Verkehrswende Herford: Wird der Nahverkehr für alle kostenlos?

Herford. Die Stadt will in den nächsten Monaten das ÖPNV-Konzept vorlegen. Das könnte zu Entscheidungen von großer Tragweite führen. Ebenso wie jetzt ein Beschluss des Sozialausschusses: Die Verwaltung soll prüfen, wie sie im Zuge der Verkehrswende den öffentlichen Personennahverkehr zunächst attraktiver gestalten und mittelfristig allen in der Stadt die kostenlose Nutzung ermöglichen kann. Der Beschluss fiel einstimmig. Und er trifft sich mit Überlegungen der Verwaltung, wie Sozialdezernentin Froese-Kindermann sagte. Den Antrag hatte die Senioren-Union eingereicht. In seiner Begründung heißt es, dass neben dem geforderten Ticket für Senioren noch weitere Maßnahmen unerlässlich seien, wenn mit einer Veränderung der Verkehrssituation in Herford "ernst gemacht werden soll". Andreas Rödel (SPD) verwies darauf, dass der Verwaltung sowieso schon ein Prüfantrag zur kostenlosen Nutzung des ÖPNV vorliege. Senioren sollten zwölf Monate lang kostenlos Bus fahren dürfen Die Senioren-Union hatte in einem zweiten Antrag gewollt, dass Personen ab 70 Jahren, die freiwillig ihren Führerschein abgeben, kostenlos fahren können. Das Senioren-Ticket sollte dem von der Minden-Herforder-Verkehrsgesellschaft (mhv) herausgegebenen WeserWerre-Ticket entsprechen und auch für eine Begleitperson gelten. Nach zwölf Monaten sollten Ticket-Inhaber das WeserWerre-Ticket zu den üblichen Konditionen erwerben können. Diesen Beschluss fasste der Ausschuss allerdings nicht. Stattdessen erhielt die Verwaltung den Auftrag zu prüfen, zu welchem Preis und unter welchen rechtlichen Voraussetzungen alle Senioren - nicht nur diejenigen, die ihren Führerschein abgeben - und auch alle Schüler den ÖPNV kostenlos nutzen könnten. Der Vorstoß kam aus den Reihen der SPD. Andreas Gorsler (CDU) kritisierte das. Er fürchtete, dass eine Entscheidung dadurch auf die lange Bank geschoben werde. Zumal die Verwaltung vorher schon ausgerechnet hatte, mit welchen Mehrausgaben sie für das Senioren-Ticket rechnen muss: In Rheine, mit 10.000 Einwohnern mehr als Herford und ähnlichem Angebot, nutzen 80 Personen das Ticket. Jährliche Kosten von 33.600 Euro entstehen dadurch. Gilt es auch für eine Begleitperson wären es 67.200 Euro. Andreas Gorsler sieht das Thema auf die lange Bank geschoben Der Antrag der Senioren-Union, der schon von Mai stammt, werde zerredet, befürchtete Gorsler. Auch wenn das ÖPNV-Konzept in der zweiten Jahreshälfte vorliege: Es sei ein Riesenthema. Sprich: Längere Debatten mit ungewissem Ausgang folgen. "Wir sollten jetzt einen Pflock einschlagen", so der Christdemokrat. Unterstützung erhielt er von seiner Fraktionskollegin Michèle Saskia Pohle, allerdings mit Argumenten, die ihr böse Blicke im überwiegend von älteren Bürgern besetzten Gremium einbrachten. Sie sagte, dass die Aufmerksamkeitsspanne von 70-Jährigen nachlasse, deutete also an, dass sie eine Gefahr im Straßenverkehr seien. "Da möchte ich mal die Unfallstatistik für die 18-Jährigen sehen", rief Evelyn Taborsky (fraktionslos) dazwischen. Angesichts der Qualität, die der ÖPNV zurzeit habe, würde er seinen Führerschein auf gar keinen Fall abgeben, sagte Johannes Ridderbusch (Grüne). Auch stand die Frage im Raum, was denn mit Menschen sei, die gar keinen Führerschein haben. Sie wären gegenüber denjenigen, die ihren Führerschein abgeben, benachteiligt. Abgabe des Führerscheins beschneide die Freiheit von Senioren, sagt Marita Kamp Marita Kamp (Bürger für Herford) fügte hinzu, dass die Abgabe des Führerscheins Senioren in ihrer Freiheit beschneide: Für längere Strecken oder solche mit schlechter ÖPNV-Anbindung, wollten sie ihn ja vielleicht behalten. Sie plädierte ebenfalls dafür, allen Senioren die kostenlosen Fahrten zu ermöglichen. Die Frage von Erhard Stuckenholz (SPD), warum denn auch Begleitpersonen kostenlos fahren sollten, beantwortete Berthold Stahn (FDP) mit den Worten, dass Ehepaare doch wieder das Auto nehmen würden, wenn nur einer von ihnen kostenlos Busfahren dürfe. Stuckenholz hatte auch darauf hingewiesen, dass Führerscheine Sache des Kreises seien, das Thema also möglicherweise dort richtig aufgehoben sei. Auch die gezogene Altersgrenze von 70 Jahren fand er nicht logisch, da zunehmende Fahruntauglichkeit im Alter ein schleichender Prozess sei.

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