Hauptangeklagten überzeugt. Der geständige Detmolder (19) hatte einen 43-jährigen Familienvater Anfang Januar auf offener Straße erschossen, nachdem drei Angreifer sich von ihm abgewendet hatten. Nur den Mordvorwurf sieht die Kammer anders als die Staatsanwaltschaft als nicht bestätigt, da das Opfer vom ersten Schuss hätte gewarnt sein müssen, sagt Richterin Grudda. &bdquo;Da gibt es eine Zäsur.“ Das Gericht verurteilt daher den einschlägig vorbestraften 19-Jährigen wegen Totschlags zu achteinhalb Jahren Einheitsjugendstrafe. Die Kammer bezieht hierfür zwei weitere Urteile mit ein. Daneben soll der Detmolder jeweils 15.000 Euro Hinterbliebenengeld an die beiden kleinen Söhne des Verstorbenen zahlen. Für den erwachsenen Sohn (20) hatte sein Nebenklage-Vertreter Burkhard Benecken dagegen keinen Adhäsionsantrag gestellt. Nicht grundlos: Der Sohn des Getöteten war zuvor selbst mit seinem Cousin (24) und dem Vater (43) am gewalttätigen Übergriff auf den Hauptangeklagten beteiligt gewesen – und hatte sogar zugestochen. Lesen Sie auch: Schüsse mitten in Detmold: Sohn (20) des Getöteten muss für Messerstich nicht in Haft Jeder deutet die Szenen anders Die immer brutaler werdende Gewaltspirale sei wegen &bdquo;Drogengeschäften und Geldschulden eskaliert“, da ist sich die Kammer sicher. Genauso wie Staatsanwältin Johanna Bretthauer kann das Gericht jedoch keine Beihilfe beim anderen Angeklagten feststellen. Den mitangeklagten Kumpel spricht das Gericht daher frei, genauso hatte es sein Verteidiger Ali Mojab gefordert. &bdquo;Er hat alles getan, um seinem Freund zu helfen“, sagt die Richterin. Zwar bleibe ein komisches Bauchgefühl, schließlich hatte das Duo zuvor nachweislich an der Tür eines anderen Familienmitglieds randaliert, es blieben aber Zweifel. Schüsse mitten in Detmold: Zeugen beobachten, wie der tödliche Streit begann Letztendlich könne das Gericht dem ebenfalls 19-Jährigen nicht nachweisen, ob er gewusst habe, dass sein Freund ausgerechnet an diesem Tag die Waffe dabei hatte. Das sieht die Staatsanwältin ähnlich. Für den Hauptangeklagten sieht Bretthauer dagegen das Mordmerkmal der Heimtücke als gegeben an. Da nur zwei Sekunden zwischen den beiden ersten Schüssen gelegen hätten, sei der Getötete auch nach dem ersten Schuss arg- und wehrlos gewesen. Insgesamt fielen drei Schüsse an helllichtem Tag in Detmold. Deshalb plädiert die Staatsanwältin unter Einbeziehung eines anderen Urteils wegen Mordes auf zehn Jahre Haft nach Jugendstrafrecht. Die beiden Verteidiger Dr. Tobias Diedrich und Christoph Rautenstengel beziffern ihren Antrag nicht, plädieren aber ebenfalls auf Totschlag. Ihrer Ansicht nach sei ihr Mandant durch den brutalen Angriff zuvor provoziert worden. Obwohl es durch das Dashcamvideo eines vorbeifahrenden Autos wie durch Zufall ein objektives Beweismittel gibt, zeigen die Plädoyers der vielen Nebenklage-Vertreter vor allem eins: Jeder deutet die Szene anders. Die Tragik des Falls bleibt in jeder Interpretation gleich.

Meistgelesen