Gefahr für Sehbehinderte: Wild abgestellte Elektroroller

Herford. "Sie erkennen mich an den dicken Brillengläsern", sagt Arne Marlon Hoffmeister, als er sich mit dem NW-Redakteur an der Wittekindstraße verabredet. Die liegt auf seinem täglichen Arbeitsweg. Tatsächlich ist die Brille auffällig, doch hilft sie dem 43-Jährigen, den ihm verbliebenen Rest an Sehfähigkeit zu nutzen. Auf unbekanntem Terrain und besonders an dunklen Tagen oder in der Dämmerung kommt der schwer Sehbehinderte schnell an seine Grenzen und er nutzt ungern Wege, die er nicht kennt. Umso ärgerlicher ist es für den Bielefelder, wenn auf dem Weg Gefahren lauern, mit denen er nicht rechnen kann - so wie ein quer auf dem Gehweg abgestellter Elektroroller, der ihn kürzlich vor dem Go Parc fast zu Fall gebracht hätte. Er hat auch schon erlebt, dass ein Roller im Herforder Bahnhof mitten vor der Treppe stand. "Ich will die E-Scooter gar nicht verteufeln" "Ich will die E-Scooter gar nicht verteufeln, sondern nur darauf aufmerksam machen, wie gefährlich unachtsam abgestellte Roller für Sehbehinderte aber auch für alte Leute sein können", sagt Hoffmeister. Einen ersten Versuch dazu machte er auf Facebook. "In meiner Bielefelder Gruppe habe ich teils Spott und Häme mit meiner Bitte geerntet", sagt Hoffmeister. "Wer auf Facebook schreiben kann, kann ja wohl auch die Roller sehen", war sinngemäß eine Unterstellung. Mancher Fußgänger ärgert sich über wild abgestellte geliehene E-Scooter, die seit Mai in Herford angeboten werden. "Es wird nicht begriffen, wie existenziell es für Sehbehinderte ist, wenn zusätzliche Barrieren entstehen", meint Hoffmeister. Denn die gibt es im Alltag schon genug. So fällt es ihm schwer, auf dem Herforder Wall die Pfosten zu erkennen, die verhindern sollen, dass Autos darauf fahren. Und es ist ihm am Bahnhof fast unmöglich, den Radweg mit seinen verblichenen Pflastersteinen vom Gehweg zu unterscheiden. In einer Herforder Gruppe gab es die Häme nicht, sondern sogar einen Aufruf an Leute, die E-Scooter an die Seite zu stellen. Tunnelblick schränkt Gesichtsfeld drastisch ein Arne Marlon Hoffmeister wurde blind geboren mit einer seltenen Kombination aus Grauem und Grünem Star. Die Mutter hatte das bemerkt, weil er nicht auf Lichtreflexe reagierte. Nach neun Monaten wurden ihm die Linsen aus den Augen entfernt und später bekam er eine Spezialbrille. Als Kind konnte er damit besser sehen als heute, weil Grüner Star mit zu hohem Augeninnendruck eine fortschreitende Krankheit ist. Hoffmeister hat einen Tunnelblick - er erkennt nur ein Viertel seines Gesichtsfeldes halbwegs scharf - als wenn er durch ein Fernrohr gucken würde. An der Westfälischen Schule für Sehbehinderte (heute Optikus) in Bielefeld hat er Schreiben und Lesen gelernt und 1994 den Hauptschulabschluss erlangt. Es folgten ein spezialisiertes Berufskolleg und eine kaufmännische Ausbildung im Berufsbildungswerk in Soest. Seit 2001 ist er in Herford im öffentlichen Dienst angestellt. Zugute kommt ihm dabei, dass er noch etwas sehen kann und dass es inzwischen Hilfsmittel gibt, wie eine Sprachausgabe am Computer. "Die Sozialen Medien sind für Blinde auch gut zu nutzen", freut er sich. Haftungsfrage soll juristisch geklärt werden In Soest lernte Hoffmeister auch seine blinde Lebensgefährtin kennen, mit der er nun in Bielefeld zusammen wohnt. Sie leben selbstständig und müssen nur gelegentlich Hilfe in Anspruch nehmen. Er bewältigt allein die Fahrt mit Straßenbahn und Bundesbahn zwischen Herford und Bielefeld, nutzt aber nur bekannte Wege. Aus Soest kennt Hoffmeister auch einen Blinden aus Bremen, der in der Hansestadt im August Schlagzeilen machte. Er war trotz Blindenstock gleich über zwei Elektroroller gestürzt, die auf dem Gehweg lagen. Er brach sich laut eines Berichtes des Weser-Kuriers den Oberschenkelhals, musste operiert werden und eine Reha absolvieren. Arne Marlon Hoffmeister hofft, dass das Verständnis wächst und es in Herford und Bielefeld gar nicht erst zu einem Unfall kommt. Er hat dazu auch Wünsche und Anregungen. Ihm würde schon helfen, wenn die Elektroroller mit reflektierender Folie beklebt sein müssten und wenn die Stadt spezielle Abstellflächen für E-Scooter schafft.

Meistgelesen