Hochwasseropfer fühlen sich von Stadt und Versicherungen allein gelassen

Bünde. Die Wut in den Stimmen der etwa 20 Bürger, die sich am Samstagmorgen in Hunnebrock trafen, war deutlich herauszuhören. Sie erlitten nach dem Starkregen am frühen Abend des 5. Juni Schäden, die im Einzelfall überwiegend mehrere Zehntausend Euro betragen. In einigen Häusern laufen seit drei Monaten permanent Trocknungsgeräte – zum Teil mit mäßigem Erfolg. Einer Familie droht sogar der vorübergehende Auszug, weil die Nässe weit in die Wände hochgekrochen ist. Einigen bricht die Stimme, als sie von ihren momentanen Lebensumständen berichten. Wut paart sich mit Enttäuschung – und im Fokus stehen dabei die Versicherungen und auch die Stadtverwaltung. In Minuten kam das Wasser aus Richtung Besenkamp An den Samstagabend Anfang Juni können sich noch alle der Anwesenden erinnern, die sich im Garten eines Leidensgenossen an der Straße Am Strangbach treffen. Die 20 sind nur ein Bruchteil derer, die hohe Schäden davongetragen haben, berichtet einer der Anwohner. Einige feierten am 5. Juni gerade einen Geburtstag, andere machten es sich an jenem Samstag im Garten gemütlich, als der Regen begann und binnen Minuten aus grünen Grundstücken eine Schlammwüste machte. In kurzer Zeit schoss Regenwasser aus Richtung Besenkamp in Richtung Kurt-Schumacher-Straße und verteilte sich von dort weiter in umliegende Straßen. Die Anwohner konnten größtenteils nur hilflos zusehen, wie Tiefgaragen voll Wasser liefen und Autos darin zerstört wurden. Sie konnten nur zusehen, wie das Wasser in ihren Kellern stieg und weiter in die Wohnbereiche floss. Der Sohn von Familie Boz ist Autist und wohnt in einer Kellerwohnung, die in kurzer Zeit 1,20 Meter unter Wasser stand. Bei Familie Genc, die unmittelbar neben dem Feuerwehrgerätehaus in Hunnebrock 2011 ein Haus gekauft hat, laufen seit drei Monaten ununterbrochen mehr als ein Dutzend Trocknungsgeräte in Keller und Wohnung. Viele der Betroffenen zeigen Bilder von der Zeit, als das Wasser in ihr Haus kam. &bdquo;Wir wollen, dass sich endlich etwas tut", sagt Bärbel Stolle, die an der Friedrich-Ebert-Straße wohnt. Das Erlebte hat die Betroffenen zusammengeschweißt, man hilft sich, tauscht sich aus. "Ich erwarte ja nur etwas Interesse" Am meisten beklagen die Betroffenen, dass sich von der Stadtverwaltung noch niemand habe blicken lassen und mal mit ihnen gesprochen habe. Besonders verärgert sind sie, als ein Feuerwehrmann in der Gruppe erzählt, dass die Bürgermeisterin am Freitagabend im Gerätehaus an der Kurt-Schumacher-Straße gewesen sei, um nach den Hochwasserschäden zu fragen. &bdquo;Es wäre schön gewesen, wenn sie auch mal bei uns Anwohnern gefragt hätte, wie es uns geht. Ich erwarte ja keine Wunder, aber dass man sich wenigstens mal für uns Anwohner interessiert, das sollte schon möglich sein", sagt Meral Genc, die am Dienstag einen Gutachter der Versicherung erwartet, der entscheiden muss, wie es mit ihrem Haus neben der Freiwilligen Feuerwehr in Hunnebrock weitergehen soll. Zuspruch und etwas Präsenz hätten alle der Geschädigten erwartet. Das wird an diesem Samstagmorgen deutlich. Deutlich wird aber auch, dass die aufgestaute Wut nicht allein mit dem Starkregen von Anfang Juni diesen Jahres zu tun hat. Viele der Anwesenden sind leidgeprüft und erinnern sich auch noch an 2014 und die Wassermassen, die damals in ihre Gärten und Häuser kamen. Auch da hätten sich Bürgermeister und Stadtverwaltung – wenn überhaupt – erst spät sehen lassen. &bdquo;Warum werden nicht endlich Maßnahmen getroffen, damit das Wasser besser ablaufen kann?", fragt Tanja Voss-Henke und ein anderer fügt aus dem Hintergrund an: &bdquo;Das wird bestimmt nicht der letzte Starkregen mit 90 oder mehr Litern pro Quadratmeter gewesen sein." Die Anwohner fordern eine Ausweitung des Kanalsystems und beklagten, dass Durchlässe im Strangbach Anfang Juni verstopft gewesen seien, wodurch die Wassermassen aufgestaut wurden und sich ungehindert ausbreiten konnten. Auch zugewachsene Straßengräben seien erst nach dem Unwetter ausgebaggert und freigeschnitten worden. Drei &bdquo;Jahrhundert-Ereignisse" in zehn Jahren Die Sinnhaftigkeit einer Ausweitung der Kanalisation hat der früherer Technische Beigeordnete immer bestritten. &bdquo;Wir können nicht überall U-Bahn-große Rohre verlegen und uns auch nicht vor allen möglichen Unwettern schützen", sagte er in Sitzungen. Begriffe wie &bdquo;Jahrhundert-Hochwasser" oder &bdquo;Jahrhundert-Regenereignis" können die Betroffenen nicht mehr hören, denn von derlei Ereignissen hatte man in den vergangenen zehn Jahren schon drei – 2014, 2015 und 2021. Auf Anfragen der Bürger sind aus dem Rathaus bislang nur wenige Reaktionen gekommen. In einem Schreiben von Anfang Juli an einen der Anwohner verspricht Bürgermeisterin Susanne Rutenkröger, dass die Gefahrenlage seitens der Stadt aufgearbeitet werde und man nach den Sommerferien einen Ortstermin mit den Betroffenen vereinbaren werde. Die Anwohner warten gespannt. Versicherte sollen beschädigte Möbel verkaufen Für Familie Genc und andere Geschädigte wird die Zeit aber knapp. Die Versicherungen spielen auf Zeit – trotz abgeschlossener Elementarversicherung. Gutachter hätten vor Ort sogar Vorschläge gemacht, durch Wasser beschädigte Möbel im Internet zu verkaufen, um die Schadenssumme zu reduzieren. Bei einigen Häusern müssen noch Schäden beseitigt werden. &bdquo;Und bald kommt der Winter", sagt Meral Genc, die noch nicht weiß, wie lange sie womöglich ihr Haus verlassen muss und was der Gutachter sagt, wenn er am Dienstag kommt – falls er kommt. Denn auch die Versicherungen haben die Opfer in den vergangenen Wochen schon mehrfach mit Ortsterminen vertröstet.

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