Emotionaler Ausnahmezustand: Bünderin holt Oma auf Klostuhl aus dem Krankenhaus

Bünde. Ein Streit in der Familie endete jetzt im Gerichtssaal des Bünder Amtsgerichts. Eine 54-jährige Frau aus Bünde musste sich jüngst wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte, tätlichen Angriffs auf Polizisten und versuchter Körperverletzung gegen Polizisten verantworten. Wie sich herausstellte, war Folgendes passiert: Im März vergangenen Jahres hat die Bünderin ihre Großmutter, die sich zu dem Zeitpunkt in einem lethargischen Zustand befand, mit einem Toilettenstuhl aus dem Lukas-Krankenhaus befördert, um sie mit nach Hause zu nehmen. Dabei war ihre 97-jährige Großmutter nur mit einem Nachthemd bekleidet und auf medizinische Versorgung angewiesen. Weil sich der Zustand der alten Dame während der Aktion offenbar verschlechterte, haben hinzugerufene Polizeibeamte in die Situation eingegriffen. Als sie versuchten, die 97-jährige Frau von der Rückbank des Autos der Angeklagten zu hieven und wieder ins Krankenhaus zu bringen, wehrte sich die Bünderin. Tritte und Schläge in Richtung des Beamten Als einer der Beamten die Angeklagte schließlich zu Boden gebracht hatte, soll sie laut Anklage in seine Richtung geschlagen und getreten haben. Außerdem soll sie ihm die Brille vom Kopf gerissen und gedroht haben, diese &bdquo;zu zerquetschen“. Letzteres gestand die Angeklagte vor Gericht. So habe sie sich gegen den Beamten wehren wollen. &bdquo;Aber die Situation ist doch nicht vom Himmel gefallen“, entgegnete der Staatsanwalt der Angeklagten im Gerichtssaal. &bdquo;Die Beamten haben sehr lange versucht, mit Ihnen zu reden, aber das hat ja nicht geklappt.“ Die Angeklagte schilderte hingegen aufgelöst, wie es aus ihrer Sicht zu diesen Ereignissen gekommen war. &bdquo;Meine Tante hat immer meine Oma gepflegt“, begann sie ihre Aussage. Schluchzend im Gerichtssaal Rund zwei Wochen vor besagtem Vorfall wurde die Großmutter der Bünderin dann stationär im Lukas-Krankenhaus behandelt. Für die Angeklagte kam der Aufenthalt überraschend, ihre Tante hatte ihr offenbar nichts davon erzählt. Sie habe durch einen Anruf aus dem Krankenhaus davon erfahren. Am Tag der Ereignisse, habe ihr nach eigener Aussage ein behandelnder Arzt mitgeteilt, dass der Zustand ihrer Großmutter gut sei und sie noch am selben Tag aus dem Krankenhaus entlassen werden kann. Als sie sich daraufhin um die Entlassung kümmerte, seien zwei Frauen im Krankenhaus auf sie zugekommen. &bdquo;Die haben gesagt: ’Du bekommst deine Oma nicht. Wir suchen für sie ein Altenheim’“, erzählte die Angeklagte schluchzend vor Gericht. Wer diese Frauen waren, sagte die Angeklagte nicht. &bdquo;Meine Oma hat gesagt, sie will nach Hause. Ich bin die älteste Enkelin, ich musste mich doch kümmern.“ Klostuhl als Alternative zum Rollstuhl Weil sie sich laut eigener Aussage nicht anders zu helfen wusste, habe sie ihre Großmutter schließlich auf den Toilettenstuhl gesetzt und zum Auto gebracht. &bdquo;Es war kein Rollstuhl da“, erklärte sie die ungewöhnliche Wahl des Transportmittels. Offenbar habe sich nach den Vorfällen herausgestellt, dass ihre Tante veranlasst hatte, die 97-jährige Frau in einem Altenheim unterzubringen. Die Bünderin habe davon nichts gewusst und deswegen nicht verstanden, wieso sie ihre Großmutter nicht mitnehmen durfte. Die Richterin versuchte der aufgelösten 54-Jährigen klarzumachen, wieso sie ihre Großmutter in dem Zustand nicht aus dem Krankenhaus hätte holen dürfen. Sie verstehe, dass sie aufgrund der Emotionalität in der Situation nicht zugänglich war. &bdquo;Das ist aber kein Grund, Polizisten, die versuchen, Ihre Oma zu schützen, anzugreifen“, sagte sie zu der Angeklagten. Geldstrafe wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte Da die Bünderin allerdings abstritt, in Richtung des Beamten geschlagen und getreten zu haben und keine Zeugen zum Verhandlungstermin geladen waren, einigten sich Richterin, Staatsanwalt und Verteidiger darauf, die Vorwürfe des tätlichen Angriffs und versuchter Körperverletzung fallen zu lassen. &bdquo;Ich berücksichtige ihren emotionalen Ausnahmezustand“, sagte die Richterin bei der Urteilsverkündung und verurteilte die Angeklagte schließlich wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte zu einer Geldstrafe von insgesamt 1.200 Euro. Die muss die 54-Jährige in 60 Tagessätzen à 20 Euro begleichen.

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