NRW-Minister Herbert Reul bei Auftritt im Kreis Herford: „Es geht uns saumäßig gut.“

Enger/Kreis Herford. Mit eher kleinen Schritten machte sich Herbert Reul von seinem Platz in der Aula des Widukind-Gymnasiums Richtung Bühne auf. Federnd nahm er die Stufen, sah sich sehr kurz das Rednerpult an, entschloss sich anscheinend, es als überflüssig zu erachten, und begann zu parlieren. Es trieb den Profi-Politiker auf der Bühne von links nach rechts. Ein Manuskript hatte der Innenminister des Landes Nordrhein-Westfalen nicht nötig. Sicher setzte der CDU-Grande die Schwerpunkte; und gerne auch Pointen. Aus dem Westen des Landes war er auf Einladung der Kreis-CDU zum Neujahrsempfang nach Enger gekommen, um in Ostwestfalen eine eindrückliche Rede abzuliefern. Seine Botschaft: Als Innenminister habe er sich seit 2017 darauf besonnen, kleine Schritte zu machen. Die aber dann erfolgreich und damit vertrauensbildend. Sein Ziel ist klar: Zusammen mit den anderen Demokraten den Rechtsstaat verteidigen und sich gegen Rechtsextremismus einsetzen. Für seine Rede in der Aula nahm er sich fast eine Stunde Zeit. Er durfte sich der Aufmerksamkeit der 400 Gäste gewiss sein. Gern sei er in den Kreis Herford gekommen: &bdquo;Der ist so schön weit weg.“ Ein klarer Vorteil, denn in seinem Wohnort Leichlingen sei es trüb, in Enger sonnig. &bdquo;Eigentlich sind wir verdammt gut durchgekommen.“ Seine Botschaft: &bdquo;Wir leben in einer schwierigen Zeit.“ Er nannte die Weltwirtschaftskrise, erinnerte an die Situation in Griechenland, den Brexit, dann die große Pandemie &bdquo;alles kritische Situationen, in denen wir alle gedacht haben: Jetzt kracht’s. Alles bricht zusammen.“ Dabei zeigte er sich durchaus hoffnungsvoll und geerdet. Denn wenn &bdquo;man einen Strich ziehe“, gelte: &bdquo;Eigentlich sind wir verdammt gut durchgekommen.“ Es gebe eine Untersuchung, dass es weltweit nur &bdquo;sieben oder acht echte Demokratien“ gebe. &bdquo;Eine ist Deutschland. Da könnte man auf die Idee kommen, jeden Tag ein Fest zu machen.“ Und das auch, wenn &bdquo;nicht immer alles perfekt“ sei. Vor dem Hintergrund der Flut in NRW und dem Ahrtal 2021 und in Anbetracht des Krieges in der Ukraine und auch des Überfalls der Hamas auf Israel seien die Menschen auch &bdquo;mal richtig wachgerüttelt worden.“ Reul habe aber selbst als &bdquo;älterer Mensch“ noch keinen Krieg erlebt. &bdquo;Sensationell“. Das sei ein &bdquo;riesen Schatz.“ Der Grund für die gute Zeit sei in zwei Entscheidungen nach dem Zweiten Weltkrieg zu suchen: &bdquo;Das Zusammenleben der Staaten braucht irgendwelches Regelwerk; Stichwort Europa.“ Gleiches gelte auch für das innerstaatliche Umgehen miteinander. &bdquo;Die Idee heißt Rechtsstaat. Ohne Sicherheit läuft gar nichts.“ Und deshalb gehe es &bdquo;uns saumäßig gut.“ &bdquo;Da brennt schon was“ Dennoch erkannte er: &bdquo;67 Prozent der Menschen können mit unserem Staat nichts mehr anfangen. Und wenn dann 30 Prozent gar nicht mehr wählen gehen und 20 Prozent die AfD wählen, dann brennt die Hütte. Das ist nicht mehr im Zündel-Stadium, sondern, da brennt schon was. Deshalb ist es gut, dass die Leute auf die Straße gehen.“ Er bezog sich auf die Demos in ganz Deutschland und in Enger und sagte: &bdquo;Ich bin ungeheuer froh. Das ist toll, wie viele Leute sich engagieren und sagen: Jetzt haben wir es begriffen.“ Das Problem sei aber lösbar. Und zwar von den gewählten Politikern. &bdquo;Wir müssen das Vertrauen zurückgewinnen. Wir sind verantwortlich. Wir, die wir verantwortlich Politik machen. Und zwar von der Kommunalpolitik bis zur Bundes- und Europapolitik.“ Dabei erklärte er: &bdquo;Unterschätzen sie mal nicht einen guten Kommunalpolitiker, der sich engagiert.“ Dabei legte er keinen Wert darauf, welches Parteibuch der habe: &bdquo;Das mag sie jetzt alle irritieren und ich werde gleich wahrscheinlich des Saales verwiesen, weil ich hier keine einseitige Werbung mache. Es geht mir nicht mehr darum, ob die CDU 30, 35, 32 Prozent hat. Mich bedrückt vielmehr, dass die SPD zum Teil unter 10 Prozent liegt. Die Stabilität der Gesellschaft steht auf dem Spiel.