Vermisstenfall Jörg D. aus Hüllhorst: Zeugen berichten von Bordellbesuchen

Enger/Hüllhorst/Bielefeld. Am vierten Prozesstag vor dem Bielefelder Landgericht sind an diesem Donnerstagmorgen vier Zeugen geladen, die die Lebensumstände des vermissten Hüllhorster Unternehmers Jörg D. kontrovers beschreiben und damit kein klares Bild in dem Indizienprozess zeichnen. Es geht um Alkoholkonsum und Bordellbesuche. Zunächst sagte ein Bekannter des seit dem 18. Oktober 2023 Vermissten aus. Der 69-jährige Rentner hatte Jörg D. im Jahr 2011 kennengelernt. Er betrieb damals ein Sportstudio in Spenge, in dem der Sohn von D. trainierte. 2016 verkaufte er sein Geschäft, der Kontakt zu Jörg D. und dessen Frau blieb bestehen. Hin und wieder habe er ihn in seiner Firma besucht, hin und wieder dort Blecharbeiten in Auftrag gegeben. D. habe am Tag des Verschwindens wieder einmal nach Bulgarien fahren wollen. Als er ihm am nächsten Tag eine Whatsapp-Nachricht geschrieben habe, sei diese, wie auch weitere Nachrichten in den Folgetagen, ungelesen und unbeantwortet geblieben. Er sei dann am 24. November einfach mal wieder zur Firma gefahren um nach dem Rechten zu sehen, traf aber statt auf D. auf den Angeklagten, einen 37-Jährigen aus Enger. Dieser teilte ihm mit, dass er das Objekt gemietet habe und eine Jahresmiete in Höhe von 60.000 Euro an D. bezahlt habe. Im Verlauf des Gesprächs soll der Angeklagte dann gegenüber dem Zeugen ein düsteres Bild über Jörg D gezeichnet haben. Er sei der Ansicht, Jörg D. sei untergetaucht und außerdem wäre er ein Alkoholiker. Mehr zum Thema: Angeklagter im Mordprozess Jörg D. lebte jahrelang illegal in einem Haus in Enger Hat Jörg D. tatsächlich das Objekt vermietet? Dem 69-Jährigen war, so sagt er vor Gericht, das Gespräch unangenehm gewesen, denn er habe Jörg D. als netten und hilfsbereiten Mann kennengelernt. Auch die Unterstellung, er sei Alkoholiker, empfand er als nicht zutreffend. &bdquo;Wenn ich bei Jörg war, dann hat er nie Alkohol getrunken“, so der Zeuge. Das gleiche Bild vom Vermissten zeichnet auch die Ehefrau des Rentners, die als zweite Zeugin vernommen wird. Er habe den Wunsch gehabt, nach Bulgarien auszuwandern, da er sich mit seiner Firma und der vielen Arbeit &bdquo;selbst ein Gefängnis gebaut“ hätte. Daher habe er die Firma samt angrenzendem Wohnhaus verkaufen und nach Bulgarien ziehen wollen. Als er sich nicht mehr gemeldet und auch nicht mehr erreichbar gewesen wäre, ging sie davon aus, dass er bereits nach Bulgarien gezogen sei und seine Firma verkauft hätte. Als ihr Mann ihr dann von den Vorwürfen des Angeklagten berichtet hätte, sei sie verwirrt gewesen und schildert D. als zuverlässig, nett und hilfsbereit. Ein völlig anderes Bild zeichnet hingegen ein Nachbar, der unweit der Firma des Vermissten ebenfalls eine Firma betreibt und angibt, seit 2001 mit Jörg D. bekannt zu sein. Man habe sich kennengelernt, als D. dort seine Industriehalle bauen ließ. Anfangs habe man sich sehr gut verstanden, hätte viel Spaß miteinander gehabt. Auch sei D. sehr hilfsbereit gewesen, doch die Stimmung kippte, als ihn seine Frau 2011 verlassen habe. D. habe bei Besuchen des Zeugen oftmals schon mittags gelallt, sei häufig betrunken gewesen. &bdquo;Das war nicht mehr der Jörg, den ich kannte und schätzengelernt hatte“, so der Zeuge. Lebensumstände von Jörg D. beleuchtet Zuletzt habe er ihn mutmaßlich am 16. oder 17. Oktober gesehen, abends habe sein Porsche Cayenne noch auf dem Firmengelände gestanden und er habe einen schwarzen Kleinwagen auf den Hof fahren sehen - offenbar ein Pizzalieferant. D. hätte sich häufig abends eine Pizza in die Firma bestellt, so dass er schlussfolgerte, dass das an dem Abend auch so gewesen sei. Gesprochen habe er aber nicht mit dem nun Vermissten. In Gesprächen habe er dem Zeugen erzählt, er würde seine Firma und sein Wohnhaus verkaufen und nach Bulgarien ziehen wollen. Als Kaufpreis habe er 1,28 Millionen Euro im Auge gehabt, ein Angebot über 800.000 Euro abgelehnt. Auch hätte es ein Angebot über 900.000 Euro gegeben - doch aus das lehnte er ab. Bei einer Gelegenheit hat auch dieser Zeuge von dem angeklagten Engeraner Notiz genommen, als dieser diverse Boote auf das Betriebsgelände von D. transportierte. Dem Zeugen soll er gesagt haben, dass er 60.000 Euro Jahresmiete für das Objekt samt Wohnhaus bezahlt habe und diese Summe beim späteren Kauf über 900.000 Euro in Abzug gebracht würde. D. hätte das so mit ihm vereinbart und sei dann nach Bulgarien gereist. Der Bruder von Jörg D., der letzte Zeuge der Verhandlung, zeichnet hingegen ein düsteres Bild. Er habe schon in der Kindheit Probleme mit seinem jüngeren Bruder gehabt und schildert ihn als streitsüchtig. Seine Familie habe sich daher von ihm abgewandt. Es habe in den weiteren Jahren nur noch ein loser Kontakt geherrscht. Immer dann, wenn er Alkohol getrunken habe, sei er ein anderer Mensch gewesen. Auch von Bordellbesuchen wusste der Bruder des Vermissten zu berichten. Alkoholmissbrauch und Bordellbesuche? D. habe sich damit gebrüstet und immer Geldbündel im vierstelligen Bereich dabei gehabt. Er habe ihm auch von Problemen in einem Bordell in Bad Oeynhausen berichtet: Dort sei D. betrunken rausgeflogen und habe auch mehrfach Schläge erhalten, da er sich daneben benommen habe. &bdquo;Er war, wenn er betrunken war, aggressiv, ausfallend und gewaltbereit“, so der Zeuge weiter. Auch an diesem Prozesstag machte der Angeklagte von seinem Schweigerecht Gebrauch. Dem 37-jährigen Engeraner wird vorgeworfen, den Unternehmer aus Hüllhorst getötet zu haben. Dies sei &bdquo;aus Habgier und um eine andere Straftat zu ermöglichen“ geschehen, so Staatsanwalt Christopher York. Die Tat soll sich in der Industriehalle des vermissten Hüllhorster Unternehmers ereignet haben. Der Angeklagte soll beabsichtigt haben, das Firmengelände und die Wohnräume des Unternehmers zu benutzen. Der Prozess wird am 14. Juni fortgesetzt.

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