Opa war Oberlokomotivführer auf der preußischen P8

Herford. Im letzten Mittwochrätsel haben wir ein Foto des Ringlokschuppens gezeigt, der seinerzeit zwischen Bünder Straße, Sophienstraße und der Gleisstrecke der Bahn stand. Heute dient das Gelände als Parkplatz für Veranstaltungen im Alten Güterbahnhof. Kurzzeitig war die Fläche vor wenigen Jahren als möglicher neuer Standort für eine innenstadtnahe Kirmes im Gespräch. Anders als in Bielefeld, wo sich der umgebaute Ringlokschuppen als Veranstaltungsort einen Namen gemacht hat, wurde das Herforder Gegenstück nach Angaben von Stadtarchivar Christoph Laue, 1959 abgebrochen. Das genaue Baudatum ist unklar. Drehscheibe und Lokschuppen sind seinen Vermutungen zufolge nach dem Bahnhofs- und Gleisbettumbau 1912-1917 gebaut worden. Laue tippt auf den beginn der 1920er Jahre. Er hat Korrespondenz zu einem Lokschuppen aus den Jahren 1901/02 gefunden. In dieser Zeit wurde der neue Bahnhof gebaut. Unklar ist aber, ob der erwähnte Lokschuppen der später gebaute ist. Laue kann auf Luftbildern nachvollziehen, dass 1962 Schuppen und Gleise abgebaut waren. 1977 fehlt dann auch die Drehscheibe. Die Erinnerungen unserer Leser Ulrich Stille schreibt: "Das Bild erinnert mich lebhaft an meinen Großvater, der hier seinerzeit kriegsbedingt noch jenseits der Altersgrenze als Oberlokomotivführer seinen Dienstort hatte. Wie auch andere Eisenbahner wohnte er gleich um die Ecke in der Leopoldstraße und konnte durch sein Gartentor auf kurzem Wege zum Lokschuppen gehen. Für mich war es immer ein ganz besonderes Erlebnis, wenn ich ihn mal begleiten konnte. Manchmal durfte ich dann mit ihm auf dem Führerstand der schwarzen Stahlriesen stehen, vielleicht bei einer Preußischen P8 oder wie hier auf dem Foto rechts im Lokschuppen bei einer Baureihe 50. Die BR50 ist ab 1939 gebaut worden und wurde wegen geringer Achslast aufgrund ihrer großen Länge gegen Ende der Dampflokzeit gern als Universallok auf Nebenbahnen eingesetzt. Ähnlich ging es auch meinem Großvater, der in seiner letzten Dienstphase mit seinem Heizer regelmäßig auf der "Lippischen Bahn" die Strecke Herford - Altenbeken befuhr und natürlich fast jeden Schrankenwärter persönlich kannte. Kein Wunder, dass das ,Eisenbahnvirus? auch mich befallen hat." Joachim Grzbiela erinnert sich: "Der Lokschuppen war über die Bünder Straße zu erreichen. Hier habe ich als Kind meinen Vater manchmal bei der Arbeit besucht. Er war hier als Kesselschmied beschäftigt. Wenn eine Lok von der Strecke kam, wurde sie zuerst entschlackt, dann wurden das verbrauchte Wasser und die verbrauchte Kohle nachgefüllt. Erst dann kam die Lok in den Schuppen. Dafür musste sie aber über die Drehscheibe, die vor dem Schuppen war. Da durfte ich manchmal mitfahren. Das war toll! Wenn die Lok im Schuppen stand und es mussten Reparaturen gemacht werden, dann musste mein Vater ran. Später wurde das Betriebswerk Herford mit Löhne zusammengelegt und dann dauerte es nicht mehr lange und der Lokschuppen wurde abgerissen." Ein Eisenbahnexperte weiß viel zu berichten Ralf Oestreich ist Eisenbahnexperte: "Die Bezeichnung Garage für diese Abstell- und Reparatur-Gebäude für Lokomotiven ist etwa so ungewöhnlich wie der Begriff "Lok-In". Fremdwortfreunde haben mit den Namen Remise oder Depot bessere Chancen, verstanden zu werden. Dabei ist die Bezeichnung Depot in der Schweiz verbreiteter als in Deutschland. Es gibt jedoch für solche Gebäude auch zwei deutschsprachige Namen: In Österreich nennt man sie Heizhäuser, weil die Lokomotiven dort angeheizt wurden. In Deutschland heißen sie einfach Lokschuppen. Im Lokschuppen warteten die Dampfloks auf ihren nächsten Einsatz und wurden in dieser Zeit vom Lok- und Werkstattpersonal gewartet. Ob der Begriff Wartung also irgendwann im Lokschuppen entstanden ist, mögen Sprachwissenschaftler erforschen. Die meisten Lokschuppen wurden schon im 19. Jahrhundert errichtet. Damals waren die Lokomotiven noch klein und kurz, weil die Züge leicht waren und langsam fuhren. Im 20. Jahrhundert stiegen die Anforderungen an die Leistung. Die Züge wurden schwerer und zumindest auf den Hauptstrecken auch schneller. Maximale Breite und Höhe der Lokomotiven waren begrenzt, weil Unterführungen und Tunnel durchfahren werden mussten. Also führte die geforderte Leistungssteigerung der Loks nach dem damaligen Stand der Technik zu längeren Lokomotiven