Gericht spricht mutmaßlichen Holocaust-Leugner in fast allen Punkten frei

Bünde. Vor dem Bünder Amtsgericht hat sich am Montagmorgen ein Bünder verantworten müssen, der wegen Volksverhetzung angeklagt wurde. Dem 43-jährigen wurde vorgeworfen, die Taten der Nationalsozialisten relativiert- und beschönigt zu haben. Diskutiert wurde im Prozess vor allem die Frage, wie weit Meinungsfreiheit gehen darf. Insgesamt vier Anklagepunkte musste der Angeklagte sich stellen. In zahlreichen Facebook-Posts soll er laut der anwesenden Staatsanwältin Inhalte geteilt haben, die ethnische und religiöse Minderheiten, darunter Juden, beschimpfen und verleumden. Unter anderem hatte er Bilder von Wehrmachtsmitgliedern und der Waffen-SS hochgeladen und einen Leserbrief aus dem Jahr 1982 geteilt, dessen Inhalt den Holocaust leugnet und die tatsächliche Anzahl der verfolgten Juden auf ein Minimum reduziert. Auch wurde in besagtem Beitrag sämtlichen Juden die Fähigkeit zur Vernunft abgesprochen. Die Anklagepunkte In einem weiteren geteilten Beitrag soll er das Bild einer israelischen Flagge samt Antlitz des ehemaligen Ministerpräsidenten und Nobelpreisträger Menachem Begin veröffentlicht haben. Auf dem Foto war ein Zitat zu sehen, in dem Begriffe wie "Herrenrasse", "minderwertige Rassen" und "Sklaven" fallen. Wie die Staatsanwaltschaft mitteilte, soll dieses Zitat seit Jahren im Internet als sogenannte "Fake News", also als Falschbehauptung kursieren. Der Angeklagte habe mit dieser Darstellung bewusst Hass und Ablehnung gegen Juden schüren wollen. In einem anderen Beitrag, den der Angeklagte teilte, kopierte er ein Zitat von der Holocaust-Leugnerin Ursula Haverbeck aus Vlotho. Die rechtsextremistische Aktivistin hatte bereits eine Freiheitsstrafe in der JVA Bielefeld abgesessen. Auch sie wurde wegen Volksverhetzung angeklagt. Als vierter Anklagepunkt gilt eine Diskussion unter einem Beitrag, in der der Angeklagte laut Staatsanwaltschaft charakterliche Zuschreibungen über bestimmte Nationalitäten getroffen hat. Angeklagte beteuert Unwissenheit Der Angeklagte schwieg während des Prozesses zu den Vorwürfen und ließ seinen Anwalt sprechen. Der teilte mit, dass der Bünder die Beiträge lediglich geteilt habe, weil er überrascht war, dass diese in den Medien veröffentlicht wurden. Auch habe er nicht gewusst, dass es sich bei dem "Herrenrassen-Zitat" von Begin um eine Falschnachricht handele, weil es seit Jahren im Netz verbreitet werde. "Der Mandant hat sich nicht den Aufwand gemacht, die Quelle zu überprüfen", so der Rechtsanwalt. Im Nachhinein habe der Bünder zugegeben, dass er solche Inhalte zum heutigen Zeitpunkt nicht noch einmal verbreiten würde und dass sein Verhalten blauäugig gewesen sei. Außerdem habe sein Mandant nicht selbst Inhalte verbreitet, sondern sich lediglich an Zitaten von anderen Quellen bedient. Somit liege keine strafrechtliche Relevanz vor. Der Tatbestand der Volksverhetzung könne somit nicht erfüllt werden. Bünder gilt als Ersttäter Die Staatsanwaltschaft kam in ihrem Schlussplädoyer ebenfalls zu dem Fazit, dass keine strafrechtliche Relevanz vorliege. Bis auf eine Abweichung sah das auch der Richter ähnlich. Doch im Fall der Anzahl der verfolgten und ermordeten Juden, die der Angeklagte durch seinen Beitrag relativiert hat, wurde er wegen quantitativer Leugnung verurteilt. Außerdem fiel ihm zu Last, dass er die Beiträge unkommentiert verbreitet hatte und eine Überraschung über ihren Inhalt auch aufgrund seiner Gesinnung unwahrscheinlich erschien. Während einer Haus-Durchsuchung im vergangenen Jahr hatte die Polizei mehrere Sportwaffen und Hakenkreuz-Bekleidung in seiner Wohnung gefunden. Weil der Bünder als Ersttäter gilt, muss der 43-Jährige nun eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen je 60 Euro, also einen Gesamtbetrag von 1.800 Euro abstottern.

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