Miniaturkirche steht im Biergarten

Bünde. Stola und Weihwasserwedel liegen griffbereit auf dem Tisch, daneben ein Buch. "Ich habe vorsichtshalber noch mal nachgeschaut, was alles gesegnet werden darf", sagt Wolfgang Sudkamp und legt seine Hand auf die entsprechende Seite. "Gaststätten gehören dazu." Und Kirchen sicher sowieso, auch wenn sie winzigklein sind. Nichts spricht also gegen das, was der katholische Pfarrer an diesem Tag vorhat: Er möchte die Mini-Kirche segnen, die seit rund zwei Jahren im Außenbereich von Torsten Wittenbergs Restaurant "Zum Metzger mit dem Zopf" steht. Wie kam es zu dieser Idee? Und wieso steht hier überhaupt eine Kirche im Biergarten? "Die hab' ich im Internet entdeckt, sollte abgegeben werden", erzählt Torsten Wittenberg. Die Anzeige habe ihn neugierig gemacht, auch wenn er mit Religion und mit der Einrichtung Kirche an sich nichts am Hut habe. Ein Anruf beim Bieter brachte ihn nur bedingt weiter. "Der Mann sprach einen sehr schwer verständlichen Dialekt, ich konnte nur wenig verstehen." Der umtriebige Wittenberg - sonst meist auf der Suche nach alten Autos und großen Modellschiffen - beschloss, sich die Sache vor Ort anzuschauen und machte sich auf den Weg nach Butzweiler im Landkreis Trier-Saarburg, nahe an der Grenze zu Luxemburg. In der nur augenscheinlich gottverlassenen Gegend erfuhr er: Die kleine Kirche, seinerzeit noch weiß und ohne Haube, hatte schon ein paar Jahre auf dem Buckel. "Der dortige Pfarrer war damit über die Dörfer gezogen und hatte Leute besucht, die selbst nicht in die Kirche kommen wollten oder konnten", erzählt Wittenberg. Nun war der rührige Gottesmann in Rente gegangen - sein Nachfolger hatte für das gute Stück offenbar keine Verwendung mehr. Wittenberg hingegen gefiel die Vorstellung einer Kirche in seiner Sammlung ausgefallener Exponate - gegen eine kleine Spende für die Gemeinde in Butzweiler ließ er sich das Gebäude auf den mitgebrachten Hänger laden und fuhr damit Richtung Bünde. Eine alte Schiffsglocke muss noch installiert werden "Schon nach ganz kurzer Zeit holte mich die Polizei von der Autobahn", sagt Wittenberg. "Ich befürchtete schon das Schlimmste, aber die Jungs wollten sich die Kirche nur mal aus der Nähe anschauen - so was hatten sie wohl auch noch nicht gesehen." Ähnlich erging es den vielen Schaulustigen, die sich etwas später die Installation des Gotteshauses im Bünder Biergarten anguckten. Die Kirche baumelte dabei hoch in der Luft an einem riesigen Kran. "Das war schon ein doller Anblick", sagt Wittenberg und lacht. Natürlich habe das Gebäude hier und da ein bisschen renoviert werden müssen. Ein neues Dach musste her. Und ganz wichtig: der Anstrich sollte genauso knallig orangefarben sein, wie das Restaurant selbst. Ist er jetzt auch. Im Norden der Republik organisierte der der Seefahrt zugetane Wittenberg eine alte Schiffsglocke, die demnächst noch im Turm der Kirche montiert werden muss. "Die hört man im ganzen Dorf", sagt der Restaurant- und Kirchenbesitzer und lacht. Und wie kam nun der Pfarrer ins Spiel? "Ich war eigentlich nur als Gast hier", sagt Wolfgang Sudkamp. Und natürlich sei die Kirche an diesem Abend dann sehr schnell das Gesprächsthema gewesen. Irgendwann habe er halt gesagt, dass er das kleine Gotteshaus - so das denn gewollt sei - auch gerne segnen könne. Torsten Wittenberg fand den Einfall klasse. "Dann kam allerdings Corona und alles verzögerte sich ein bisschen", sagt Sudkamp. Gedanken an ein interreligiöses Gotteshaus Nun aber soll es soweit sein. Wolfgang Sudkamp legt sich die Stola um und greift sich das "Aspergill", den Weihwasserwedel. Zunächst wirft er einen Blick ins überschaubare Innere der Kirche. Acht Leute sollen auf den zwei Holzbänken Platz haben. "Sieht aber ziemlich eng aus - vor allem für Leute von unserem Format", sagt er zum "Metzger" und lacht. Die Segnung findet jedenfalls draußen statt. Sudkamp schlägt sein Buch auf und liest: "Wir bitten dich um deinen Segen für dieses Gasthaus (...). Gib, dass alle, die hier arbeiten, ihren Dienst mit aufgeschlossenem und hilfsbereitem Herzen tun. Den Gästen schenke Erholung und Freude. Lass uns begreifen, dass wir auf Erden nur Gast sind und führe uns zum Gastmahl im Hause deines Vaters (...)." Danach besprengt er die Kirche und das komplette Restaurant mit Weihwasser. Für Sudkamp ist die Aktion mehr als nur ein Gag. "Die Kirche muss sich den Menschen wieder mehr zuwenden. Und wenn die Leute nicht mehr in die Kirche wollen, kommt die Kirche halt zu ihnen", sagt er. Der unkonventionelle Pfarrer kann sich durchaus vorstellen, außerplanmäßige Gottesdienste und ähnliche Veranstaltungen hier im Biergarten zu feiern. "Vor allem müssen wir die Kirche demnächst ja noch als solche einweihen", betont Sudkamp. Und dann hat er noch einen ganz spontanen Einfall: "Man könnte ein Kreuz, einen Halbmond und einen Davidstern anbringen. Dann hätten wir gewissermaßen ein interreligiöses Gotteshaus", sprudelt es aus ihm hervor. Eine wirklich schöne Idee. Findet auch Kirchenbesitzer und Kirchenskeptiker Torsten Wittenberg.

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