Nach Unfall im Rollstuhl: Lehrerin kommt nicht ins Bünder Musikschulgebäude

Bünde. Musikschulleiter Silas Jacob fasst sich in der jüngsten Sitzung des Schulausschusses im Rathaus kurz, um auf das vergangene Jahr zurückzublicken. Er leitete seinen Vortrag mit einer sehr unschönen Nachricht ein. Eine Musiklehrerin sei nach einem Unfall seit dem vergangenen Herbst auf einen Rollstuhl angewiesen. Als wäre das allein noch nicht schlimm genug, berichtete Jacob ferner, dass die Frau seitdem nicht mehr in dem Musikschulgebäude an der Amtshausstraße unterrichten könne. Der Grund: &bdquo;Es gibt für sie keine Möglichkeit, mit dem Rollstuhl ins Gebäude zu kommen“, sagte Silas Jacob vor den Ausschussmitgliedern. &bdquo;Barrierefreiheit ist eine Grundvoraussetzung für Inklusion. Wer also beispielsweise aufgrund seiner Behinderung ein Gebäude nicht betreten kann, ist in seinem Lebensalltag eingeschränkt“, so fasst es die Aktion Mensch zusammen, die sich seit Jahrzehnten für Menschen mit Behinderung und für Barrierefreiheit im öffentlichen Raum einsetzt. Für öffentlich zugängliche Gebäude gilt seit vielen Jahren eine barrierefreie Gestaltung als gesetzliche Grundlage für das Bauen. Allerdings unterscheidet der Gesetzgeber hier zwischen Bestandsbauten und Neu- bzw. Umbauten. &bdquo;Öffentlich zugängliche Gebäude müssen barrierefrei gestaltet werden, wenn sie neugebaut oder umgebaut werden oder sich ihre Nutzung ändert“, heißt es von der Agentur Barrierefrei NRW, die vom Ministerium für Arbeit, Gesundheit und Soziales NRW gefördert wird. Lesen Sie auch: Kernsaniert, aber nicht barrierefrei: Inklusive Politikgruppe testet neuen Bünder Bahnhof &bdquo;Dachten, wir brauchen keinen Bauantrag“ Der Grund, warum seit dem vergangenen Herbst noch keine Lösung für die Musiklehrerin gefunden wurde, ließ einige Ausschussmitglieder etwas ratlos zurück, denn die Frage, wie das bislang mit Musikschülern im Rollstuhl funktionierte, drängte sich geradezu auf. Oliver Uhlich (CDU) fragte in der Ausschusssitzung bei Silas Jacob nach, woran es in Sachen &bdquo;Barrierefreier Zugang zur Musikschule“ haken würde. Jacob antwortete: &bdquo;Das hat einerseits mit mehreren Mitarbeiterwechseln bei den Kommunalbetrieben zu tun. Allerdings nahmen wir auch an, dass wir für eine Rampe und einen Wanddurchbruch keinen Bauantrag benötigen würden. Dem hat das Bauamt allerdings widersprochen.“ Oliver Uhlich fand diesen Umstand &bdquo;sehr bedenklich“. Er sei bislang davon ausgegangen, dass die Musikschule bereits barrierefrei betreten werden könne. &bdquo;Denn es könnte ja durchaus auch mal Schüler geben, die darauf angewiesen sind“, so Uhlich weiter, der die Vertreter der Stadtverwaltung in der Sitzung aufforderte, die Bearbeitung des Bauantrags möglichst schnell umzusetzen. Dass die Musiklehrerin der Musikschule Bünde seit Herbst aber überhaupt wieder arbeiten kann, sei laut Silas Jacob der Realschule Bünde-Mitte und dem Freiherr-vom-Stein-Gymnasium zu verdanken, die der Musikschule Räume zur Verfügung stellen, in denen die Lehrerin unterrichten kann. Auch interessant: Seniorin beklagt Stolperfallen in der Stadt Bünde &bdquo;Unerwartete Herausforderungen bei alten Gebäuden“ Die Redaktion der NW hat am 18. März eine E-Mail an die Musikschule geschickt, die von dort an die Pressestelle der Stadt Bünde weitergeleitet wurde. Die Stadt Bünde erklärt mit Antwort vom 9. April: &bdquo;Das heutige Musikschulgebäude (früher Amtshaus Ennigloh) stammt aus dem Jahr 1902 und steht unter Denkmalschutz. Grundsätzlich ist das Gebäude derzeit nicht barrierefrei. In Einzelfällen konnten bisher immer individuelle Lösungen gefunden werden, um Personen mit eingeschränkter Mobilität einen Zugang zu ermöglichen. Es gibt bereits konkrete Pläne zur Herbeiführung einer Verbesserung der Zugangssituation zur Musikschule.