Bürgermeister Esken im Wahlkampf-Modus: "Es gibt kaum einen, der so tief in den Themen steckt"

Herr Esken, keine Sportevents, keine Konzerte, keine Volks- oder Schützenfeste: Es ist nicht viel los in der Stadt. Leidet auch der Wahlkampf unter Corona? Michael Esken: Nein, wir haben nur einen anderen Wahlkampf als sonst. Ich mache schon seit meinem 16. Lebensjahr Wahlkampf, aber so eine Situation wie in diesem Jahr habe ich noch nicht erlebt. Ich habe mir deshalb mehr als 1.000 Hausbesuche vorgenommen, bei knapp 800 bin ich schon. Immer gemeinsam mit einer Wahlkreisvertreterin oder einem Wahlkreisvertreter. Alles natürlich unter Corona-Bedingungen. Wir klingeln an, halten Abstand und haben unsere Masken dabei. Da es kaum Veranstaltungen gibt, bei denen man sich trifft, gehen wir in diesem Jahr eben noch mehr zu den Bürgern. Die Wahl findet auf den Tag genau fünf Jahre nach der letzten statt. Was ist für Sie am 13. September 2020 anders als am 13. September 2015? Esken: Ich bin nicht mehr der Herausforderer, sondern ich bin im Amt. Das ist ein gravierender Unterschied. Sie wirken viel entspannter und ruhiger als vor fünf Jahren. Esken: Man wird reifer. Nein, im Ernst: Vor fünf Jahren musste ich mich in kürzester Zeit in Themen einarbeiten, die zuvor nicht in meinem Fokus gestanden hatten. Ich musste den Wahlkampf hier verbinden mit meiner ganz normalen Arbeit als Bürgermeister in der Stadt Hemer. Der Wahlkampf in Verl sollte nicht zu Lasten dieser Arbeit in Hemer gehen – und das war schon anstrengend. Es ist jetzt eine andere Rolle, die ich habe, und deshalb wirke ich vielleicht ruhiger. Und dann war es damals ohnehin ein ganz anderer Wahlkampf, mit vermeintlich zwei CDU-Kandidaten, wobei es ja nur einen gab. Und es gab zwei Mitbewerber, jetzt gibt es nur einen. Ist der Wahlkampf mit dem einen Mitbewerber Dieter Fleiter ebenfalls ein anderer als vor fünf Jahren mit Peter Heethey? Esken: Ja. Peter Heethey als SPD-Fraktionsvorsitzender steckte natürlich tief in den Themen. Aus eigener Erfahrung, als ich in Verl wieder anfing, weiß ich, wie schwer es ein Herausforderer mit den Themen hat. Dann kann es vorkommen, so wie jetzt geschehen, dass man als Kandidat eine Wohnungsbaugenossenschaft für Verl fordert, obwohl wir längst an einer beteiligt sind. Wenn auch nur marginal, aber wir halten Anteile an der KHW. Das sind Dinge, die passieren einfach, wenn man in den letzten Jahren kommunalpolitisch nicht aktiv war. Das ist nun mal der Vorteil von amtierenden Bürgermeistern: Es gibt sicher kaum einen Menschen in einer Stadt, der so tief drin steckt in den Themen. Als Bürgermeister konnten Sie Themen auch selbst setzen. Esken: Wenn ich mein Programm von vor fünf Jahren nehme, kann ich sagen, dass ich bis auf einen wesentlichen Punkt alles umgesetzt habe. Dieser Punkt ist welcher? Esken: Die Bürgerstiftung. Aber es hilft ja nichts: Wenn ich augenblicklich Geld anlege, generiere ich keine Zinsen, weil es derzeit keine Zinsen gibt. Also hilft mir eine Bürgerstiftung derzeit nicht wirklich, um verschiedene Dinge damit zu finanzieren. Wenn der Zinssatz steigt, kann man darüber wieder nachdenken. Aber da haben sich die Zeiten halt verändert. Auch den im letzten Wahlprogramm angekündigten Ratsbürgerentscheid zum Hallenbad hat es nicht gegeben. Esken: Den habe ich in der Tat für den Neubau des Hallenbads angeregt. Doch da alle Fraktionen im Rat für einen Neubau gestimmt haben, war der Ratsbürgerentscheid politisch nicht mehr gewollt. Ansonsten ist das Programm aber abgearbeitet: Für die Wirtschaftsförderung zum Beispiel habe ich eine Personalverstärkung ins Gespräch gebracht. Mit Sandra Claes haben wir eine engagierte Wirtschaftsförderin gewonnen. In den vergangenen beiden Jahren lag ihr Schwerpunkt situationsbedingt auf dem Breitbandausbau, der aber natürlich auch ein wichtiger Aspekt für den Wirtschaftsstandort ist. Außerdem wollte ich die weichen Standortfaktoren stärken. So verleihen wir am &bdquo;Tag des Ehrenamtes" Ehrennadeln an verdiente Bürger und wir haben eine Sportförderung aufgebaut. Im Bereich der Kultur haben wir die Literaturtage begründet. Es gibt jetzt – in diesem Jahr natürlich wegen Corona nicht – die Veranstaltung zum Weltkindertag, im Sommer eigentlich eine Poolparty. Dazu alle zwei Jahre die lange Frühstückstafel auf der Ortsdurchfahrt. Wir haben den Veranstaltungsbereich auch in Zusammenarbeit mit der Werbegemeinschaft also erheblich ausgebaut und sind dabei weiterhin wirtschaftlich hervorragend aufgestellt. Was ist im Falle Ihrer Wahl in fünf Jahren umgesetzt? Esken: Viel. Das ist mein Antrieb, warum ich Bürgermeister bleiben möchte. Fünf Jahre ist eigentlich ein relativ kurzer Zeitraum, wenn man bedenkt, dass ein Bebauungsplanverfahren heute locker ein ganzes