Bünde. Barrierefrei, darunter wird im Allgemeinen ein ebenerdiger oder hindernisfreier Zugang verstanden, der mit Rollstuhl oder Rollator ohne fremde Hilfe genutzt werden kann. Nach dieser Definition verfügt die Stadt Bünde bei ihren Wahllokalen über eine recht gute Quote. 95 Prozent aller Wahlurnen sind stufenlos zu erreichen.
Man könnte aber auch eine strenge Auslegung der Definition barrierefrei anwenden, denn Hindernisse bei der Wahl gibt es nicht nur für gehbehinderte Menschen. „Danach erfüllt wahrscheinlich kein Wahllokal in NRW das Kriterium ’Vollständig barrierefrei’", glaubt Wolfgang Kissing aus dem Wahlbüro der Stadt.
Das Bundeskompetenzzentrum Barrierefreiheit, ein eingetragener Verein, hat schon vor Jahren eine 20-seitige Broschüre mit Empfehlungen zur Einrichtung barrierefreier Wahllokale herausgegeben.
Wenig beachtet seien Gehörlose und Blinde
Für fünf Gruppen hat der Verein Richtlinien erarbeitet: Gehbeeinträchtigte Menschen, Menschen, die einen Rollstuhl nutzen, sehbeeinträchtigte Menschen, blinde Menschen, Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung (so genannte „geistige" Behinderung).
Immer noch wenig beachtet sind dabei Einrichtungen für gehörlose und blinde Menschen. Das reicht von ausreichender Beleuchtung, damit gehörlose Personen besser vom Mund ablesen können, bis hin zu optischen Notfallsignalen in den öffentlichen Gebäuden, in denen üblicherweise gewählt wird. Für Sehbehinderte sollten Stufen und Türrahmen kontrastreich gestaltet werden, Vitrinen oder Schilder müssen für Blinde, die sich mit einem Stock orientieren, möglichst bis zum Boden reichen, oder von einem Sockel umgeben sein.
Für Menschen mit kognitiver Beeinträchtigung, die häufig unter einer Leseschwäche leiden, können Piktogramme den Gang zur Urne erleichtern. Was es gibt, ist der blindengerechte Wahlzettel (Infobox).
Rollstuhlgerechter Zugang ist geplant
Die gute Nachricht für die Stadt kommt von Fiete Reifert von der evangelischen Stadtmission, dem einzigen Bünder Wahllokal mit Stufen. „Zur Bundestagswahl 2021 werden wir einen rollstuhlgerechten Zugang haben", verspricht Reifert. Die Baumaßnahmen seien bereits geplant.
Einfach sei es nicht, denn die Mission wolle keinen Raum im Inneren des Gebäudes verlieren und außen habe man es mit Gas- und Wasserleitungen zu tun, die überbaut werden müssten. Zudem muss so eine Rampe viele Kriterien erfüllen. So darf etwa ein bestimmter Neigungswinkel nicht überschritten werden, was sich auf die Länge auswirkt. Eine fünfstellige Summe soll es kosten.
„Wenn wir ein anderes Wahllokal gesucht hätten, hätten wir auch die Wahlbezirke verändern müssen", sagt Wolfgang Kissing erleichtert. Es ist ein Schritt auf einem noch langen Weg zur vollständigen Barrierefreiheit.
Information
Hilfe für Sehbehinderte
Ein Wahlhilfepaket für Blinde kann unter Tel. (02 31) 5 57 59 00 oder per Mail an
info@bsvw.de angefordert werden. Darin befindet sich eine CD und eine Stimmzettelschablone. Jeder Wahlbezirk hat zudem eine eigene 0800er-Telefonnummer, unter der die Stimmzettel vorgelesen werden.