Totale Katastrophe: Online einen Impftermin für die Eltern buchen

Enger/Spenge. Seit Montag können Über-80-Jährige in NRW einen Termin für die Corona-Impfung ausmachen. Die Kassenärztliche Vereinigung hat eine Telefon-Hotline unter (0800) 116 117 02 und eine Internetseite für die Online-Anmeldung eingerichtet. Allerdings: Die Hotline ist völlig überlastet. Es gibt kaum ein Durchkommen. Und das Online-Anmeldeverfahren? Die reinste Katastrophe, findet NW-Redakteurin Mareike Patock. Sie hat es für ihre Eltern ausprobiert. Ein Erfahrungsbericht nach einem nervenzehrenden Abend voller Klicks, Verifizierungs-PINs und Vermittlungscodes. Meine Mutter ist wirklich fit, was Technik angeht. Sie hat ein Smartphone, ein Laptop, verschickt Bilder und Videos per Whatsapp, geht online shoppen. Am Montagabend aber streicht sie die Segel. Den ganzen Tag über hat sie sich die Finger heiß getippt, um über die Hotline einen Impftermin für sich und meinen Vater zu organisieren. Vergeblich. Immer besetzt. Bleibt nur noch die Online-Anmeldung. "Ich brauch' da mal Hilfe" Am Montagabend gegen acht kommt dann ein etwas ratloser Anruf von ihr. "Ich brauch' da mal Hilfe", sagt sie. Ich werfe den Rechner an, suche die entsprechende Seite (www.116117.de) - und verstehe ziemlich bald ebenfalls nur noch Bahnhof. Über einen Link werde ich zunächst zum jeweiligen Bundesland und zur Online-Terminbuchung in Westfalen-Lippe und dem entsprechenden Impfzentrum geführt. Soweit, so klar. Noch jedenfalls. Dann wird es kryptisch Danach wird es kryptisch: "Wurde Ihr Anspruch auf eine Corona-Schutzimpfung bereits geprüft?", wird auf der Seite gefragt. Ich klicke auf "Ja". Immerhin haben meine Eltern ein Anschreiben bekommen, dass sie sich für die Impfung anmelden dürfen. Also wird ihr Anspruch wohl geprüft sein, denke ich. Falsch gedacht. Ein Fenster öffnet sich, ein Vermittlungscode wird gefordert. Aber wo finde ich den? Auf dem Anschreiben für meine Eltern steht der jedenfalls nicht. Ich lese es zwei, drei Mal durch - aber kein Vermittlungscode in Sicht. Auf der Suche nach den Vermittlungscodes Ich entdecke auf der Internetseite, dass ich den Code auch per Mail anfordern kann. Wenn's nicht anders geht - dann eben so, denke ich. Dafür muss ich aber erst noch den Anspruch meiner Eltern auf die Corona-Schutzimpfung prüfen lassen. Dafür gibt es einen weiteren Button. Ich klicke darauf. Die "Schnellprüfung" ist erfolgreich, wird mir kurz darauf angezeigt. Aber: Am Ziel bin ich noch immer nicht. Der Vermittlungscode ist nach wie vor in weiter Ferne. Denn jetzt will die Kassenärztliche Vereinigung erstmal noch eine E-Mail-Adresse und eine "Rufnummer zur SMS-Verifizierung". Ich gebe beides an. Eine sechsstellige PIN kommt nun per SMS auf mein Handy. Zehn Minuten ist der Code gültig. In einem weiteren Feld auf der Seite muss ich die PIN jetzt eingeben und bestätigen - dann sollen mir die Vermittlungscodes an meine Mailadresse geschickt werden. Immerhin: Das klappt. Können Sie noch folgen, liebe Leser? Nein? So ging es mir Montagabend auch. Zwei Termine ausmachen Den ersten Vermittlungscode brauche ich für die Anmeldung zur Erstimpfung, den zweiten Schlüssel für die Anmeldung für die zweite Impfung drei Wochen später. Beide Termine müssen direkt nacheinander ausgemacht werden. Ich tippe den ersten Vermittlungscode ein. Wenn ich ehrlich bin, rechne ich nicht damit, dass das System den Schlüssel tatsächlich akzeptiert. Aber: Es funktioniert. Ich bin drin. Ich kann's kaum glauben. Jetzt werden mir die noch verfügbaren Termine im Impfzentrum mit Datum und Uhrzeit angezeigt. Ich wähle einen aus, gebe die Daten meiner Mutter ein. "Der Termin ist ausgebucht." Ich wähle einen alternativen Termin. Das selbe Spiel - wieder und wieder. Zwischendurch ploppt auch mal ein Fenster mit dem Schriftzug "Slot ist nicht verfügbar" auf. In den Tisch beißen oder gleich ganz aufgeben? Zwischendurch bin ich nah dran, in den Tisch zu beißen. Oder es gleich ganz aufzustecken. Immer wieder ertappe ich mich bei dem Gedanken: "Das können die nicht ernst meinen!!" Und gleich im nächsten Moment frage ich mich: "Wie sollen Über-80-Jährige, die mit dem Internet vielleicht nicht vertraut sind, kein Handy und auch keine E-Mail-Adresse haben, mit so einem Verfahren klar kommen?" Die Antwort findet sich schnell: Gar nicht! Nach anderthalb Stunden - endlich - habe ich die Termine für die Erst- und Zweitimpfung meiner Mutter klar gemacht. Jetzt das gleiche Prozedere für meinen Vater. Das dürfte jetzt schneller gehen, denke ich. Immerhin weiß ich jetzt, was ich machen muss. Aber denkste. Die Technik streikt Ich fordere erneut Vermittlungscodes per Mail an - aber die kommen nicht. Ich warte und warte. Vergeblich. Vermutlich ist der Server überlastet. Mittlerweile ist es kurz vor zehn. Genervt fahre ich den Rechner runter. Anderthalb Stunden später schaue ich vorsichtshalber noch einmal in meine Mails. Und tatsächlich: Die Codes sind jetzt gerade da. Ich mache den Computer noch einmal an, durchlaufe noch einmal das ganze enervierende Verfahren - und kann es kaum glauben, als ich kurz vor Mitternacht tatsächlich die Impftermine für meine Eltern zusammen habe. Nach geschlagenen vier Stunden.

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