Darum bleibt Astrazeneca in den Arztpraxen liegen

Kreis Herford. Der Impfstoff Astrazeneca droht zum Ladenhüter zu werden. Hausärzte aus dem Kreis Herford berichten, dass viele Patienten großes Misstrauen gegenüber dem Corona-Impfstoff haben. Die Ständige Impfkommission (Stiko) empfiehlt, Astrazenca nur an Menschen zu verimpfen, die das 60. Lebensjahr vollendet haben. Doch die lehnen vermehrt ab und buchen sich dann lieber einen Termin im Impfzentrum des Kreises. Dort wird seit einigen Wochen nur noch Biontech für die Erstimpfung verwendet - unabhängig vom Alter. Der Allgemeinmediziner und Kardiologe Peter Weitkamp geht daher einen ungewöhnlichen Weg. Um die Astrazeneca-Dosen in seiner Praxis in Kirchlengern nicht verfallen zu lassen, hat er den Impfstoff über Ebay-Kleinanzeigen angeboten. Astrazeneca habe zu Unrecht ein schlechtes Image, sagt der Arzt und wirbt dafür, sich mit dem Vakzin impfen zu lassen. Sein Herforder Kollege Hermann Lorenz pflichtet ihm bei: "Sie dürfen sich den Impfstoff beruhigt impfen lassen." Und auch Arzt Patrick Dieckmann aus Bünde sagt: "Der Covid-19-Impfstoff von Astrazeneca ist hochwirksam. Er verhindert in der Mehrzahl der Fälle eine Erkrankung." "Die Alten nehmen den Jungen den Biontech-Impfstoff weg" Der Hausarzt Lorenz, der gleichzeitig Sprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Westfalen-Lippe ist, spürt aber auch die Unsicherheit bei seinen Patienten. Dennoch verimpft er täglich das Vakzin in seiner Praxis. "Wir impfen ordentlich hochstellig in der Woche und Astrazeneca ist immer dabei." Die Praxis der Mediziner Diekmann und Hense aus Bünde verimpft laut Homepage sogar ausschließlich das Vakzin Astrazeneca. Auch sie haben Vertrauen in den Impfstoff. Auf der Startseite ist stetig zu erkennen, wie viele Termine noch frei sind. Um 17 Uhr am Donnerstag waren es noch zehn. Weitkamp kritisiert, dass die Skepsis gegen das Vakzin dazu führe, dass viele noch nicht Geimpfte über 60 Jahre nun in die Impfzentren strömten, um sich dort Biontech abzuholen. "Das ist unsolidarisch. Die Alten nehmen den Jungen den Biontech-Impfstoff weg." Auch Krisenstabsleiter Markus Altenhöner plädiert dafür, dass die Impfdosen in den Arztpraxen jetzt auch genutzt werden: "In den Arztpraxen ist reichlich Astrazeneca vorhanden. Wir brauchen auch jetzt - mitten in der Impfkampagne - Solidarität und einen Gemeinschaftsgedanken." Land gibt Astrazeneca nicht ans Impfzentrum Eigentlich können sich Impfwillige aufgrund der Knappheit auch im Impfzentrum kein Vakzin aussuchen. Doch dort wird seit dem 19. April ausschließlich Biontech verimpft - unabhängig vom Alter. Das bestätigt Patrick Albrecht vom Kreis Herford. "Seitdem haben wir vom Land keine Astrazeneca-Impfdosen für die Erstimpfungen mehr bekommen", sagt er. Ein Astrazeneca-Kontingent für das Impfzentrum sei auch vorerst nicht angedacht. Zumindest nicht für die Erstimpfung, sagt Albrecht. Im Mai werde das Vakzin nur für Zweitimpfungen genutzt und dann auch nur wie von der Stiko empfohlen, für Menschen über 60 Jahre. Impfpriorisierung aufgehoben Das Ungleichgewicht der Impfstoffe ist auch an den Zahlen abzulesen. Laut einer Mitteilung des Kreises sind von den 60.035 Impfungen (Stand 2. Mai) 43.691 mit dem Impfstoff von Biontech durchgeführt worden. 14.246 Mal wurde Astrazeneca verabreicht und 2.098 Moderna. Die Impfkampagne könnte nun wieder an Fahrt aufnehmen. Am Donnerstagabend hat Bundesgesundheitsminister Jens Spahn verkündet, die Impfpriorisierung aufzuheben. Demnach können sich nun alle Erwachsenen in Arztpraxen mit Astrazeneca impfen lassen - unabhängig vom Alter.

Meistgelesen