Wo Jesus an der Garderobe hängt

Bünde. Nanu! Was macht denn der Weihnachtsschmuck hier oben? Wieso steht und hängt der nicht schon längst unten in der Kirche? Immerhin haben wir am Sonntag den 2. Advent gefeiert. Kurt Haubrok zuckt mit den Schultern. Die erste Publikumsveranstaltung, so der ehemalige Vorsitzende des Fördervereins zur Erhaltung der Pauluskirche, lasse ja noch ein Weilchen auf sich warten - wenn überhaupt etwas stattfinde. "Das weiß man ja in diesen Zeiten nie", sagt er. Für wen sollte man also jetzt schon schmücken? Auch wieder wahr. Und so kommt es, dass Lichterkette & Co. in der Pauluskirche auch mitten im Dezember noch ein unbeachtetes Dasein in der Abstellkammer fristen. Abstellkammer? Rüdiger Steinmeier vom Verein möchte das so nicht stehen lassen. "Das ist das Turmzimmer - und das sah hier mal ganz anders aus", betont er. Die kleine Kammer sei einst gut eingerichtet gewesen. Und wofür wurde sie gebaut? Vermutlich für das, wofür sie auch jahrzehntelang benutzt wurde: "Wenn Konzerte stattfanden, haben sich die Sänger und Solisten hier für ihre Auftritte eingesungen und eingestimmt", erzählt Steinmeier. Zuweilen passiere das auch heute noch, allerdings, so räumt er ein, habe das Zimmer mittlerweile tatsächlich eher den Charakter einer Abstellkammer. Irgendwo müssten die Sachen ja hin, und bevor man alles auf den zugigen und ungeheizten Speicher schleppe.... Weihnachtsdeko macht allerdings nur einen kleinen Teil der Gegenstände aus, die hier stehen und liegen. Ins Auge sticht beim Eintreten vor allem eine Figur aus Pappmaché, über die von unten nach oben der Schriftzug "Von wegen" verläuft. Ein Relikt aus jener Zeit, als man sich im Zuge der ersten Ausstellung des Fördervereins noch gegen die Schließung der Pauluskirche zur Wehr setzen musste. Wer die Frau mit der stolzen Haltung und dem flatternden Schal seinerzeit gemacht hat, daran können sich die beiden Vereinsveteranen nicht mehr genau erinnern. War es eine Schülergruppe? Oder eine Künstlerin? Nichts Genaues weiß man nicht (mehr). Aber wegschmeißen könne man so etwas nicht, da sind sich Steinmeier und Haubrok einig. Auch die Taubenkleckse haben ihre Geschichte Selbiges gilt für den alten Radiator in der Ecke, für den Holzhocker, für die alten Lampen, für Noten- und Mikroständer und für die zwei Adventskranz-Rohlinge auf einer Sitzbank. Und vor allem für die zahllosen Pappfische aus Kinderhand, die hier vor etwa zehn Jahren in quer durch das Kirchenschiff gespannten Laubnetzen zappelten. Zu welchem Anlass? Steinmeier und Haubrok sehen sich an. Zu viele Veranstaltungen hat es in der Vergangenheit gegeben, zu viele andere Dinge rund um das Gotteshaus habe man bedenken müssen, als dass man sich jetzt noch an alles erinnern könnte. Aber auch hier gilt: Zu schade zum Wegwerfen. "Vielleicht brauchen wir die Fische ja noch mal - und dann freuen sich die Leute, wenn sie ihre alten Basteleien wiederentdecken", sagt Kurt Haubrok. Selbst zu der Vogelschiete, die hier an einigen Stellen den Boden bedeckt, gibt's eine kleine Geschichte. "Da hat sich mal eine Taube in der Kirche verirrt und kam nicht wieder heraus", erzählt Jürgen Steinmeier. Wochenlang sei sie eingesperrt gewesen und habe sämtliche Räumlichkeiten erkundet - weiß Gott, wovon sich der Vogel in dieser Zeit ernährt habe. Irgendetwas muss er aber gefunden haben, sonst hätte er nicht so viel ... na ja ... nach einiger Zeit, so die beiden, habe man das gute Tier jedenfalls doch noch in die Freiheit entlassen können. Der Pfarrer aus dem Schwabenland Kurt Haubrok wirft einen Blick in die Schrankwand. Ein paar Gartenfackeln liegen dort im unteren Bereich. Und auch besagte Laubnetze, in denen einst die Pappfische hingen. Weiter oben stapeln sich Aktenordner mit Papieren zur Vereinsarbeit. "Da kommt im Laufe der Jahre so einiges zusammen", sagt Haubrok. Der Großteil an Dokumenten liege allerdings bei ihm zuhause. Haubrok macht die Tür wieder zu. Papierkrams - nichts, womit man sich jetzt beschäftigen möchte. Und was bitteschön ist das? Erst beim Hinausgehen fällt der Blick auf die Garderobenhaken neben der Tür. Oder besser gesagt: Auf das, was daran aufgehängt ist. "Das ist das Kruzifix aus dem Arbeitszimmer meines Schwiegervaters - der war Pfarrer im Schwabenland", sagt Steinmeier und legt kurz seine Hand auf das große hölzerne Kreuz mit dem leidenden Christus. Jesus am Garderobenhaken - eine ganz gewöhnliche Abstellkammer ist das hier tatsächlich nicht.

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