SPD will Gewerbesteuer vorübergehend senken

Herford. Wahlkampf in Zeiten der Corona-Pandemie. Da wirft schon der Pressetermin zur Vorstellung des Wahlprogramms der SPD Fragen auf: Sollen sich Bürgermeister Tim Kähler und sein Team mit Abstand aufstellen, wie man es bei Gruppenfotos jetzt immer wieder sieht? Oder sollen alle Beteiligten Masken aufsetzen und zusammenrücken um den Preis, dass die Leser die Gesichter kaum erkennen können? Es entstehen beide Bildvarianten und der Redaktion bleibt die spätere Auswahl. Wahlkampf heißt in diesem Jahr auch verstärkte Nutzung der digitalen Wege - so gibt es auf der Homepage der SPD neben dem Wahlprogramm professionell gedrehte Videos, in denen sich die Kandidaten in ihrem Umfeld Zug um Zug vorstellen. Der Einsatz von Plakaten wird im Gegenzug heruntergefahren. Der klassische Haustürwahlkampf soll nach den Ferien starten in einem Umfang, wie er dann zugelassen ist und wie die Bürger ihn annehmen. Corona und die Folgen sind an vielen Stellen in das Programm mit zehn Themenfeldern eingeflossen, denn niemand weiß, wie sich die wirtschaftliche Krise auf die Finanzen der Stadt am Ende auswirken wird. Das SPD-Wahlprogramm trägt natürlich auch die Handschrift des alten und neuen Bürgermeisterkandidaten Kähler, der schon im Vorfeld dargelegt hatte, wie seiner Meinung nach die Stadt dazu beitragen kann, der leidenden Herforder Wirtschaft etwa durch Senkung der Gewerbesteuer in der Not wieder Schwung zu geben. Das diene auch dem Erhalt von Arbeitsplätzen etwa in der Bekleidungs- und Automobilzulieferindustrie. Dahinter steht auch die Erwartung, dass diese Unternehmen etwas an die Gemeinschaft zurückgeben, wenn sie sich erholt haben - durch dann wieder angehobene Gewerbesteuersätze. Tim Kähler geht aber davon aus, dass die heimische Wirtschaft noch Jahre an Corona zu knacken haben wird. Eingeflossen ins Programm sind auch die Ergebnisse einer Briefkastenaktion, über die knapp 2.500 Bürger ihre Vorstellungen geäußert haben. Das Wahlprogramm gibt es in zwei Varianten: Ausformuliert mit Zielen und Rückblick auf eigene Leistungen der vergangenen sechs Jahre und als stichpunktartige Auflistung von Vorhaben, anhand deren später die Einhaltung der Wahlversprechen leichter kontrolliert werden kann, wie der SPD-Stadtverbandsvorsitzende Thomas Besler es formulierte. "Wir wollen nicht mit dem erhobenen Zeigefinger und Verboten auftreten, sondern insbesondere beim Thema Umweltschutz attraktive Alternativen bieten - etwa zur Fahrt mit dem Auto." Klima- und Naturschutz Dennoch steht ein neues Parkhaus für die Innenstadt im Wahlprogramm. Ein Widerspruch? Die SPD sieht das nicht so. Es geht um den vom Bürgermeister ins Spiel gebrachten Plan, die Hauptstelle der Sparkasse, die aufgegeben werden soll, zu kaufen und abzureißen. Es soll durch ein architektonisch attraktives Parkhaus in dieser zentralen Lage ersetzt werden, das insbesondere auf Fahrzeuge mit emissionsfreien Antrieben ausgelegt sein könnte. Auch Lade- und Abstellmöglichkeiten für E-Bikes wären denkbar. Im Gegenzug müssten Stellplätze für Autos aus der Fläche verschwinden. Insbesondere den Rathausplatz mit Markthalle und dem geplanten Archäologischen Fenster wünscht sich Kähler autofrei. Weitere Punkte im Themenbereich Naturschutz sind ein attraktiverer und preisgünstigerer Personennahverkehr und Ausbau des Radwegenetzes. "Wir setzen voll auf die Energiewende", sagen Kähler und Besler und meinen damit neben dem Ausbau der Nutzung von Sonnenergie auch den Einsatz von Wasserstoff sowohl in Fahrzeugen als auch im Heizungsbereich. "Die WWS hat sich bereits für ein Modellprojekt mit einem Wasserstoffheizkraftwerk beworben", verriet Kähler. Das Ziel seien klimaneutrale Quartiere. Sicherheit und Sauberkeit Die SPD fordert eine weitere Aufstockung der Citywache um zwei Stellen. Sie will die kostenlose Sperrmüllabfuhr wieder einführen, um das Abladen von wildem Müll zu begrenzen. Weltoffen Die SPD will "Klare Kante zeigen" gegen rechts. Die Partei denkt an ein gemeinsames Haus der Religionen und Kulturen. Wohnen Es sollen mehr bezahlbare Wohnungen für junge Familien entstehen. In Elverdissen etwa soll im Bereich der früheren Hauptschule genossenschaftliches Wohnen für Jung und Alt möglich gemacht werden. Ein Masterplan für die Radewig soll ein "Arbeiten und Wohnen" am Güterbahnhof vorsehen. Kultur und Sport Die Eishalle soll ausgebaut werden um höherklassig Eishockey spielen zu können. Das Freibad Kleines Feld soll eine Überdachung für wetterunabhängigen Schwimmsport erhalten. Das Thema Kultur war schon vor Corona ein heißes Eisen, weil Theater und Schützenhof mit dem Saal der Philharmonie einen so hohen Sanierungsstau haben, dass Tim Kähler mit dem OWL-Forum einen gemeinsamen Neubau mit zwei spezialisierten Sälen angestoßen hat. Vor Corona sei die Stadt finanziell so gut aufgestellt gewesen, dass sie sich das mit erheblichen Fördermitteln habe leisten können. In Zeiten unsicherer Finanzen hat er das umstrittene Projekt von der Tagesordnung genommen. "Jetzt fahren wir die Gebäude weiter auf Verschleiß und ich weiß nicht, wie lange das Theater noch durchhält", meint Kähler. Er fordert eine Debatte darüber, wie mehr Kultur finanziert werden kann. Bildung Die SPD will sich für bedarfsgerechtere Öffnungszeiten der Kindertagesstätten und mehr Betriebskitas einsetzen. Auch die Schließung von Kitas in der Ferienzeit seit nicht mehr zeitgemäß. Sie will sich für beitragsfreie Kitas einsetzen, doch das, so Wahlkampfmanagerin Elisa Krauch, sei zunächst Ländersache. Gerechter Lohn Die Sozialdemokraten haben festgestellt, dass die Wirtschaft durch besser Bezahlung Fachkräfte aus dem Öffentlichen Dienst anlockt. Hier will man neue Leistungsmodelle entwickeln. Investitionen will man an faire Arbeitsbedingungen koppeln. Wirtschaft Die Stadt soll gezielt Unternehmen ansiedeln, die in Zukunftsfelder investieren. Tim Kähler berichtete etwa von einem neuen Herforder Betrieb, der Ladesäulen für E-Autos produziert. Kurzfristig soll Gastronomen, Schaustellern und Kulturschaffenden geholfen werden, die durch Corona in Not geraten sind. Der Einzelhandel soll durch eine Digitaloffensive gestützt werden.

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