Loch in städtischer Finanzplanung: "Die Haushaltszahlen sind alarmierend"

Enger. Politische Kontroversen um Projekte, die die Fraktionen gern zusätzlich im Haushalt verankert sehen möchten, blieben in der Ratssitzung gänzlich aus. Der Grund: Dafür ist kein finanzieller Spielraum. Seit der Einbringung des Haushaltsentwurfs 2022 durch den Kämmerer im Februar hat sich die Finanzlage der Stadt Enger weiter verschlechtert. Nicht nur Corona reißt ein Loch in die Finanzplanung. Es gibt weitere Unwägbarkeiten. In den Fokus geriet auch der Kreis Herford. Alle Fraktionssprecher kritisierten die steigende Kreisumlage, die den Etat der Stadt zusätzlich belastet.Die Kreisumlage steigt nochmals gegenüber dem ersten Etatentwurf des Kämmerers um rund 500.000 Euro auf nunmehr beachtliche 11,1 Millionen Euro für das Jahr. Auch die Jugendamtsumlage klettert um mehr als 300.000 Euro auf jetzt knapp 7 Millionen Euro. Unterm Strich stehen im Haushalt der Stadt Enger Erträgen von rund 45,9 Millionen Euro Aufwendungen von rund 46,6 Millionen Euro gegenüber. Macht ein Minus von 700.000 Euro, das nur durch den Griff in die Rücklage ausgeglichen werden kann."Lage hat sich erheblich verschlechtert" Dazu kommen Mindereinnahmen von 2,9 Millionen Euro durch die Corona-Pandemie (Ausfälle bei Gewerbesteuer und Einkommensteuer). Das Land NRW gestattet den Kommunen, diese coronabedingten Einnahmeausfälle in der Bilanz zunächst zu isolieren. Aber: Ab 2025 belasten sie den städtischen Etat."Die Lage hat sich noch einmal erheblich verschlechtert", sagte SPD-Fraktionsvorsitzender Jörg Pultermann. Enger gebe nicht zu viel Geld aus. Eine Stadt müsse für Einwohner attraktiv sein. Hierzu gehöre ein gutes Bildungsangebot, eine funktionierende Infrastruktur und ein ordentliches Freizeit-, Kultur- und Sport-Angebot. "Hier zu sparen wäre der falsche Ansatz." Aber man wolle gemeinsam mit der Verwaltung nach strukturellen Einsparpotenzialen suchen.Pultermann kritisierte die Pflichtaufgaben, die zum Teil von Bund und Land auf die Kommunen übertragen würden, ohne dass entsprechende Finanzmittel überwiesen würden. Zudem steige die Kreisumlage in einem "nicht unbeachtlichen Ausmaß". Das zeige, Kommunen könnten als "letztes Glied" in der Kette bei wirtschaftlichen Eintrübungen schnell in Schieflage geraten. Der Kreis greife auf die Kommunen zurück, aber die Stadt könne nicht über eine "nachgelagerte Organisation" ihre Einnahmeseite verbessern."Doppelschlag ins Kontor" "Die Haushaltszahlen sind nicht nur alarmierend, sie sind dramatisch", bilanzierte CDU-Fraktionsvorsitzender René Siekmann. Der Angriffskrieg in der Ukraine und die damit zwangsläufig verbundene negative Wirtschaftsentwicklung führten zusammen mit den erheblichen finanziellen Auswirkungen der Corona-Pandemie zum berüchtigten "Doppelschlag ins Kontor". Das Defizit von aktuell nunmehr 700.000 Euro habe man der "dramatisch gestiegenen Kreisumlage" zu verdanken. "Die Kreisumlage war und ist ein Ärgernis." Trotz strikter Ausgabendisziplin sollten aber wichtige Zukunftsprojekte weiterhin verfolgt werden. Siekmann nannte unter anderem die Modernisierung der Engeraner Innenstadt, die Schaffung einer Außensportanlage und den Ausbau des Gymnasiums. Infrastruktur nicht schwächen Anstrengungen zur Haushaltskonsolidierung müssen auch nach Auffassung von Regina Schlüter-Ruff unternommen werden, aber ohne die Infrastruktur zu schwächen. Die Fraktionsvorsitzende der Grünen kritisierte wie ihre Vorredner das Delegieren von Aufgaben von Bund und Land an die Kommunen ohne entsprechende Finanzausstattung. Änderungen seien nicht in Sicht. Gleiches gelte für die ständige Erhöhung der Kreisumlage. Die Grünen würden Investitionen mittragen, wie beispielsweise in das Alltagsradwege-Konzept, in Schulen, in die energetische Sanierung der Straßenbeleuchtung, Projekte des ISEK sowie in die Entwicklung des Geländes am Sieler Weg/Lambernweg, wo ein neues Wohngebiet und zusätzliche Gewerbeflächen entstehen sollen. Viele dieser Maßnahmen könnten nur aufgrund einer Projektförderung durch Land oder Bund mit unterschiedlichen Eigenanteilsquoten umgesetzt werden. "Stattdessen wäre an vielen Stellen eine stetige Finanzierung mit weniger Bürokratie oft hilfreicher", sagt Schlüter-Ruff."Der Haushalt zeichnet ein düsteres Bild", sagt FDP-Fraktionsvorsitzender Norbert Busch. Nach der Vorschau werde das Defizit bis 2025 auf 3,3 Millionen Euro steigen. Auswirkungen des Ukraine-Kriegs sowohl bei den Aufwendungen für Flüchtlinge als auch auf die Einnahmen aus der Gewerbesteuer und Anteilen an der Einkommensteuer seien noch gar nicht absehbar. Weitere Risiken entstünden unter anderem durch höhere Energiekosten und steigende Baukosten. Die "separat zu verbuchenden Corona-bedingten Haushaltsbelastungen" würden sich bis 2024 auf voraussichtlich über 10 Millionen Euro aufaddieren. "Ein ,Weiter so' ist nicht möglich", betonte Busch und kündigte an: "Bevor wir Liberalen in der Zukunft möglichen Steuererhöhungen zustimmen, müssen erst wirkliche Einsparungen eingeleitet sein.""Das macht mir Sorge" "Die Probleme sind nicht hausgemacht", betonte Bürgermeister Thomas Meyer. Die Gründe lägen vielmehr in der unzureichenden finanziellen Ausstattung der Kommunen. Die wirtschaftlichen Folgen des Ukraine-Krieges könnten noch nicht abgeschätzt werden. "Das macht mir Sorge." Aufgabe bleibe es weiterhin, den Haushalt zu konsolidieren und "nicht den Kopf in den Sand zu stecken". Dennoch würden wichtige Aufgaben wie beispielsweise die WGE-Erweiterung oder die Digitalisierung der Schulen vorangetrieben. Trotz der finanziellen Belastungen würden im Haushalt 2022 die Steuern aber nicht erhöht. Letztlich stimmten alle vier Fraktionen für den Etatentwurf der Verwaltung.

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