"Lebe vom Ersparten" - Herforder DJ ohne Publikum in der Krise

Herford. Vor nicht allzu langer Zeit brachte Dominik Ernst alias DJ Ernesto die Leute jede Woche von Donnerstag bis Samstag zum Tanzen und Feiern. Doch seit dem letzten Auftritt Mitte März ist kein weiterer in den Discos hinzugekommen. Der Discjockey des Go Parc befindet sich wie die ganze Veranstaltungsbranche wegen der Corona-Regeln für Großevents im Wartemodus. Ernst ist seit 17 Jahren hauptberuflicher DJ und kann derzeit kein Geld verdienen, muss sein 2017 gekauftes Haus abbezahlen und ist Vater einer anderthalbjährigen Tochter. All das ist eine komplizierte Situation für einen Künstler mit Verantwortung. Trotz aller Unkenrufe kann der 35-Jährige nachvollziehen, dass die Clubs geschlossen sind. Die Gesundheit gehe vor, sagt er. Absolut nicht damit einverstanden ist er jedoch, dass der Staat seine Branche links liegen lasse. "Wir werden überhaupt nicht unterstützt." Schließlich habe er von der Politik ein Berufsverbot auferlegt bekommen. "Wo aber bleibt die Hilfe?" Da er in Niedersachsen in der Nähe von Bremen wohnt, hat er zwar die Corona-Soforthilfe bei der NBank erhalten. Das Geld sei jedoch nur dafür da, die Betriebskosten zu decken. "Brot kaufe ich mir davon nicht. Über Steuerprüfungen können Behörden nachvollziehen, wo das Geld landet", so Ernst. "Wir leben von Rücklagen" Vor Hartz 4 scheut sich der gebürtige Mindener und langjährige Herforder vehement. "Ich zahle seit 20 Jahren in die Kassen, zum Teil auch den Höchststeuersatz. Deswegen möchte ich nicht als jemand abgestempelt werden, der nicht arbeiten will." Beim Hartz-4-Antrag kommt erschwerend hinzu, dass er ein Haus besitzt. Das Darlehen dafür muss er abbezahlen. Ernsts Lebensgefährtin ist Altenpflegerin und kann mit ihrem Gehalt die Familie alleine nicht ernähren. Noch steht Ernst das Wasser nicht ganz bis zum Hals. "Wir leben von Rücklagen und meinem Ersparten." Wie lange hält der DJ noch durch? Weil er eine Ausbildung als Veranstaltungskaufmann im Go Parc absolviert hat, kann er nicht einfach in seinen alten Beruf zurückkehren. Events finden bekanntlich kaum statt. Im August hätte er 19 Termine zum Auflegen gehabt, in einem normalen Monat etwa 14. Eine wichtige Einnahmequelle sind für ihn die großen Märkte und Feste, auch die finden nicht statt. Ernst glaubt nicht, dass die Discos in diesem Jahr überhaupt wieder ihre Pforten öffnen werden. Neben dem Go Parc ist er auch ein fester DJ in den Discos Alando Palais in Osnabrück und La Viva in Bremen. "Diejenigen Clubs, die Pacht zahlen, bekommen große Probleme", glaubt Ernst. Er rechnet mit einer hohen Zahl an Insolvenzen. "Viele aus der Veranstaltungsbranche verkaufen nun auch ihr Equipment über die Sozialen Medien", berichtet er. Geld floss nicht Entsprechend hat Ernst, der meist Mainstream-Musik spielt, kein Ziel vor Augen. Er fährt nun gerne Fahrrad, buddelt im Garten und kümmert sich um die Tochter. Auf einigen sogenannten Autodiscos, zu denen die Menschen mit ihren Wagen vorfahren und aus den Fenstern feiern, legte er zwar ein paar Mal auf. Das Interesse an solchen Events nehme ab, sagt er. "Bei hohen Temperaturen will niemand im Pkw sitzen. Außerdem dürfen sich inzwischen mehrere Menschen in der Öffentlichkeit treffen." Darüber hinaus waren die Auftritte mit Freundschaftsdiensten zu den Veranstaltern verbunden, wodurch kein Geld floss. Outdoor-Partys mit 500 Besuchern, die sitzen müssen, stehen kurz vor der Genehmigung. Ob sie die Lösung in der Krise seien, bezweifelt er auch. Bis zum Ende des Jahres hält Ernst finanziell noch durch, sagt er. Dann sind die Reserven aufgebraucht, sodass der DJ dringend wieder auflegen und ein Publikum im Club zum Tanzen bringen muss.

Meistgelesen