“ Und daher müssten alle demokratischen Parteien zusammenarbeiten,. &bdquo;Heute ist nicht der Zeitpunkt sich zu schlagen.“ &bdquo;Damit bringen wir Vertrauen zurück.“ Spitzen in Richtung Berlin gab es dennoch: &bdquo;Die Welt steht in Flammen und wir beschäftigen uns mit Cannabis. Da hab ich überhaupt keine Lust drauf.“ Oder: &bdquo;Wenn morgens so entschieden wird, nachmittags so und am nächsten Tag die Sache wieder zurückgenommen wird, dann werden die Menschen wahnsinnig.“ Die Menschen wollten ernstgenommen werden. &bdquo;Die wollen, dass wir die Probleme, die da sind, benennen. Wollen, dass wir versuchen, sie zu lösen; aber niemals den Anspruch erheben, das geht mit einem Schnipp - morgen ist die Welt in Ordnung. Das geht nicht.“ Als Beispiel nannte er sein Vorgehen als Innenminister gegen Clan-Kriminalität. &bdquo;Ich bin jetzt sechs Jahre im Amt. Und die Leute sagen, die Clans sind ja immer noch da. Ja. Stimmt. Aber, Gott sei Dank, habe ich von Anfang an gesagt: Das wird lange dauern. 30 Jahre hat sich das entwickelt. Glaub’ ja nicht, dass das jetzt Zack, Zack, geht. Aber die Leute merken: Es verändert sich ein wenig. Stück für Stück. Und damit bringen wir Vertrauen zurück.“ Ein probates Mittel dazu, das führte er später in seiner Rede aus, sei die Stärkung der Polizei. Besonders die Sensibilisierung auf das Thema Internet-Kriminalität. &bdquo;Wir müssen die Polizei digitaler machen“, forderte der Innenminister: &bdquo;Dabei ist der Datenschutz elementar wichtig.“ EU-Kandidatin hofft auf die Eurocops In Sachen Kriminalität hatte ihm schon im Vorfeld Verena Mertens Recht gegeben. Die Europakandidatin der CDU ist Leiterin der Kriminalpolizei in Paderborn. In einem kurzen Interview stellte der Engeraner CDU-Kreisvorsitzende Joachim Ebmeyer sie vor. Dabei erläuterte sie die Zusammenarbeit ihrer Behörde mit Beamten in anderen Ländern. &bdquo;Es gibt kaum Kriminalität, die nicht grenzüberschreitend ist.“ Daher müssten die Polizeien in Europa enger zusammenarbeiten. Sie hat auch schon einen Titel dafür parat: Die Eurocops. Und auch sie selbst habe von der Freiheit in Europa profitiert. &bdquo;Ich bin in einer Generation groß geworden, in der man reisen konnte. Das ist etwas Wunderbares.“ Sie habe einige Auslandsaufenthalte genossen und die Kultur und Lebensweise der Menschen in den jeweiligen Ländern kennengelernt. Diesen freiheitlichen Gedanken hatte bei seiner Begrüßung bereits Joachim Ebmeyer eingeführt. Und er zog sich durch alle Reden des CDU-Neujahrsempfang: &bdquo;Alle demokratischen Parteien sind gefordert, die Handlungsfähigkeit unserer Demokratie zu beweisen. Damit Toleranz, Respekt und Freiheit auch weiterhin das Fundament unserer Gesellschaft bilden. Dafür gibt es in diesem Land Gott sei Dank eine breite Allianz. Ich danke jedem, der sich Extremismus entgegenstellt und Flagge zeigt.“ Er kritisierte die aktuelle Politik der Bundesregierung. Sie sei &bdquo;zerstritten“ und regiere &bdquo;schlecht“. Es gibt fünf Ansätze für Lösungen Es gebe fünf Lösungsansätze für die aktuell unbefriedigende Lage: Zuerst gelte es, einen modernen Staat, der schneller, unbürokratischer und schlanker sei, zu schaffen. &bdquo;Unsere öffentlichen Haushalte fliegen uns um die Ohren. Wir dürfen die Politik und das Verwaltungshandeln nicht mehr an Förderfähigkeiten ausrichten. Punkt Zwei: In der Sozialhilfe muss wieder der Grundsatz von Fördern und Fordern gelten. Wer arbeiten kann, der soll auch arbeiten. Das sogenannte Bürgergeld ist gescheitert.“ Drittens: &bdquo;Wir wollen gute Bildung von Anfang an. Bildung ist der Garant für eine starke Gesellschaft.“ Viertens: &bdquo;Wir müssen ordnen und steuern und irreguläre Migration reduzieren. Wir brauchen eine ehrliche Debatte über unsere Möglichkeiten und dürfen Kommunen und die Bevölkerung nicht überfordern. Unserer humanitären Verpflichtung kommen wir in besonderer Weise nach. Dabei darf es aber nicht zu Fehlanreizen oder Missbrauch kommen.“ Mit Punkt fünf befasste sich dann Herbert Reul: Rechtsstaatlichkeit und kleine Schritte zum Erfolg

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