25 Jahre voller Würde: Palliativstation in Bünde feiert besonderes Jubiläum

Bünde. Leiden lindern und die Lebensqualität verbessern. Unter dieser einfachen Formel lässt sich der Grundgedanke der Palliativmedizin zusammenfassen. Doch die Arbeit mit Patienten mit einer &bdquo;lebensbegrenzenden Erkrankung“ ist etwas ganz Besonderes – ebenso wie diejenigen, die sich dafür entscheiden. 1999 ging die Palliativstation im Lukas-Krankenhaus an den Start und zeigt seitdem mit unzähligen Beispielen, dass sie kein Ort zum Sterben ist – im Gegenteil. Wer glaubt, auf einer Palliativstation geht es ausgesprochen ruhig, bedrückend und traurig zu, der irrt gewaltig. Es wird gelacht, es wird gescherzt, die Patienten sind – soweit möglich – aktiv. Sie malen in Kunstkursen, sie singen, erhalten Klangschalentherapie und sie feiern sogar Geburtstage zusammen – kürzlich erst den sechsten Geburtstag des Kindes einer Patientin der Station. Acht Menschen kann die Palliativstation im Bünder Lukas-Krankenhaus aufnehmen – mit sechs Betten ist das Haus vor 25 Jahren gestartet. Am Freitag, 15. November, war die Station im Altbau des Bünder Krankenhauses in der Zeit von 10 bis 12 Uhr gut besucht. Zum Jubiläum informierte das Team wie auch die Hospizgruppe Interessierte über die Angebote. Doch so recht vorstellen, was auf dieser landläufig und aus Unwissenheit als &bdquo;Sterbestation“ bezeichneten Palliativstation gemacht wird, können sich viele Menschen nicht. Politik konnte mit dieser Art von Medizin wenig anfangen Um das zu verstehen, ist vielleicht ein Sprung zurück in die 1990er Jahre nötig. Das Lukas-Krankenhaus ist ein konfessionelles Krankenhaus mit einer Tradition, die ins 19. Jahrhundert zurückgeht. Das traditionelle Verständnis evangelischer Krankenhausarbeit gab im Lukas-Krankenhaus den Impuls, sich 1996 mit der Fragestellung des Aufbaus einer Arbeitsgemeinschaft Sterbebegleitung und der Gründung einer Hospizgruppe zu befassen. Die drei Jahre später aufgebaute Palliativstation sollte ein Versorgungsschwerpunkt für Patienten mit Beschwerden bei einer fortgeschrittenen, nicht heilbaren Erkrankung und begrenzter Lebenserwartung sein, die medizinische, pflegerische und seelsorgerische Betreuung benötigen. Lesen Sie auch: Das Lukas-Krankenhaus in Bünde hat eine neue Chefärztin Doch anfangs konnte man in der Politik mit dieser Art der Medizin nicht so recht etwas anfangen und noch heute gebe es zynische Bemerkungen, wie &bdquo;was macht ihr da auf der Palliativstation eigentlich den ganzen Tag?“, sagt Medizinerin Petra Küpper-Weyland, die seit fast 18 Jahren die Station mit Hingabe leitet. Bürgerinnen und Bürger unterstützten die Palliativstation Die Aufnahme in den Krankenhausplan NRW dauerte damals nach der Eröffnung fast erwartungsgemäß weitere fünf Jahre. Doch ließ man sich im Lukas-Krankenhaus nicht davon abbringen, an der Idee festzuhalten. Es gelang, das Projekt der Palliativstation so bekannt zu machen, dass viele Bürgerinnen und Bürger sich dieses Anliegen zu eigen machten und das Lukas-Krankenhaus bei der Verwirklichung sozusagen als informelle Bürgerinitiative mit viel Zuspruch, Unterstützung und Hilfestellung auf dem langen Weg zur Anerkennung begleiteten. &bdquo;Unsere Vision der Palliativstation wäre nicht verwirklicht worden, wenn nicht viele hervorragende Persönlichkeiten und Mitarbeiter daran festgehalten hätten“, sagte einmal der einstige Vorstandsvorsitzende des Lukas-Krankenhauses, Wolfgang Rediker im Gespräch mit der NW. Auch heute sei die Nachfrage weiterhin ungebrochen Und wie groß die Nachfrage in Bünde schon in der Anfangszeit gewesen ist, zeigen Zahlen, die in den ersten zehn Jahren der Palliativstation erhoben worden waren. Bis Ende 2009 wurden 2.111 Patienten