“ Dass zwischen der Planung und der eigentlichen Umsetzung &bdquo;einige Zeit“ verstrichen sei, liege nicht an einer &bdquo;langen Bearbeitungsdauer der Baugenehmigungsbehörde oder der Unteren Denkmalbehörde“. &bdquo;Die Untere Denkmalbehörde der Stadt Bünde wurde zeitnah in die Pläne involviert. Die denkmalrechtliche Erlaubnis liegt seit Herbst 2024 vor. Der Bauantrag ist jetzt ebenfalls dem Bauordnungsamt zur Prüfung übermittelt worden“, teilt Stadtsprecherin Doris Greiner-Rietz mit. Weiter heißt es in der Stellungnahme: &bdquo;Hauptgründe für die Zeitverzögerung waren unter anderem verschiedene Personalwechsel bei den Kommunalbetrieben Bünde in dem dafür zuständigen Bereich. Beim Umbau eines alten Gebäudes stößt man oft auf unerwartete Herausforderungen, sodass ursprüngliche Pläne verworfen und neu gedacht werden müssen – auch das war hier der Fall und nahm mehr Zeit als erwartet in Anspruch. Die Kommunalbetriebe Bünde arbeiten daran, die geplanten Maßnahmen so schnell wie möglich umzusetzen.“ Neuer Zugang und ein Fahrstuhl Zu den Planungen schreibt Greiner-Rietz: &bdquo;Um zumindest das Erdgeschoss der Musikschule barrierefrei erreichen zu können, wird an der Stirnseite des Gebäudes eine Rampenanlage errichtet. Hierfür wird an der Stelle ebenfalls ein neuer Zugang zum Gebäude geschaffen. Ferner wird im Erdgeschoss ein barrierefreies WC entstehen. Für diese Dinge ist es notwendig, einen entsprechenden Bauantrag zu stellen. Mittelfristig soll die Barrierefreiheit der Musikschule durch einen Fahrstuhl sichergestellt werden.“ Aus dem Wirtschaftsplan der Kommunalbetriebe geht hervor, dass hierfür bereits 190.000 Euro für dieses und das kommende Jahr eingeplant sind. Einen konkreten Zeitplan für die Umsetzung nannte die Stadtsprecherin nicht. Die Inklusive Politikgruppe Bünde (IPG) hat die Musikschule mit dem Fokus auf Barrierefreiheit schon länger im Blick. Der Gruppe gehören Menschen mit Behinderung an, die über Koordinatoren ihre Anliegen in der Lokalpolitik vertreten. Ulrike Kowalewsky ist eine dieser Koordinatorinnen und hat im vergangenen Jahr in dieser Funktion an einem Gespräch in der Musikschule zum Thema Barrierefreiheit teilgenommen. &bdquo;Es besteht schon lange der Wunsch, dass auch Menschen mit Beeinträchtigung in der Musikschule an Musikprojekten teilnehmen können. Hinzu kam nun der Umstand, dass auch eine Lehrerin einen barrierefreien Zugang benötigt“, so Kowalewsky. &bdquo;Denkmalschutz macht es nicht leichter“ Bei diesem Gespräch, an dem auch KBB-Chefin Manuela Handke sowie KBB-Gebäudemanager Olaf Schürmeyer teilnahmen, habe laut Ulrike Kowalewsky Einvernehmen darüber bestanden, dass die Musikschule einen barrierefreien Zugang benötigt und weiterhin auch ein Behinderten-WC. Allerdings steht das Musikschulgebäude unter Denkmalschutz, was die Planung nicht leichter macht. Aus dem Wirtschaftsplan der KBB für das Jahr 2025 geht aber immerhin schon hervor, dass das städtische Unternehmen 40.000 Euro für dieses Jahr eingeplant hat, um eine Rampe und ein behindertengerechtes WC einzubauen. Weitere 150.000 Euro sind für 2026 für den Bau eines Aufzugs geplant. Hoffnung liegt auf dem neuen Schuljahr &bdquo;Die Inklusive Politikgruppe begrüßt die Bemühungen, den Zugang zur Musikschule barrierefrei umzubauen“, sagt Ulrike Kowalewsky. &bdquo;In den zurückliegenden Jahren hat die Politikgruppe aber gelernt, dass manche Vorhaben sehr lange dauern. Mal fehlt das Geld, mal fehlen die notwendigen Mitarbeitenden oder Verordnungen erschweren die Umsetzung von gewünschten Maßnahmen. Wir wundern uns daher nicht, dass bis jetzt noch keine Baustelle an der Musikschule eingerichtet wurde. Das bedauern wir natürlich sehr und wünschen uns, dass zu Beginn des neuen Schuljahres auch Menschen mit Beeinträchtigung die Musikschule barrierefrei besuchen können.“ Spätestens ab dann muss auch die Musiklehrerin im Rollstuhl mit ihren Schülern nicht mehr auf Räume im Freiherr-vom-Stein-Gymnasium oder in der Realschule Bünde-Mitte ausweichen, sondern darf wieder zurück an ihren eigentlichen Arbeitsplatz. 📱News direkt aufs Smartphone: Kostenloser WhatsApp-Kanal der NW Kreis Herford

Meistgelesen