Zehnmal so viele Besucher: Sind Bünder Pfarrer vor dem Weihnachtsgottesdienst nervös?

Bünde. Drei Gottesdienste hat Rainer Wilmer, Pfarrer der Lydia-Gemeinde, an Heiligabend auf dem Programm: einen um 15 Uhr in der Arche-Noah-Kirche, einen um 16 und einen um 23 Uhr – jeweils in der Pauluskirche. Seit 1. Dezember 2000 ist der heute 60-Jährige als Pfarrer in Bünde. &bdquo;Das wird jetzt mein 25. Weihnachten hier“, stellt er – selbst etwas erstaunt – fest. &bdquo;Ist ja eine Art Silber-Jubiläum.“ Dass die Zahlen der Gottesdienstbesucher insgesamt rückläufig sind, ist kein Geheimnis. In Bünde sehe es in der Regel sogar noch ganz gut aus, sagt Wilmer. &bdquo;Gut 90 Menschen waren kürzlich am Sonntag in St. Laurentius.“ Dem Pfarrer ist jedoch bewusst: &bdquo;Von den Leuten, die sonntags in die Kirche gehen, weil Sonntag ist, habe ich viele beerdigt.“ Auch wenn die Kirche an einem normalen Sonntag einmal recht gut besucht ist, ist das natürlich kein Vergleich zu den Gottesdiensten an Heiligabend. &bdquo;Letztes Jahr hatten wir im 16-Uhr-Gottesdienst in der Pauluskirche 850 Besucher. Das ist schon etwas ganz Besonderes“, so Wilmer. Für die Predigt: Fortbildung bei einem Schauspieler Ein bisschen sei es schon wie ein Auftritt – und zu Weihnachten eben vor einem größeren Publikum. Alle Augen seien auf einen gerichtet. Nicht ohne Grund habe er vor Jahrzehnten mal eine Fortbildung für Pfarrer besucht, die ein Schauspieler geleitet habe, erzählt Wilmer. &bdquo;Und der hat damals, bevor wir alle eine Predigt zur Übung vorbereiten und halten sollten, zu mir gesagt: ,So, und bevor du anfängst, gibst du mir jetzt mal deinen Zettel.’ – ,Aber ich kann das nicht auswendig’, habe ich gesagt. Er meinte, das würde ich schon hinbekommen. Und so war es.“ Seitdem schreibe er sich lediglich Stichworte vor einem Gottesdienst auf. &bdquo;So kann ich viel freier sprechen und bin damit näher an den Menschen dran.“ Nah dran zu sein, das ist dem evangelischen Pfarrer besonders wichtig. &bdquo;Ich gehe für die Predigt nicht auf die Kanzel. Die ist in der Pauluskirche besonders hoch und direkt über den ersten Reihen der Kirchenbänke platziert. Da kriegen die, die vorne sitzen, schnell Nackenstarre.“ Und er wolle auch nicht, dass die Menschen sich &bdquo;abgekanzelt“ fühlten. Vielmehr will er mit ihnen auf Augenhöhe sein und ihnen positive Impulse mitgeben. Lesen Sie auch: Die lustigsten Fakten zum Weihnachtsfest Sehr zeitige und spezielle Vorbereitung Die Messe ist natürlich auch für den katholischen Pfarrer Wolfgang Sudkamp der zentrale Bestandteil des Heiligabends. Nervös machten ihn diese Auftritte in der pickepackevollen St.-Josef-Kirche aber schon lange nicht mehr. &bdquo;Der Gottesdienst an Heiligabend folgt ja auch dem gleichen Ablauf wie ein Gottesdienst an einem normalen Sonntag“, so der 65-Jährige. Gründonnerstag, Karfreitag und Ostern hätten es da schon mehr in sich, &bdquo;weil da auch die Liturgie ganz anders ist“, erklärt er. Abgesehen von der großen Routine ist es bei Wolfgang Sudkamp auch die sehr zeitige und spezielle Vorbereitung, die ihm jegliche Heiligabend-Nervosität nimmt: Seine Predigten, so verrät er, bereite er schon seit vielen Jahren &bdquo;antizyklisch“ vor. Will heißen: &bdquo;Oft schreibe ich die Texte schon im Sommer, weil da weniger zu tun ist. Dann lasse ich im ganzen Haus die Jalousien herunter, mache das Weihnachtsoratorium von Bach an und lege los.“ Wenn er dann so richtig in die Thematik eintauche und &bdquo;in Fahrt“ sei, komme es durchaus vor, dass er die Nächte nahezu durcharbeite und Weihnachtstexte sogar gleich für mehrere Jahre im Voraus schreibe. Als wolle er das Gesagte beweisen, geht Sudkamp in seiner Wohnung nach oben und kommt zwei Minuten später mit einer dicken Mappe zurück. &bdquo;Hier ist nicht nur die Heiligabend-Predigt für 2024 drin, sondern auch schon die für 2025 und 2026“, sagt er und zieht ein paar beschriebene DIN-A4-Seiten heraus. Tatsächlich. Kartoffelsalat und Würstchen in der Sakristei Und was erwartet die Messebesucher in diesem Jahr? &bdquo;Da muss ich erst mal selber nachschauen“, sagt Sudkamp mit einer Gelassenheit, die ein paar Tage vor Heiligabend schon ziemlich bemerkenswert ist. &bdquo;Der Weihnachtsfrieden von 1914“, sagt er nach kurzer Suche. Mit einem gewissen Staunen und mit Blick auf die vielen aktuellen Konflikte auf Erden fügt er hinzu: &bdquo;Ja guck mal, da bin ich ja richtig aktuell in diesem Jahr.“ Sollte das in einem Jahr mal nicht der Fall sein, behalte er es sich natürlich vor, flexibel zu reagieren und Texte anzupassen. Eine Ansage, für die es keine vorformulierten Texte braucht, hat Sudkamp am 24. Dezember meistens auch noch parat – und zwar für die vielen Heiligabend-Kirchgänger, die sich sonst nie im Gotteshaus blicken lassen: &bdquo;Denen wünsche ich dann auch schon mal Frohe Ostern und einen schönen Sommer im Voraus – und verabschiede mich bis nächstes Jahr Weihnachten. So eine kleine Spitze kann ich mir halt manchmal nicht verkneifen“, erzählt er und lacht. Wenn er dann spät abends nach Hause geht, ist der Heilige Abend für Wolfgang Sudkamp auch schon so gut wie vorbei. &bdquo;Abendbrot esse ich ja schon in der Sakristei – zwischen dem frühen und dem späten Gottesdienst. Immer Heißwürstchen mit Kartoffelsalat. Mache ich mir selber.“ Daheim trinke er vielleicht noch ein Gläschen und schalte noch mal kurz den Fernseher ein. &bdquo;Irgendeinen Gottesdienst.“ Und dann ist die Messe auch schon gelesen. Lesen Sie auch: Weihnachtsessen-Umfrage: Gans liegt nur auf Platz drei

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