Herford

Verkehrswende: Die Stadt Konstanz könnte Herford auf richtige Spur bringen

Mobilitätswende: Die Hansestadt kann Erfahrungen aus dem Badischen nutzen. Der Verkehrsclub Deutschland hat Verbesserungsbedarf beim Nahverkehr ausgemacht.

Gut 60 Interessierte fanden sich jetzt im Haus unter den Linden ein, um mehr Informationen zum Mobiltätskonzept in Konstanz zu erfahren. | © Peter Steinert

Peter Steinert
07.03.2020 | 07.03.2020, 16:00

Herford. Der zunehmende Individualverkehr macht beim gleichzeitigen Anstieg der Umweltbelastung auch vor der Hansestadt kein Halt. Die Folge: Herford braucht eine Verkehrswende.

Eine Verbesserung des Personennahverkehrs (ÖPNV) ist absehbar und der Ausbau des Radwegenetzes zwingend. Pläne über verkürzte Minuten-Takte beim Stadtbus oder zum Rückbau von Mindener/Berliner Straße von vier auf zwei Spuren zum Radwege-Ausbau sollen in den Schubladen liegen. Die Kommunalwahl im September könnte zur Wende werden. Dabei gäbe es mit der Stadt Konstanz (284.000 Einwohner) schon jetzt ein Vorbild für die gelungene Umsetzung.

Bus-Gedränge auf dem Alten Markt. Dieses Bild könnte schon bald der Vergangenheit angehören. - © Frank-Michael Kiel-Steinkamp
Bus-Gedränge auf dem Alten Markt. Dieses Bild könnte schon bald der Vergangenheit angehören. | © Frank-Michael Kiel-Steinkamp

Im Bürgerzentrum „Haus unter den Linden“ wurde jetzt über die Möglichkeiten einer solchen Verkehrswende auch mithilfe eines stark verbesserten Stadtbussystems informiert. Dazu zeigte Stephan Fischer als Leiter der strategischen Verkehrsplanung Konstanz am Beispiel der Bodenseestadt, welche Erfolge damit in Herford erzielt werden könnten.

Stadtbusverkehr im 10- bis 15-Minuten-Takt

Innerhalb der Stadt Konstanz werden 75 Prozent aller Wege umweltfreundlich zu Fuß, mit dem Rad oder mit dem Bus zurückgelegt. Ermöglicht wird dies auch durch einen Stadtbusverkehr im 10- bis 15-Minuten-Takt mit guten Angeboten in den frühen Morgen- und Abendstunden und einen Busbetrieb, der die Mobilität der Bevölkerung auch an den Wochenenden gewährleistet.

Stephan Fischer: „Eine Verkehrswende, die Autofahrende zum Umsteigen auf den Bus bewegt, kann nur durch qualitativ gute ÖPNV-Angebote gelingen. Dazu gehört ein Stadtbusverkehr, der mindestens im 15-Minuten Takt fährt. Ein lediglich kostenloses Busangebot dagegen kann zu erheblichen Mindereinnahmen bei eher geringen Fahrgaststeigerungen führen.“

Konstanz verfügt über einen Masterplan Mobilität, der auf die kontinuierliche Förderung der umweltfreundlichen Verkehrsmittel abzielt. Ein wichtiger Gesichtspunkt ist auch die stadtplanerisch gewollte gute Verknüpfung der Verkehrsmittel an Mobilpunkten: An ausgewählten Bushaltestellen befinden sich Angebote für „bike & ride“, Fahrradvermietung per App sowie Car-Sharing.

Zur Planung neuer Wohngebiete gehören umweltfreundliche Mobilitäts-Konzepte, die beispielsweise Car-Sharing-Angebote von vornherein berücksichtigen. Was in Herford etwa für den Stiftberg mit dem Bildungscampus von Interesse sein könnte.

Bodenseestadt belegt den 3. Platz von über 100 Mittelstädten

Konstanz ist Radstadt: Hohe Qualitätsstandards beim Radwegebau, beim Fahrradparken sowie bei der gezielten Bevorrechtigung des Radverkehrs, aber auch die Bereitstellung von Leihrädern, teils auch Lastenrädern durch die Konstanzer Stadtwerke sind laut Fischer Beispiele dafür. Der Erfolg gebe Konstanz Rückenwind: Beim ADFC-Fahrradklima-Test von 2018 belegte die Bodenseestadt den 3. Platz von über 100 Mittelstädten.

Referent Stephan Fischer wird in Konstanz durch ein vierköpfiges Team aus Verkehrs- und Stadtplanern, Radverkehrsbeauftragten und Mobilitätsmanagern unterstützt. Dazu kommt ein nicht eigenwirtschaftlich agierender Busbetreiber wie die Stadtwerke Konstanz. Allein diese Auflistung zeigt, dass in Herford Handlungsbedarf besteht, zumal die Stelle des Radverkehrsbeauftragen seit geraumer Zeit vakant ist.

Uwe Hartmeier vom Verkehrsclub Deutschland (VCD) Minden-Lübbecke-Herford sieht in der Verwaltungsvorlage zum zukünftigen Stadtbusverkehr mit der Favorisierung des 15-Minuten-Taktes beim Stadtbus einen großen Fortschritt für Herford. Vor allem durch diese Taktverdichtung werde das heutige Angebot erheblich verbessert. Die Verlegung des ZOB an den Bahnhof entspreche der bereits 2015 vom VCD vorgeschlagenen Leitidee für den Herforder Busverkehr.

Nachbesserungsbedarf sieht der VCD für die Angebote in den Abendstunden und am Wochenende. Bei einzelnen Linienführungen und der möglichst umsteigefreien Erreichung auch der Innenstadt sowie bei der kostensparenden Verknüpfung zwischen Stadt- und Regionallinien sollte die Detailplanung noch positiv verändert werden.