Region trocknet aus: Keine Strategie gegen den Wasserverlust

Herford. "Das Wasser verschwindet", so war ein Bericht in der Herforder Ausgabe der Neuen Westfälischen von Freitag, 25. März, überschrieben. Demnach hat Deutschland in den vergangenen 20 Jahren die Wassermenge des Bodensees verloren und trocknet zunehmend aus. Auch die Region. Dazu hatte die Redaktion eine Reihe von Anfragen bei verschiedenen Behörden gestellt. Mit den Antworten taten sich die Betreffenden überwiegend schwer. Einige kamen erst nach der Veröffentlichung. Keine Antwort kam - entgegen anderer Ankündigungen - vom Landesumweltministerium NRW. Auch mehr als eine Woche nach der Anfrage hieß es aus der Pressestelle in Düsseldorf, dass noch weiterer Abstimmungsbedarf bestehe. Landrat Jürgen Müller und Bürgermeister Tim Kähler antworteten ebenfalls nicht, jedenfalls nicht persönlich. Kreis-Umweltdezernentin Beatrix Wallberg will in Kürze informieren. Hintergrund für das schwindende Wasser im Boden ist, dass zwar punktuell immer wieder viel Regen fällt, aber insgesamt nicht mehr genug Niederschlagswasser im Boden versickert. Gleichzeitig wird mehr Grundwasser entnommen, als in die Wasserreservoirs nachfließt. Die Stadtwerke suchen auch außerhalb ihres Einzugsgebietes Auch die Herforder Stadtwerke haben in ihren Trinkwassergewinnungsgebieten sinkende Grundwasserstände festgestellt, wie die Pressestelle der Stadt mitteilt. Deshalb werde am "Bau von Hochbehältern für Spitzenzeiten und der Suche nach weiteren Brunnen gearbeitet". Mit anderen Worten: Obwohl die Grundwasserstände sinken, wollen die Stadtwerke weiteres Grundwasser entnehmen. Außerdem seien die Stadtwerke in überregional tätigen Wasserbeschaffungsverbänden engagiert, um die Trinkwasserversorgung zu sichern, so die Stadt. Gibt die Region also nicht mehr genug Wasser her, suchen die Stadtwerke anderswo. "Es gibt aktuell keinen Grund zur Sorge." Das heißt: Derzeit gibt es kein Versorgungsproblem. Wegen des sehr bindigen Bodens in Herford sei es in den seltensten Fällen möglich, Niederschläge an Ort und Stelle zu versickern, teilte der städtische Baubeigeordnete Peter Maria Böhm bereits für den Bericht am Freitag, 25. März, mit. Ziel der Stadt sei daher, das Wasser in naturnahen Becken zu sammeln und dann gedrosselt und gereinigt in Bäche und Flüsse leiten. Auch auf städtischen Grundstücken, sofern sich Flächen für die Becken finden lassen, so Böhm. Hochwasser und Überschwemmungen bringen dem Grundwasser nichts Naturnahe Becken wie die, an die die Stadt denkt, sind allerdings vor allem eine Maßnahme des Hochwasserschutzes. Hochwasser selbst bringt dem Boden nichts. Das habe die Flutkatastrophe im Ahrtal und in der Eiffel gezeigt, wie die Wissenschaftlerin Eva Börgens vom Geoforschungszentrum in Potsdam im NW-Bericht erklärte. Außerdem fließt das Wasser aus den Becken in Bäche und Flüsse und über sie dann zu schnell ab. Renaturierte Flussläufe mit Flussauen bieten mehr Versickerungsflächen. Die Renaturierung dauert nach Ansicht des Kreisvorsitzenden des Naturschutzbundes (Nabu), Friedhelm Diebrok, aber zu lang.Böhm weist hingegen darauf hin, dass die Stadt seit zehn Jahren jedes Jahr Flüsse renaturiert. Allerdings lägen viele der größeren Bäche in Siedlungsgebieten. Flächen im Uferbereich seien daher oft nicht verfügbar. Auch Anforderungen an den Hochwasserschutz und bautechnische Gegebenheiten schränkten die Möglichkeiten ein. Die Bürger spülen Trinkwasser die Toilette hinunterEine Verpflichtung zur Mehrfachnutzung von Wasser, etwa Duschwasser für Waschmaschinen und Toiletten, gebe es im Planungsrecht nicht, so Böhm. Stadt-Sprecherin Susanne Körner ergänzt auf Nachfrage, dass es wahrscheinlich rechtlich angreifbar wäre, wenn die Stadt die Mehrfachnutzung von Wasser vorschreiben würde. Privatrechtlich könnte die Stadt eine solche Pflicht vereinbaren, teilt Böhm mit, zum Beispiel über Grundstückskaufverträge. Derzeit biete die Stadt aber keine Grundstücke an. Für das Neubaugebiet in Stedefreund, in der politischen Diskussion von Teilen des Stadtrats hochgelobt als eines, in dem der Investor besonders viel für den Klimaschutz tue, heißt das, dass die künftigen Bewohner - wie andernorts auch - Trinkwasser die Toilette hinunterspülen werden, sofern sie sich nicht selbst um Alternativen bemühen. Wer ein Haus baut, hat den sorgsamen Umgang mit Wasser aber nicht unbedingt auf dem Schirm, wie die Schottergärten zeigen, die in den vergangenen Jahren stadtweit überall entstanden. Die Stadt fordert die Eigentümer aber inzwischen auf, sie zurückzubauen. Diebrok reicht das nicht: Er macht auch den zunehmenden Flächenfraß für Parkplätze und Hochbauten für das schwindende Wasser verantwortlich: Von den Flächen fließt es in die Kanalisation. Wohin das führe, sei deutlich sichtbar, etwa auf dem Stuckenberg. Dort sei das Wasser aus dem Wurzelbereich der Bäume verschwunden. Die Bäume sterben ab.

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