mit mehr Achsen. Das war auf der Strecke kein Problem, wohl aber auf der Drehscheibe und im Lokschuppen. Neue Strukturwandel machen Lokschuppen entbehrlich Die Lokschuppen mussten neu gebaut oder an der Rückseite verlängert werden. Diese Entwicklung kann man zum Beispiel in Rahden noch heute sehr gut erkennen. Im zweiten Weltkrieg wurden zahlreiche Lokschuppen durch alliierte Bombenangriffe zerstört oder beschädigt. Kurz danach machte der Strukturwandel viele Lokschuppen entbehrlich. Die Zeit der Dampfloks ging zu Ende. Die Elektrifizierung der Strecken setzte Dampfloks frei. Außerdem wurden in den 1950er Jahren des letzten Jahrhunderts immer mehr Dampfloks durch Dieselloks und insbesondere durch Dieseltriebwagen wie Schienenbusse ersetzt. Trotzdem wurden nicht alle Lokschuppen wie in Herford abgerissen. Einzelne Lokschuppen wie in Löhne sind sogar noch modernisiert und mit einem Fahrdraht überspannt worden, so dass dort auch elektrische Lokomotiven abgestellt werden konnten." Gerhard Heitholt weiß: "Man schaut in einen Teil der offenen Unterstände (teilweise fehlen schon die Tore) des früheren Ringlokschuppens im Herforder Bahnhof. Die Gleise führen von links kommend von der leider nicht sichtbaren Drehscheibe durch die Tore. Auf dem Dach die Nummern der Tore: von halbrechts 3 bis links 6, insgesamt mögen es aber über 10 gewesen sein. Die SchlepptenderLok rechts scheint eine Güterzuglok der verbreiteten Baureihe 50 zu sein, wurde aber auch häufig vor Personenzügen eingesetzt, die Lok links könnte die kleinere Baureihe 55 sein, zumal eine solche, eigentlich artfremd, als Rangierlok in Herford in den 1950er Jahren fungierte. Volle Leistung nur bei der Vorwärtsfahrt Der Betrieb von Dampfloks war sehr wartungsintensiv: Abgesehen von Kohle- und Wasserfassen und stundenlangem Vorheizen bei jeder Inbetriebnahme musste eine Dampflok nach jeder längeren Fahrt vor allem entschlackt werden: Kohlereste und Asche wurden entfernt. Dafür war in jedem Unterstand zwischen den Schienen eine Grube. Hauptsächlich für Schlepptenderloks und zum platzsparenden Verteilen vieler Dampfloks in die Unterstände brauchte man eine Drehscheibe: Schlepptenderloks konnten in der Regel ihre volle Leistung nur bei Vorwärtsfahrt erreichen. So gab es noch bis in die 1950er Jahre eine zweite kleinere Drehscheibe direkt an der Ecke Bünder/Sophienstraße am Ende der Güterfreiladegleise (heute nur noch als Schotterlager für Gleisarbeiten in der Region genutzt). Dort wurden, wie ich oft auf meinen täglichen Schulwegen gesehen habe, die kürzeren Loks der Baureihe 24 für die Strecke nach Rahden und Baureihe 38 nach Altenbeken gedreht. Hinter Sträuchern versteckt steht heute noch ein halbes Betriebsgebäude. Aufgewachsen im Krieg "achter der Bahn" nahe der Bünder Straße wurde ich täglich von klein auf vom Sound und auch vom Dreck der vielen Dampfloks begleitet. Bei Ostwind vor allem sammelte sich Ruß auf den Fensterbänken und das damals noch übliche Wäschebleichen geriet zum Fiasko. Als kleiner Knirps im Vorschulalter noch war ich jedoch wohl so sehr von der Bahn fasziniert, dass ich eines Tages von zu Haus Richtung Lokschuppen ausbüxte. Ich weiß noch, dass ich bis zur Hinterwand vorgedrungen war, als mich zwei Frauen mit Wäschekörben - wohl vom Betriebswerkpersonal - "abfingen" und zurückbrachten, meine Mutter war wohl erleichtert. Bei Ostwind sammelte sich Ruß auf den Fensterbänken Später dann, wohl Ende der 1950er Jahre, erlebte ich im wahrsten Sinne des Wortes den Niedergang des Bahnbetriebswerkes: Nach Abriss diverser Bauten (Betriebsgebäude, Wasserturm...) wurde auch schließlich der große Schornstein des Heizwerkes gesprengt - er war so groß und hoch wie seinerzeit alle die anderen Schornsteine der großen Herforder Fabriken. Die Bünder Straße wurde gesperrt, ein großer Knall und zielgenau fiel der Schornstein, lang wie er war, auf die Bünder Straße (zur anderen Seite ging ja nicht, da waren die Bahngleise). Alles ringsherum versank in einer enormen Ruß- und Staubwolke. Wir Schaulustigen mussten die Flucht ergreifen, heute wohl nicht mehr so denkbar, da würde schonend Stein für Stein abgetragen." Interaktive Karte Erkunden Sie das historische Herford der Mittwochrätsel mit unserem interaktiven Straßenplan. Klicken Sie dafür einfach mit der Maus auf die roten Pfeile. Der Karte wird wöchentlich aktualisiert.

Meistgelesen