Auf dem letzten Teil unseres Spazierganges die Eschstraße hinunter entdecken wir eine bunte Mischung aus alten und neuen Häusern. Hier steht Fachwerk neben vorwiegend zweckgebundener Einkaufsarchitektur. Hier war eine Synagoge und die alte Dorfstraße, die viele noch vermissen. Münster hat damals ziemlich viel Spott einstecken müssen, als die Stadtobersten in den Nachkriegsjahren beschlossen, den Prinzipalmarkt für viel Geld wieder aufzubauen. Viele Städte gingen den anderen Weg in die Moderne. So auch Bünde. Ein rotbrauner Koloss in fast fensterloser Optik erinnerte seitdem an das Verlorene. Welche Pfade will man gehen? Die roten oder die weißen?
Der „Goldene Topf“ im ersten Stock in der „Wooli“ war so ganz anders als das Restaurant in der Büka. Hier aß das Volk. Hier aß es günstig, hier aß es reichlich. Hier roch es immer nach heißem Fett. Und das Vergnügen der Mahlzeit wurde kaum von den Kunden gestört, die nur auf Toilette wollten.
Die „Wooli“ war aber ganz wichtig, weil es dort die billigen Leerkassetten von Exklusiv zu kaufen gab. Die roten mit 60, die grünen mit 90 Minuten Platz. Wir brauchten damals so viel davon, dass, wenn man schon mal da war, sich stets einen 5er-Pack mitnahm. Denn es war auch die unvergessliche Zeit, in der man der Angehimmelten mit Vorliebe Mix-Tapes aufgenommen hat. Wie ich erst kürzlich erfahren habe, werden immer noch einige Kassetten von mir in Kellern aufbewahrt. Nur das Himmeln hat aufgehört. Und Kassetten-Spieler gibt es auch nur noch selten.
Die einzig richtigen Namen: Büka und Büli
Wie es ganz richtig die (!) „Büka“ heißt, heißt es hier unten in der Nähe vom Museumsplatz auch ganz richtig das(!) „BüLi“. Wenn man heute vor dessen Gebäude steht, kann man schon von außen die beiden Säle erkennen, in denen vieles noch so ist wie früher. Etwas moderner vielleicht. Unten am Eingang gab es einmal im Monat die obligatorische „Filmillustrierte“ zu kaufen und eine Eintrittskarte kostete so viel wie das ersparte Taschengeld von ein oder zwei Wochen.
In „E.T.“ durfte ich aufgrund meines zarten Alters nur dann mit meinem besten Freund rein, wenn auch sein großer Bruder dabei wäre. Der Film erregte wochenlang eine solche Aufmerksamkeit, dass sich vor Beginn jeder Vorführung immer viel mehr Menschen vor dem Kino drängelten als hineinpassten. (Wenn ich mich richtig erinnere, war es sogar einer der wenigen Filme, der in beiden Sälen gleichzeitig gezeigt wurde.) In diesem Gedränge verlor ich meinen besten Freund und seinen großen Bruder aus den Augen. Es war das erste Mal, das ich ganz allein im Kino saß, alleine wie E.T. auf der Erde. Es war großartig!
Ein Science-Fiction-Himmel
Star Wars, E.T., die Ewoks, Enemy mine – ja, die Science Fiction hatte es mir und vielen anderen damals angetan, und nirgends konnte man die besser erleben als im Kino. Zuhause gab es einen Fernseher mit 5 Kanälen. In Worten und in Zahlen: 5! Das hatten nur ganz wenige. Mein Vater hatte auf dem Dachboden eine riesige, meterlange Antenne montiert. Wir empfingen nicht nur ARD, ZDF und den WDR, sondern auch den NDR mit seinem ersten und dritten Programm.
Beim „Großen Preis“ mit Wim Thoelke am Donnerstagabend durfte ich immer bis nach Wim und Wendelin aufbleiben, bevor ich ins Bett musste. Und während ich zuhause immer noch an den meisten Abenden die lebende Fernbedienung mit Sprachsteuerung war, gab es im „BüLi“ einen Knopf, der sich zwischen zwei Plätzen befand. Drückte man darauf, ging hinten an der „Bar“ auf einem Panel ein Lämpchen an, welches anzeigte, dass man Bedienung am Platz wünschte. Ganz früher kam jemand während des gesamten Films vorbei und brachte einem kleine Speisen und Getränke, später nur noch vor dem Film. Wir aßen gewürzte Kartoffelröllchen aus winzig kleinen Tütchen. Manchmal teilten wir uns auch eine Stange Stapelchips und tranken Fanta, wenn uns unsere Eltern genügend Geld dafür mitgaben.
Einmal in dieser Zeit war ich in einem Kino in Bielefeld. Der Film, den ich unbedingt sehen wollte, lief nur dort. Der Eingang lag in einer ziemlich dunklen Fußgänger-Unterführung. Das Kino war ein schäbiger Raum, der nach kaltem Rauch roch. Etwa 40 abgeranzte Sessel boten vor der 3-Meter-Leinwand Platz. Für die Schönheit, die solchen herrlich unwohnlichen Orten innewohnt, hatte ich noch keinen Sinn. Damals dachte ich mich nur in die Beschaulichkeit des heimischen Kinos zurück: „Wow! Bünde!“
Und warum heißt es hier in der Stadt nun die(!) Bünder Kaufhaus und das(!) Bünder Lichtspiele? Tja, vermutlich weil unsere Wege eben mal rot und mal weiß sind.