Staunen, lernen, anfassen: Enger macht Gerben zum Familien-Erlebnis

Enger. Ein spannendes Kapitel in der Geschichte des Gerber-Handwerks wird demnächst für die Öffentlichkeit aufgeschlagen, wenn die historische Lohgerberei als neuer Teil des heimischen Gerbereimuseums am Hasenpatt öffnet. Im Gespräch mit der NW hat Karsten Glied, Vorsitzender des Museumsvereins, von den Sanierungsarbeiten berichtet und Einblicke in die neue Ausstellung gegeben. Seit gut zwanzig Jahren zeigt das Museum am Originalschauplatz der bereits 1740 gegründeten und 1995 geschlossenen Gerberei Sasse die verschiedenen Schritte der Lederherstellung. Die Herausforderungen der Sanierung und Ausgestaltung Nach Übernahme des technischen Denkmals durch den Verein Gerbereimuseum wurde seinerzeit zunächst die 1938 gebaute Chromgerberei als Museum hergerichtet, die eindrucksvoll die maschinengestützte chemische Lederproduktion zeigt. Der ältere Teil des historischen Handwerksbetriebs – die sogenannte Lohgerberei, in der zuvor 200 Jahre lang mit Eichenrinde gegerbt wurde – lag derweil brach und verfiel. Der Verein habe zwar schon früh den Plan gehabt, auch diese &bdquo;Urzelle“ der Gerberei zu sanieren, doch habe man sich zunächst auf den moderneren Part und dann auf den Ausbau der Galerie im Dachgeschoss konzentriert, berichtet Glied. Hintergrund: Gerberei-Museum erfindet sich neu und baut um Die Fertigstellung naht: Bauabnahme und Ausstellungskonzept Als 2019 endlich alle notwendigen Fördermittel für das Projekt Lohgerberei festgestanden hätten, habe sich der Verein &bdquo;auf die Herausforderung gefreut“, nun auch die denkmalgerechte Sanierung des ältesten Gebäudeteils begleiten zu können, erzählt der Vorsitzende. Damals sei allerdings nicht absehbar gewesen, wie viele Probleme und Unwägbarkeiten das Projekt begleiten sollten. Baustoffknappheit, Preisexplosionen und Handwerkermangel als Folge der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges hätten zu vielen Verzögerungen geführt. Mittlerweile ist die umfangreiche Gebäudesanierung jedoch so gut wie abgeschlossen. &bdquo;Jetzt ist die Bauabnahme der nächste Schritt“, teilt Glied mit. Einblicke in die neue Ausstellung: Von Empfang bis Erlebnisraum Parallel zur Sanierung liefen die Planungen zur musealen Ausgestaltung der Lohgerberei, deren spannendster Teil sich in den Kellerräumen befindet, wo noch die uralten Becken erhalten sind, in denen die Tierhäute und -felle früher behandelt wurden. Zusammen mit einem Fachbüro haben Mitglieder des Museumsvereins das inhaltliche Ausstellungskonzept erarbeitet. Vom neuen Haupteingang an der Lohgerberei betreten die Besucher künftig einen kleinen Eingangsbereich mit Empfangstresen und einem Stand mit Informationsmaterial. &bdquo;So einen Raum gab es vorher gar nicht. Früher stand man ja direkt in der Ausstellung“, sagt Glied. Vom Empfangsbereich geht es weiter in den ersten Ausstellungsraum, der im früheren Wohnbereich der Familie Sasse liegt. &bdquo;Hier gibt es erst mal eine Einführung in die Themenbereiche Leder, Gerberei und Schusterhandwerk“, erläutert der Vereinsvorsitzende. Exponate wie Handtaschen, Schuhe und Stiefel aus Leder sowie altes Werkzeug liegen dort schon bereit, warten aber noch auf den passenden Platz in neuen Vitrinen. &bdquo;Die werden demnächst geliefert“, ist Glied zuversichtlich. Auch interessant: Das Großprojekt Gerberei-Museum in Enger ist auf einem gutem Weg Baufälliger Lagerraum zeigt jetzt Geschichte In einem weiteren kleinen Raum soll die Geschichte der Gerberfamilie Sasse erzählt werden. &bdquo;Die Texttafeln für diesen Bereich sind im Druck“, erzählt Glied bei der Ortsbegehung. Neben den Erklärungen direkt an den Exponaten werde es außerdem eine tabletgestützte Führung durch das Museum geben. Vom Empfangsraum führt eine Treppe weiter nach unten in den früheren Trockenraum der Gerberei, wo eine neue Besuchergarderobe eingerichtet wird. &bdquo;Von hier aus geht es in den Erlebnisraum im Keller, die eigentliche Lohgerberei“, sagt Glied und führt weiter durch die Räumlichkeiten. Dieser historische Bereich, der jahrelang ein baufälliger Lagerraum &bdquo;für Kram und Krempel“ gewesen sei, ist Zeugnis des Gerberhandwerks von vor über 250 Jahren. Denn bevor die Maschinen und die Chemie des Chromgerbens erfunden wurden, die den Herstellungsprozess auf 14 Tage verkürzten, wurde mit Eichenrinde – der sogenannten Lohe – gegerbt. Die Herstellung von Leder dauerte so mehrere Monate. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford Ein Forscherraum unterm Dach Da bei der Übernahme der Gerberei durch den Verein niemand mehr gelebt habe, der noch in der Lohgerberei gearbeitet hatte, sei eine Menge &bdquo;Detektivarbeit“ nötig gewesen, um die dortigen Arbeitsabläufe zu rekonstruieren, berichtet Glied. Der imposante Kellerraum mit den verschiedenen Gerberbecken wurde freigelegt und weitgehend im Originalzustand belassen. Er ist ein echtes Zeugnis westfälischer Wirtschaftsgeschichte. Lediglich einige Sicherungselemente zum Schutz der Besucher wurden eingebaut. Für Gruppen aus Schulen und Kitas ist im Dachgeschoss des Gebäudes der sogenannte &bdquo;Forscherraum“ eingerichtet worden. &bdquo;Hier können spezielle museumspädagogische Projekte angeboten werden“, erklärt Glied. Auf einen konkreten Eröffnungstermin für das erweiterte Museum will sich Glied aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre nicht festlegen, hofft aber, dass die Inneneinrichtung jetzt weiter zügig vorangeht und die Lohgerberei schon bald der Öffentlichkeit vorgestellt werden kann. Erste Einblicke konnten Besucher bereits während des Gerbereifestes im Mai nehmen.

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