Streit um Bebauungsplan in Bünde – Anwohner warnt vor vermeintlichen Strahlenrisiken

Bünde. Wir sind ständig, rund um die Uhr, umgeben von elektromagnetischen Feldern. Sei es vom Fernseher, dem Handy, der Kaffeemaschine oder sogar von unserer elektronischen Armbanduhr – Strahlung überall. Was aber bedeutet es, unter oder neben einer Starkstromleitung zu wohnen? Ein Bünder, der in der Nähe des Umspannwerks in Ennigloh wohnt, fragt sich, wie auf der Freifläche an der Gerhart-Hauptmann-Straße und der Wirtsheide ein Baugebiet entstehen darf, wo dort doch mitten drüber eine 110.000-Volt-Überlandleitung (110kV) verläuft. Ein Großteil der Stromleitungen in Deutschland ist frei verlegt und von Masten getragen. Auch diese Leitungen mit einer Spannung von bis zu 380.000 Volt (380 kV) umgibt ein elektromagnetisches Feld, das je nach Entfernung auch Einfluss auf das Wohlbefinden von Menschen haben kann. Kritiker beschwören, dass unter anderem von Stromleitungen ausgehender &bdquo;Elektrosmog“ krank machen könne. Für Neubauten gibt es Empfehlungen und gesetzliche Vorschriften, was die Abstände zu Hoch- und Höchstspannungsleitungen angeht. Die fallen in ihren Bewertungen naturgemäß aber unterschiedlich aus. Der Anrufer im Lesertelefon behauptet, dass eine Empfehlung vom Bundesamt für Strahlenschutz besage, dass zu Hochspannungsleitungen ein Abstand von 400 Metern zu Wohnbebauung empfohlen werde. &bdquo;Ich frage, warum dann ein so großes Wohngebiet direkt neben einem Umspannwerk und unter einer Starkstromleitung genehmigt werden kann“, sagte der Mann am NW-Lesertelefon. Zu beiden Seiten gibt es einen Sicherheitsabstand Wird in einer Kommune eine Fläche zum Baugebiet umgewidmet, werden in der Regel allerlei Stellen beteiligt. Für das Baugebiet an der Ecke Wirtsheide/Gerhart-Hauptmann-Straße gab die Westfalen Weser Netz GmbH als Betreiberin des Stromnetzes eine Stellungnahme zur Änderung des Flächennutzungsplans ab. Darin heißt es, dass die zwei Leitungen &bdquo;zu beiden Seiten des Leitungsmittelpunkts“ über einen Schutzstreifen von je 20 Metern verfügen würden. Eine der 110 kV-Leitungen verläuft vom Umspannwerk über die Straße &bdquo;Wirtsheide“ und das geplante Neubaugebiet hinweg in südliche Richtung. Die zweite Leitung tangiert in einem rechten Winkel das Baugebiet entlang der &bdquo;Wirtsheide“. Um einen direkten Sicherheitsabstand von mindestens fünf Metern zu den Leitungen zu halten, darf eine bestimmte Bauhöhe nicht überschritten werden. Unmittelbar neben den beiden Masten, die auf der Baufläche stehen, dürfen allenfalls Parkplätze entstehen. Das war es dann mit den Vorschriften. Vom Bundesamt für Strahlenschutz heißt es in Bezug auf rechtliche Grundlagen: &bdquo;Es gibt in Deutschland kein Gesetz, das einen Mindestabstand von Hochspannungsleitungen zu Wohngebäuden vorschreibt. Es gibt jedoch seit dem Jahr 2013 ein Überspannungsverbot von Gebäuden und Gebäudeteilen, die zum dauerhaften Aufenthalt von Menschen bestimmt sind. Dies betrifft den Neubau von Freileitungstrassen mit Wechselstrom, die eine Frequenz von 50 Hertz und eine Nennspannung von 220 Kilovolt oder mehr aufweisen.“ 400 Meter Abstand zu Gleichstrom-Leitungen Einen Abstand von 400 Metern kennt das Bundesamt für Strahlenschutz einerseits im Zusammenhang mit der Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung (ab etwa 150.000 Volt). So heißt es von der Behörde: &bdquo;Bei der Höchstspannungs-Gleichstrom-Übertragung sind bei einem Abstand zu Wohngebäuden von weniger als 400 Metern im Geltungsbereich eines Bebauungsplans (. . .) Erdkabelleitungen vorgesehen und Freileitungen – mit wenigen Ausnahmen – verboten.“ Spannungsstärke und Fließrichtung (Gleichstrom) treffen hier nicht auf die Leitungen über dem künftigen Baugebiet in Bünde zu, denn die transportieren Wechselstrom mit einer Spannung von 110.000 Volt. Außerdem geht es hier um die Planung von neuen Leitungen, nicht um die Planung von Wohnbaugebieten in der Nähe von Leitungen. Im vergangenen Jahr hat der Stadtrat grünes Licht für die Bebauung der etwa 2,1 Hektar großen Fläche gegeben. Ob ein Beginn der Erschließungsarbeiten in diesem Jahr erfolgen wird, ist noch nicht klar. Die Stadt Bünde verweist nach der NW-Anfrage zu möglichen oder nötigen Abständen an das zuständige Planungsbüro Hempel und Tacke in Bielefeld, an das die Anfrage weitergeleitet wurde. Dort beruft man sich auf den Landesentwicklungsplan und Regionalplan, in denen erst bei Stromtrassen mit 220.000 Volt und mehr von einem Mindestabstand von 400 Metern die Rede ist, der &bdquo;nach Möglichkeit eingehalten werden soll“. Nach Meinung der Planer handelt es sich hier aber um einen planungsrechtlichen Abstand, der darauf abzielt, die Stromtrassen für einen möglicherweise späteren Ausbau zu sichern. Doch auch diese Vorgabe bezieht die Leitung in Ennigloh aufgrund ihrer geringeren Spannung von nur 110.000 Volt nicht mit ein. Mit Blick auf die gesundheitlichen Aspekte schreibt auch das Bundesamt für Strahlenschutz: &bdquo;Mit jedem Meter Abstand zu den Hochspannungsleitungen werden die dazugehörigen elektrischen und magnetischen Felder sehr schnell deutlich schwächer. Auch im Haushalt erzeugen Leitungen und Geräte elektrische und magnetische Felder. Diese haben üblicherweise einen deutlich größeren Anteil an der Gesamtexposition eines Menschen – also der Art und Weise, wie Menschen elektrischen und magnetischen Feldern ausgesetzt sind.“ Das gelte umso mehr, je weiter die Hochspannungsleitungen von Häusern entfernt seien. Bedenken vonseiten der Ausschuss- oder Ratsmitglieder, den Planern und Architekten wie auch von genehmigenden Behörden in Stadt und Land bestehen für das Baugebiet an der Ecke Wirtsheide/Gerhart-Hauptmann-Straße jedenfalls nicht.

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