Löhner setzt mit Gerberei auf Familientradition – und hat Kunden in ganz Europa

Löhne. Vor 15 Jahren hat Christopher Tramm seine Ausbildung abgeschlossen. Das Besondere: Er hat sich zum Gerber ausbilden lassen, also zum Fachmann für die Herstellung von Leder, Fellen und Pelzen. Mittlerweile hat der Löhner sich in Mecklenburg-Vorpommern selbstständig gemacht und beliefert Kunden aus ganz Europa. Die Geschichte des Gerbers beginnt in Löhne. Hier geht er zehn Jahre zur Hauptschule und beendet diese mit dem Realschulabschluss. Schon damals erzählt er der Neuen Westfälischen: &bdquo;Ich werde Gerber und mache eine Ausbildung in Vlotho.“ So kommt es auch, die Gerberei Sellmann bildet ihn aus. &bdquo;Die etwa 60 Kilometer bin ich dann immer mit dem Roller gefahren“, erinnert der Gerber sich. Zwei Mal im Jahr musste Tramm damals für sechs Wochen nach Reutlingen. Eine von nur drei Berufsschulen in ganz Europa, die das anbot. Dort sei er mit dem Zug, später mit dem Auto, hingefahren, um seinen Theorieunterricht zu erhalten. Die Weiterbildung zum Meister sei nicht mehr möglich gewesen, da die nötigen Lehrmeister fehlten. Alternativ hätte er einen Meister als Industriechemiker machen können. &bdquo;Das war aber nicht das, was ich später machen wollte“, sagt er. Bürger protestierten gegen Pläne für neue Gerberei Stattdessen verschlägt es ihn erst mal in den Süden nach Bayern, wo er für Lederhosen verantwortlich ist. Dass er nicht in der Gerberei seines Großvaters anfängt, in der seine Leidenschaft überhaupt erst aufkam, sorgt für ein wenig Ärger. Er bildet sich deswegen landwirtschaftlich fort und wird Besamungstechniker für Rinder. 2016 folgt ein Rückschlag, als ihm aufgrund der hohen Milchpreise in Folge der Annexion der Krim fristlos gekündigt wird. &bdquo;Ich war ledig, jung und arbeitslos“, fasst der damals 26-Jährige seine Lage zusammen. Er besinnt sich auf seine Ursprünge und fragt seinen Großvater, ob er in seinem Betrieb arbeiten könne: &bdquo;Er hat erst gezögert, aber als er gemerkt hat, dass ich wirklich arbeiten will, hat das geklappt.“ Allerdings kommt es kurze Zeit später zum Bruch, die Wege der beiden trennen sich wieder. Nachdem er den Betrieb seines Großvaters trotzdem übernommen hat, kauft er 2019 ein Haus in Mecklenburg. Dort möchte er eine ehemalige Tischlerei ummelden und die Gerberei an einen neuen Standort verlegen. Aus der Stadtbevölkerung gibt es Proteste, Ängste um Gestank und sinkende Grundstückspreise gehen um. Auch interessant: Nur drei Auszubildende in OWL: 16-jähriger Löhner möchte Hufschmied werden Nur noch wenige Gerbereien in Europa Die Behörden in anderen Orten mit Gerbereien hätten allerdings Entwarnung gegeben. &bdquo;Weder sinken die Grundstückspreise, noch gibt es üble Gerüche“, klärt Christopher Tramm auf. Und so startet die Produktion der Fell-Gerberei Tramm im Oktober 2019 in Ziegendorf. Die Felle, die er dort bearbeitet, kämen aus den verschiedensten Ecken Europas. &bdquo;Die Anfragen kommen von Jägern aus Polen, den Niederlanden, Norditalien, Finnland, Dänemark, Österreich und Schweden“, zählt Tramm auf. Es gebe in Europa einfach nur noch wenige Gerbereien, in Dänemark zum Beispiel sogar gar keine mehr. Dementsprechend voll seien seine Auftragsbücher. Neben Jägern zählten Tierpräparatoren zu seinen Kunden. &bdquo;Die stopfen Tiere aus und auch dafür braucht es gegerbte Fälle“, erklärt der Gerber. Um das zu tun, erfordere es mehr als 40 Arbeitsschritte: &bdquo;Ein Fuchsfell habe ich im gesamten Prozess etwa 100 Mal in der Hand.