Kandidatin will mit Empathie und Kapitalismus-Kritik Bürgermeisterin werden

Herford. Empathie, die Fähigkeit sich in andere Menschen hinversetzen zu können, in ihre Gefühls- und Lebenswelten, das ist nach Meinung von Inez Déjà, Bürgermeisterkandidatin der Partei "Die Linke" eine der besten Voraussetzungen, um das höchste Amt in der Stadt gut meistern zu können. "Diese Fähigkeit bringe ich mit", sagt die 59-Jährige. "Ich weiß genau, was gemeint ist, wenn von Arbeitnehmerrechten gesprochen wird, von Arbeitslosigkeit oder von vorhandenen oder nicht vorhandenen Bildungschancen." Das begründet Inez Déjà vor allem mit ihrer Biografie. Geboren in der Pfalz, aufgewachsen in Berlin-Kreuzberg als Tochter in einer Arbeiterfamilie sei sie schon früh viel sich selbst überlassen gewesen. "Ich war ein typisches Schlüsselkind, hatte keine Geschwister, war schnell selbstständig, weil es anders eben nicht ging. Die Eltern waren arbeiten und ich habe deshalb auch keine Unterstützung bekommen, was meine Schulbildung anging." Das Resultat: Nach der Schule folgte nichts. "Ich habe nichts gelernt, immer einfach so gearbeitet, viel in der Produktion, also am Fließband", erzählt Déjà. Herford ist seit 30 Jahren die Heimat von Inez Déjà Vor 30 Jahren kam sie nach Herford. "Das ist schon lange zu meiner Heimatstadt geworden", so die Bürgermeisterkandidatin der Partei "Die Linke". Auch in Herford arbeitete Déjà zunächst in der Produktion, setzte sich für die Gründung eines Betriebsrates ein. Dabei war ihr die Gesundheit am Arbeitsplatz immer ein wichtiges Thema. "Das ist jetzt auch der Grund, weshalb ich nicht mehr arbeite: Mein Arbeitgeber will mir keinen gesundheitsgerechten Arbeitsplatz zur Verfügung stellen", sagt sie und betont: "Ich kann auch unbequem sein, gerade wenn es um soziale Ungerechtigkeit geht." Dass Inez Déjà bei der letzten Kommunalwahl in den Stadtrat kam, damit hätte sie selbst nicht gerechnet. "Ich stand gar nicht auf einem entsprechenden Listenplatz, aber da eine Freundin aus persönlichen Gründen zurück trat, kam ich zum Zug." Wie es dort in der Herforder Stadtpolitik zuging, "welche politischen Manöver dort stattfinden und dass der Verwaltungschef sehr viele Möglichkeiten hat, auf alles einzuwirken", habe sie schnell gelernt, so Inez Déjà. Deshalb wolle sie jetzt auch auf diese Position, da sie sich bereit dazu fühle und selbst Einfluss nehmen wolle. "Wesentlich mehr Steuergelder sollten in der Kommune bleiben" Inhaltlich hat die 59-Jährige da klare Schwerpunkte: "Ich will eine Gemeindefinanzreform. Wesentlich mehr Steuergelder sollten in den Kommunen bleiben", sagt sie. Fördergelder von Land und Bund zu beantragen sei ein großer bürokratischen Aufwand und da die Gelder nur themenbezogen eingesetzt werden könnten, auch damit verbunden, dass letztlich Land und Bund bestimmten, wofür Gelder eingesetzt würden. "Das gefällt mir nicht und ich würde mich dafür einsetzen, dass in der Kommune - gemeinsam mit den Bürgern - entschieden wird." Das sei im Grunde eine Art Systemkritik, die dahinter stecke und die fange für sie ganz klar in der Kommune an. "Wir leiden unter einer gewissen Wirtschaftshörigkeit. Das muss aufhören", sagt Déjà. In der Stadt hat die 59-Jährige viele Ansatzpunkte, wo sie etwas tun würde: "Zum Beispiel in der Berliner Straße - da ist der Autoverkehr katastrophal. Oder der Augustinerplatz - das ist letztlich eine ökologische Wüste. Oder die Tatsache, dass die Mitarbeiter im H2O nicht nach dem geltenden Tarifvertrag im Öffentlichen Dienst bezahlt werden. Das sind alles Dinge, die geändert werden müssen." Was bisher in Herford getan wurde, erkennt Déjà zwar in Teilen an, würde aber andere Schwerpunkte setzen: "Die Innenstadt zu verschönern ist zwar grundsätzlich in Ordnung. Aber dass man die Fußgängerzone neu pflastert anstatt in Soziales oder in Stadtbegrünung zu investieren, halte ich für falsch." Lehre aus der Corona-Krise: Das Gesundheitssystem gehört in öffentliche Hand Dass alle Bürger der Stadt gute Lebens- und Wohnbedingungen haben, ist Inez Déjà am wichtigsten. Deshalb hat die 59-Jährige auch einen Bootssteg an der Werre als Treffpunkt für das Interview vorgeschlagen. "Wir haben viele so genannte Dritte Orte, das sind Plätze mit Aufenthaltsqualität ohne dabei konsumieren zu müssen. Die vorhandenen Plätze müssen wertgeschätzt und aufgewertet und weitere geschaffen werden." Auch im Bereich Kunst und Kultur hat Déjà einen Anspruch für mehr Gerechtigkeit: "Ich möchte erreichen, dass Kunst und Kutur für alle Bürger da ist - nicht nur für diejenigen, die es sich leisten können." Déjà, deren Vorfahren aus Frankreich stammen und die unverheiratet ohne Kinder in einer langjährigen Lebenspartnerschaft lebt, hat in den letzten Monaten vor allem einen Schluss aus der Corona-Krise gezogen, den sie auch politisch gerne umsetzen möchte: "Das gesamte Gesundheitssystem ist existenziell wichtig und gehört deshalb in öffentliche Hand. Bessere Bezahlung und bessere Arbeitsbedingungen für die Menschen, die dort arbeiten, sind dringend notwendig."

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