2G+ im Bordell: Sexarbeiterinnen packen ihre Sachen

Herford. Obwohl die Bordelle seit ein paar Monaten wieder geöffnet sind, ist die Lage der Sexarbeiterinnen und Sexarbeiter prekärer denn je. "Zurzeit ist es schlimm, wir haben fast keine Gäste mehr", sagt Bordell-Betreiber Salahattin Koc. Seit dem 27. November gelten die neuen Corona-Maßnahmen in NRW. Laut diesen neuen Regeln herrscht nicht nur in Discos, Bars und auf Karnevalsveranstaltungen, sondern auch in Prostitutionsstätten 2G-plus. Das heißt, es dürfen nur Geimpfte und Genesene herein, die auch getestet sind. Und das sind die wenigsten. "Die Freier kommen nur bis zur Tür, aber fast keiner hat einen Test dabei", sagt Koc und fügt leicht genervt hinzu: "Wir hatten Diskussionen bis zum Gehtnichtmehr." Keiner verstehe, warum er sich als Geimpfter und Genesener testen lassen müsse. Nachts hätten ohnehin so gut wie keine Testzentren offen, manche Männer hatten sie am Wochenende zu den Anlaufstellen vor den Diskotheken geschickt. "Ich glaube auch nicht, dass man mittags irgendwohin fährt, um dann nachts ins Bordell zu fahren", überlegt der Betreiber. Die Sexarbeiterinnen, die im Bordell bis dato gearbeitet hatten, hätten Panik bekommen - und seien zum Teil direkt abgereist. Was die Frauen zur Situation sagen Wer die verbliebenen Frauen im Moonlight auf ihre jetzige Situation anspricht, bekommt mehr Fragen als Antworten zurück: "Warum muss man einen Test machen, wenn man geimpft ist?", "Gibt es nochmal einen Lockdown?" oder "Wie lange dauern diese Beschränkungen noch an?". Ein Großteil der Frauen kommt aus Rumänien, daher ist aufgrund der Sprachbarriere die Hürde für sie größer, an Informationen zu gelangen. Eine der Frauen fasst die Situation schließlich zusammen: "Es gibt keine Arbeit, das ist unsere Katastrophe." Alle Frauen bis auf eine, die an dem Tag in dem Bordell arbeiten, haben Kinder. Und die seien auf das Geld angewiesen, sagen die Sexarbeiterinnen. So ist es auch bei der 26-jährigen Alea (Name von der Redaktion geändert), die ein fünf Jahre altes Kind in Rumänien hat. Auch sie hofft, dass sie bald wieder mehr Geld verdienen kann. "Ich will meinem Kind das geben, was ich nicht gehabt habe", erklärt sie ihre Lage und fügt hinzu, "Wenn du ein Kind hast, denkst du nicht mehr an dich, sondern an das Kind." Bei ihr zu Hause in Rumänien würde sie in einem herkömmlichen Beruf lediglich 200 bis 300 Euro im Monat verdienen, sagt sie. Den anderen Frauen geht es ähnlich. Frauen reisen ab "Als wir wieder aufgemacht hatten, waren viele darauf aus, möglichst viel zu verdienen und manche waren jeden Tag da", berichtet auch der Moonlight-Betreiber. Normalerweise würden die Frauen nur ein paar Mal in der Woche arbeiten. Da die Sexarbeiterinnen in den vergangenen Tagen scharenweise abgereist seien, hat sich der Moonlight-Betreiber am vergangenen Freitag nach eigenen Angaben dazu entschieden, keine Miete mehr von den Frauen zu nehmen. Er wolle über die Getränke und Co versuchen, noch ein paar Einnahmen zu erzielen. Wohin die Frauen gegangen seien, wisse er nicht. Er vermutet, dass sie ins Ausland gereist sind, oder privat und illegal weitermachen. Ähnliches können auch die Beraterinnen von der Organisation "Theodora" bestätigen, die sich in OWL für Prostituierte einsetzt. Einige Etablissements im Kreis, beispielsweise eins in Enger oder zwei in Bünde, hätten noch gar nicht wieder aufgemacht, berichtet Petya Bozhkova-Velokov, Mitarbeiterin bei der Beratungsstelle. Laut dem Ordnungsamt habe sich auch die Zahl der Anmeldungen der Prostituierten im Kreis Herford für ihren Beruf im Vergleich zu den Vorjahren halbiert: Während in den ersten Halbjahren von 2019 und 2020 jeweils 45 Frauen als Sexarbeiterinnen im Kreis Herford gemeldet waren, sind es im ersten Halbjahr von 2021 nur noch 23 Personen. Hören Frauen auf? Doch wer meint, dass die meisten Frauen aufgrund der schwierigen Lage ihren Beruf an den Nagel hängen, der irrt sich wohl: Es gäbe zwar Frauen, die ausgestiegen seien, aber bei ihnen sei die Pandemie lediglich der Tropfen gewesen, der das Fass zum Überlaufen gebracht hätte, sagt Bozhkova-Velokov und fügt hinzu: "Wir hatten welche, die aufgehört haben, das waren allerdings wenige." Und während die Bordelle leergefegt seien, sei seit dem Beginn der Pandemie das Internet voll mit Angeboten von Prostituierten, die privat weitermachten. "Das ist für uns schwierig, da wir die Frauen so nicht erreichen und helfen können", sagt Bozhkova-Velokov. Zudem hätten die Frauen, die privat weiterarbeiteten, keinen Schutz. Wenn ein Freier dann gewalttätig sei, dann sei Corona noch das kleinste Problem der Frauen.

Meistgelesen