stationär betreut. Der jüngste Patient war 29 Jahre alt, der älteste 96 Jahre. Das Durchschnittsalter der Patienten lag bis dahin bei 62 Jahren. Die stationäre Behandlung dauerte durchschnittlich 10,6 Tage. Die Auslastung der Palliativstation war mit 83 Prozent außerordentlich hoch. Auch jetzt, beim 25-jährigen Bestehen, ist die Nachfrage ungebrochen. &bdquo;Eigentlich wollten wir den Besuchern heute ein Zimmer präsentieren, aber bei uns ist kein Zimmer lange frei“, sagt Bettina Bobe, die Stationsschwester. &bdquo;Wir haben eine Warteliste“. Und es sei längst nicht so, dass ein Patient die Station erst wieder nach seinem Tod verlässt. Bobe ist seit 36 Jahren Krankenschwester – 17 davon arbeitet sie auf der Palliativstation und hat dort den Kern ihrer Berufung gefunden. &bdquo;Die Arbeit hier ist nicht besser oder leichter oder auch anstrengender – sie ist anders“, sagt Bettina Bobe. Oberstes Ziel der Palliativstation: Lebensqualität erhalten Es gebe zwar weniger Untersuchungen für die Patienten als auf einer klassischen Station, in der das oberste Ziel ist, einen Patienten als gesund zu entlassen. &bdquo;Dieses Ziel haben wir hier natürlich nicht. Wir haben hier tagtäglich viele kleine Ziele, aber das oberste Ziel ist, die Lebensqualität unserer Patienten zu erhalten – bis zum Schluss“, sagt Bettina Bobe. Lesen Sie auch: Sterben in der Krise: Palliativmedizin nimmt Patienten Angst und Atemnot Manche Patienten mit einer unheilbaren Erkrankung werden auch mehr als einmal stationär aufgenommen. &bdquo;Wir kennen einige Patienten schon seit ein paar Jahren“, sagt Internistin und Hämatoonkologin Petra Küpper-Weyland, die vor 18 Jahren vom Franziskus-Hospital in Bielefeld auf die Palliativstation nach Bünde gewechselt ist. Sie hatte schon zu Bielefelder Zeiten viel mit Krebspatienten in ihrem letzten Lebensstadium zu tun und merkte, dass sie den Patienten gern mehr geben wollte. Da schien der Weg zur Palliativmedizin der richtige zu sein – und sie bereut ihn bis heute nicht. &bdquo;Es sind nicht mehr nur Krebspatienten auf der Station“ Dass der Bedarf an Palliativplätzen gestiegen ist, verbindet Küpper-Weyland auch mit dem Umstand, dass sich die Palliativmedizin längst nicht mehr nur mit Krebspatienten beschäftigt, wie es noch vor Jahren der Fall war. &bdquo;Es gibt andere Krankheiten, bei denen die Prognosen für die Patienten sehr viel schlechter sind als bei Krebs“, sagt die Stationsärztin und nennt Parkinson oder verschiedene Herz- und Lungenerkrankungen als Beispiele. &bdquo;Wir werden mittlerweile sehr viel früher hinzugezogen, wenn bei einem Menschen eine unheilbare Krankheit diagnostiziert wird“, sagt die Medizinerin. Im Mittelpunkt der Arbeit auf der Palliativstation steht zwar der kranke Patient mit einer begrenzten Lebenszeit, doch auch dessen gesamte Familie wird mit einbezogen. Und auch nachdem der Angehörige verstorben ist, kümmert sich das Team zusammen mit der Hospizgruppe um die Trauerbegleitung. Palliativstation der Kreiskliniken soll erweitert werden Im Kreis Herford gibt es insgesamt 18 stationäre Palliativplätze – acht in Bünde und zehn im Klinikum Herford. Das könnte sich in nicht allzu ferner Zukunft ändern, denn im April haben die Kreiskliniken Herford-Bünde – der Zusammenschluss beider Häuser – einen Förderantrag an das Land gestellt, die Palliativstation zu erweitern. Den Verantwortlichen schweben acht zusätzliche Betten vor, die sich im Lukas-Krankenhaus auf derselben Geschoss-Ebene befinden sollen. Mit einem Bescheid wird in den nächsten Monaten gerechnet. Aber bis dahin wird auf der Palliativstation im Lukas-Krankenhaus noch so manches Mal gelacht, geweint, gescherzt und auch das Leben gefeiert.

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