Bünde

Als ein Freimaurer in Bünde Bürgermeister wurde und den Nazis die Stirn bot

Nach ihm ist heute sogar eine Straße benannt. Die Nazis wollten Dr. Richard Moes aus dem Amt drängen. Doch der damalige Bürgermeister hielt dagegen.

Dr. Richard Moes war Bürgermeister der Stadt Bünde von 1925 bis 1937. | © Sammlung Sahrhage

05.08.2019 | 05.08.2019, 08:00

Bünde. Dr. Richard Moes wurde am 31. Dezember 1887 als Sohn eines Fabrik- und Rittergutsbesitzers in Breslau (Schlesien) geboren. Das Gymnasium in Strehlen schloss Moes Ostern 1908 mit dem Abiturzeugnis ab und studierte anschließend an den Universitäten Heidelberg, München, Berlin und Jena Nationalökonomie und Rechtswissenschaft.

Nach Beendigung des Studiums hatte Moes zunächst eine Anstellung als Assistent am sozialpolitischen Seminar der Universität Jena gefunden. Während des Ersten Weltkrieges war der militäruntaugliche Moes zunächst als Kriegshilfskraft bei der Stadtverwaltung in Guben (Niederlausitz) beschäftigt, ab Oktober 1916 als Hilfsreferent beim weimarischen Staatsministerium und kurze Zeit später als Abteilungsleiter beim Ernährungsamt der Thüringischen Staaten in Weimar.

Während dieser Zeit verfasste er eine Dissertation mit dem Titel: Zur Systematik der kommunalen Kriegslebensmittelpolitik, mit der er an der Universität Jena zum Dr. phil. promoviert wurde.

Sehr aktiv bei Freimaurern in Guben, Bielefeld und Bünde

Vom 1. Oktober 1918 an war Moes als Verwaltungsdezernent bei der Regierung Gumbinnen beschäftigt, wo man ihn mit der wirtschaftlichen Demobilmachung betraute. Im Oktober 1919 wurde Moes zum Magistratsassessor und hauptamtlichen Vorsitzenden des Schlichtungsausschusses der Stadt Guben gewählt. Moes wurde, nachdem er im April 1920 geheiratet hatte, im Mai 1923 zum Magistratsrat befördert.

Moes hatte sich im November 1918 der DNVP angeschlossen, war jedoch im November 1919 wieder ausgetreten. Seit 1925 gehörte Moes den Freimaurern an, zunächst der Loge »Zu den 3 Säulen am Weinberg« in Guben, seit Anfang des Jahres 1926 dann der Loge »Armin zur deutschen Treue« in Bielefeld. Moes gründete zudem im Jahre 1930 den freimaurerischen Verein in Bünde und leitete ihn bis April 1933.

Im April 1925 hatte sich Moes um die Stelle des Bürgermeisters der Stadt Bünde beworben und wurde am 7. August 1925 von der Stadtverordnetenversammlung einstimmig auf zwölf Jahre gewählt. Während seiner Amtszeit als Bürgermeister, die im Oktober 1925 begann, erwies sich Dr. Moes als qualifizierter und innovationsfreudiger Fachbeamter und realisierte in Bünde eine Reihe von bedeutenden Projekten.



Unter anderem die Elseregulierung zwischen der Sachsenstraße und der Eschenbrücke, wodurch etwa 75 Hektar Land vor Überschwemmungen gesichert wurden, den Bau der Kanalisation in wesentlichen Teilen des Stadtkerns, die bauliche Umgestaltung des alten Kirchplatzes, die Verbesserung des Bünder Schulwesens, den Um- und Erweiterungsbau des Bünder »Stadtgartens« sowie den Neubau der Stadtsparkasse und der Badeanstalt.

Nazis wollen den Bürgermeister aus dem Amt drängen

Schließlich initiierte Moes im Jahre 1936 auch die Gründung des Tabak- und Zigarrenmuseums, das sehr rasch überregionale Bedeutung erlangte. Vor der nationalsozialistischen „Machtergreifung" war Moes’ Verhältnis zur aufsteigenden Bünder NSDAP sehr gespannt. Moes hatte sich in der Endphase der Weimarer Republik streng an die bestehenden gesetzlichen Vorschriften gehalten und Übertretungen insbesondere der Bünder SA deutlich zurückgewiesen.

Nach der Kommunalwahl im März 1933 richtete die nationalsozialistische Stadtverordnetenfraktion gemeinsam mit den nationalsozialistischen Mitgliedern des Magistrats ein Gesuch an den preußischen Innenminister, Moes aus dem Dienst zu entlassen. In der Begründung hierzu hieß es: „Wenn er auch in den letzten Monaten vorsichtiger geworden ist und sich immer mehr ein nationales Mäntelchen umhängt, so ist doch kein Verlass auf ihn."

Am selben Tag beantragten die nationalsozialistische Stadtverordnetenfraktion und die nationalsozialistischen Mitglieder des Magistrats zudem beim Mindener Regierungspräsidenten, Moes sofort zu beurlauben und durch einen neuen kommissarischen Bürgermeister zu ersetzen, da ein loyales Zusammenarbeiten mit diesem Herrn trotz seiner schönen Worte nicht länger möglich ist.

Wegzug aus Bünde

Erste Ermittlungen der eingeschalteten Gauleitung führten zu keiner Entscheidung, da sich die Herforder Kreisleitung der NSDAP und die Ortsgruppenleitung in Bünde hinsichtlich des Vorgehens gegen Moes uneinig waren. Weder die übergeordneten Partei- noch die staatlichen Instanzen waren bereit, die Forderungen der Bünder NSDAP zu erfüllen. In der Folgezeit festigte sich Moes’ Stellung wieder, weil die Bünder Nationalsozialisten einsehen mussten, dass eine rasche Änderung der gegebenen Verhältnisse nicht möglich war. Lediglich die Bünder SA blieb in ihrer Feindschaft zu Moes unversöhnlich.

Als unüberwindbare Barriere für Moes’ Wiederwahl im Jahre 1937 stellte sich schließlich seine frühere Freimaurerlogenzugehörigkeit heraus. Da seine Bemühungen um eine andere Beschäftigung im Staatsdienst erfolglos blieben, wurde Moes nach Ablauf seiner Amtszeit pensioniert.

Nachdem er zunächst in Bünde einen Zigarrenversand betrieben hatte, zog er im Jahre 1939 nach Detmold um, wo er während der Kriegszeit das Kriegsschädenamt leitete. Nach Kriegsende war Richard Moes in Detmold zunächst als Stadtdirektor (1945/46), dann, zwischenzeitlich der CDU beigetreten, als ehrenamtlicher Bürgermeister (1949-52) tätig.

Während seiner Amtszeit erwarb sich Moes Verdienste als Förderer des Lippischen Landestheaters und der Nordwestdeutschen Musikakademie. Anlässlich seines 75. Geburtstages im Jahre 1962 verlieh der Bünder Stadtrat dem früheren Bürgermeister das Ehrenbürgerrecht. Im Jahre 2010 wurde – auf Vorschlag von Stadthistoriker Jörg Militzer – in Holsen zudem eine Straße nach dem früheren Bürgermeister benannt. Dr. Richard Moes starb am 10. Juli 1968 in Detmold.