“ Gegerbtes Fell hält bis zu 30 Jahre Das nach Anleitung eingeschickte Fell werde stark vereinfacht zuerst mehrfach gewaschen, um Blutflecken und Dreck zu entfernen. Im nächsten Schritt komme es zum Entfleischen, gefolgt vom erneuten Reinigen. Beim anschließenden Gerben würden Fette ins Fell kommen, um zu verhindern, dass es später ranzig wird. Dann folgten Trocknung und mehrere Schritte, um das Leder weich zu machen. Noch mal geputzt und gekämmt und das mit einer Ohrmarke markierte Fell könne zurück zu seinem Besitzer. So etwas koste bei einem Fuchs beispielsweise 40 Euro. So ein fertiges Fell sei ziemlich langlebig: &bdquo;Das hält bis zu 30 Jahre.“ Der Gerber sieht auch bei der Entsorgung kein Problem: &bdquo;Es kann ganz einfach verbrannt werden.“ Kritik an der Lederherstellung verstehe er nicht, immerhin trage er dazu bei, dass von toten Tieren alle Bestandteile genutzt werden können. &bdquo;Durch die Fleischproduktion und Jagd fällt das sowieso an und würde sonst entsorgt werden“, sagt er. Das Jagen von Tieren sei teilweise sogar vorgesehen. &bdquo;Der Waschbär soll in der EU als invasive Art gejagt werden, da er unserer Flora und Fauna schadet“, erklärt der Gerber, der mittlerweile auch selbst Jäger ist. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford Probleme mit dem Nachwuchs in der Gerberei Laut Christopher Tramm sei seine Gerberei &bdquo;die erste Neugründung seit 20 Jahren“. Und eine von nur noch etwa 15 bis 20 in ganz Deutschland. Vier Minijobber sowie zwei Fachkräfte aus Finnland und Polen unterstützen ihn bei seiner Arbeit. Die Fachkräfte seien allerdings nicht mehr allzu jung. Ausbilden lohne sich derweil auch nicht: &bdquo;Die Abbruchquoten sind extrem hoch.“ Außerdem sei es schwer, überhaupt Interessierte zu finden. Die mittelmäßige Bezahlung sowie die harte körperliche Arbeit schreckten ab. &bdquo;Wenn man mit einem Bisonfell in der Wanne steht, wird das sehr schwer und anstrengend“, so der heute 35-Jährige. Der einzige Nachwuchs, der für ihn noch infrage komme, seien seine beiden Kinder. &bdquo;Wenn die Interesse zeigen sollten, dann würde ich sie wahrscheinlich noch ausbilden“, schätzt er. Seine Frau, mit der er seit mehr als vier Jahren verheiratet ist, ist als Kürschnerin tätig, sodass beide in einem Onlineshop eigene Kissen, Decken und Mützen verkaufen könnten. Gerber bleibt Löhne auch nach Jahren noch treu Neben einigen Löhner Kunden, die er habe, wohne seine Familie noch in der Werrestadt. Mehrmals im Jahr komme er zu Besuch und nehme dann gelegentlich direkt Pelze mit, die er gerben soll. Kontakt zu ehemaligen Klassenkameraden bestehe ebenfalls. Und so bleibt er Löhne nach all den Jahren immer noch ein Stück treu. Die Fell-Gerberei Tramm ist in der Hauptstraße 3 in Ziegendorf in Mecklenburg Vorpommern ansässig und montags bis freitags von 10 bis 15 Uhr geöffnet. Weitere Kontaktmöglichkeiten, der Online-Shop sowie weitere Eindrücke des Arbeitsalltags finden sich auf der Webseite www.gerberei-tramm.de, auf der auch Infos zum Versand und eine Preisliste sind. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

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