Blutige Auseinandersetzung in Herford: Gericht fällt Urteil

Herford/Bielefeld. Dass es in der Nacht auf den 22. November des vergangenen Jahrs in einem Mehrfamilienhaus an der Rennstraße eine heftige Auseinandersetzung gegeben hatte, steht außer Frage. Auch, dass einer der Kontrahenten danach mit Stich- und Schnittverletzungen in ein Krankenhaus eingeliefert werden musste, wird von niemandem angezweifelt. Doch war dem Verursacher dieser Verletzungen offenbar kaum eine andere Wahl geblieben als sich derart zur Wehr zu setzen: Das Landgericht sprach den 46 Jahre alten Mustafa S. nun vom Verdacht des versuchten Totschlags frei. Allerdings verurteilte das Gericht ihn zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten, weil er in einem Bus einer Frau gegenüber übergriffig geworden war. Im November 2022 zogen drei rumänischstämmige Männer in das auch von Mustafa S. bewohnte Mehrparteienhaus an der Rennstraße. Doch gab es, so schilderte es zumindest der Angeklagte, von Anfang an Probleme mit den neuen Nachbarn. In der Nacht auf den 22. November hörten die neuen Mieter abermals sehr laut Musik, so dass sich S. und sein zu Besuch weilender Bruder davon gestört fühlten. Der 46-Jährige, der zu dieser Zeit kein Telefon hatte, begab sich in ein nahe gelegenes Café, von wo aus er die Polizei über die Ruhestörung informierte. Zuvor hatte er ein Springmesser eingesteckt, weil er, so seine Aussage vor Gericht, ein mulmiges Gefühl hatte. Dieses Gefühl sollte nicht täuschen. Lautes Schreien aus dem vierten Stock Als die Polizisten nach einer Weile vor der Wohnung der Ruhestörer eintrafen, war es dort bereits wieder leise – der Vermieter hatte sich mittlerweile aufgrund weiterer Beschwerden in das Geschehen eingemischt. Die Polizisten begaben sich wieder aus dem vierten Stock auf den Weg nach unten. Sie hatten das Gebäude noch nicht verlassen, als sie lautes Schreien vernahmen und schnell wieder zurück nach oben liefen. Auf dem Weg kamen ihnen zunächst der Bruder von Mustafa S. und dann der Angeklagte entgegen. Letzterer hielt ein Messer in der Hand, welches er bereitwillig niederlegte. In der Zwischenzeit waren nämlich zwei der kräftig gebauten neuen Nachbarn – wohl aus Ärger darüber, dass die Polizei informiert worden war – auf S. und seinen Besuch losgegangen. Während der Bruder durch ein Fenster in den Hausflur fliehen konnte, kam es auf dem Außengang zu einer Prügelei zwischen S. und Artiom U. (Name geändert). Letzterer war seinem schmächtigen, 1,70 Meter großen Kontrahenten deutlich überlegen. Als er diesen schließlich im Schwitzkasten hatte, fürchtete S., dass beide über das ein Meter hohe Außengeländer aus dem vierten Stock fallen könnten – und stach zweimal nach hinten zu. Er traf U. im Bereich des Beckens und der Milz. Der Schwerverletzte sackte zusammen, S. lief den zurückkehrenden Polizisten entgegen. Und nun wies S. – im Gegensatz zu seinem Erscheinungsbild wenige Minuten zuvor – Verletzungen im Gesicht auf. Darüber hinaus wurden noch in jener Nacht gleich vier gebrochene Rippen im Krankenhaus diagnostiziert. Polizei stellten Falschgeld sicher Dass die drei neuen Mieter nicht sonderlich scharf auf Polizeibesuch waren, könnte einen ganz einfachen Grund gehabt haben: Die Beamten stellten in deren Wohnung 7.000 Euro Falschgeld sicher. In ihren Vernehmungen vor Gericht mochten sie sich an Details des Geschehens nicht mehr erinnern, zudem waren die Aussagen nicht widerspruchsfrei. Die X. Große Strafkammer unter dem Vorsitz von Richter Christoph Meiring folgte hinsichtlich dieses Komplexes den Anträgen von Oberstaatsanwältin Ina Leinkauf sowie Verteidiger Christian Thüner und sprach S. aufgrund einer anzunehmenden Notwehrsituation vom Vorwurf des versuchten Totschlags frei. Dafür verurteilte das Gericht S. jedoch zu einer Bewährungsstrafe von neun Monaten, weil er im Juni 2021 in einem Bus in Bielefeld einer kognitiv eingeschränkten Frau gegenüber sexuell übergriffig geworden war. Vor Gericht hatte S. diese Tat eingeräumt und mehrfach betont, dass er sich dafür zutiefst schäme. Er entschuldigte sich bei der Frau, die diese Geste auch annahm. Darüber hinaus überreichte Verteidiger Thüner der Geschädigten außerhalb der Verhandlung namens seines Mandanten 200 Euro Schmerzensgeld – eine Geste, die das Gericht bei der Urteilsfindung durchaus honorierte. Thüner kündigte an, keine Rechtsmittel gegen das Urteil einlegen zu wollen.

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