Jahr benötigt oder dass die Bauzeit eines Feuerwehrgerätehauses mehr als ein Jahr betragen kann. Ich habe in den ersten fünf Jahren eine ganze Menge angestoßen, nun möchte ich auch gerne bei der Realisierung dabei sein. Beim Großprojekt Dorfmühle beispielsweise. Das wird ein Riesenprojekt, bei dem wir noch einige Wege werden gehen müssen. Aber dahinter steckt noch mehr. Nämlich ein großes Vertragswerk, das viele Grundstücksfragen in Verl regelt. Die Dorfmühle ist für mich einer der ganz wichtigen Punkte, zumal sich daran ja schon Generationen von Ratsmitgliedern, Gemeindedirektoren und Bürgermeistern vergeblich versucht haben. Nun ist es uns gelungen, ein Vertrauen mit den Eigentümern aufzubauen, das uns Verhandlungsmöglichkeiten eröffnet, mit denen wir etwas erreichen können. Außerdem wollen wir das Projekt &bdquo;Sportstadt" weiterentwickeln, und wir müssen – weil die Bahn kommt – bis 2023 die Lösung für den Marktplatz parat haben. Und dann ist jetzt der Architektenauftrag für den Bau der Gesamtschule vergeben. Nun wird geplant und bald gebaut. Danach ist die Kasse dann leer? Esken: Nein. Warum sollte sie leer sein? Wo wird der Bau von Gesamtschule und Hallenbad finanziell am Ende landen? Gütersloh war geschockt, als die Baukosten für die dritte Gesamtschule plötzlich von 27 auf 48 Millionen Euro explodierten, in Hövelhof sind für ein vergleichbar großes neues Hallenbad 11 bis 15 Millionen Euro kalkuliert. War die Festlegung auf maximal 29 Millionen Euro für Gesamtschule inklusive Hallenbad in Verl naiv? Esken: Nein, diese 29 Millionen Euro sind, das haben uns alle Architekten gesagt, die sich vorgestellt haben, insbesondere beim Anteil für das Hallenbad sehr realistisch gerechnet. Dass wir bauen können, zeigt sich beim Bau- und Wertstoffhof, mit dem wir dank eines straffen Projektmanagements sicherlich eine halbe Million Euro unter dem Ansatz liegen werden, obwohl die Kosten erst einmal durch die Decke gegangen waren. Aber ganz wichtig ist es jetzt, dass wir uns über den Ausbaustandard der Gesamtschule einschließlich des Pädagogischen Zentrums verständigen. Denn eines ist klar, die 29 Millionen Euro sind für den Standard. Wenn das Invest der Stadt in die neue Schützenhalle scheitert – und eigentlich ist es gescheitert, denn wir reden dort inzwischen nicht mehr über zwei, sondern mindestens über drei Millionen Euro –, wenn wir dann also sagen, wir packen jetzt das Pädagogische Zentrum in der Gesamtschule an, bauen es zu einer modernen Veranstaltungsstätte aus und werten es technisch auf, dann werden die 29 Millionen Euro nicht reichen. Das wäre dann aber auch zu vertreten, denn das geht über den besagten Standard hinaus. Oder wenn wir im laufenden Prozess erkennen sollten, dass wir auf einen Raum wie die ehemalige Realschul-Aula doch nicht verzichten können. Gerade jetzt in Corona-Zeiten sehen wir, wie wichtig es ist, noch eine Aula zu haben. Damit können wir zurzeit die Mensa erweitern. Und wir bekommen jetzt die zweite Oberstufe an der Gesamtschule. Das heißt, dass die Zahl der Mensa-Gäste ohnehin steigen wird. Vor diesem Hintergrund könnte es vielleicht gut sein, noch so etwas wie einen Multifunktionsraum zu bauen. Wenn man eine Erweiterung der Mensa wünscht oder eben einen zusätzlichen Multifunktionsraum, dann ist das in diesen 29 Millionen aktuell nicht enthalten. Deswegen kann man schnell auf 35 oder 40 Millionen Euro kommen. Das ist dann eine politische Entscheidung. Wir sprechen von Gesamtschule und Hallenbad. Hinzu kommt das von Ihnen genannte Projekt der Dorfmühle, dann noch ein Feuerwehrgerätehaus in Sürenheide. Ist dann noch Geld für eine Landesgartenschau in der Kasse? Esken: Wir reden da vom Jahr 2029 ... ... dann müssten Sie 2025 noch ein drittes Mal antreten, wenn Sie auch bei deren Realisierung dabei sein wollen. Esken: Ja, das wäre so, oder ich könnte auch sagen, ich engagiere mich dann ehrenamtlich in einem Förderverein. Doch so weit sind wir noch gar nicht. Wir sollten aber jetzt über eine Machbarkeit nachdenken. Es liegt die Untersuchung zum Verler See vor und wir wissen, dass wir dort eine wunderbare Natur haben. Der See selbst hat sicherlich noch das eine oder andere Defizit, das man da mit abarbeiten könnte. Wir gehen jetzt wahrscheinlich mit der KHW in die Umgestaltung der Helfgerdsiedlung hinein. Sie könnte als Vorzeigesiedlung zu einer Landesgartenschau fertig gestellt sein. Denn eine Landesgartenschau ist mehr als eine blühende Landschaft. Landesgartenschau ist Stadtentwicklung. Landesgartenschau ist, ein Defizit auszugleichen. Und dass wir im Bereich Libellenstraße, Grillenstraße und Zollhausweg ein Defizit haben, muss man nicht diskutieren. Wenn wir dann eine Landesgartenschau mitnehmen können, werden erhebliche Fördermittel fließen. Ich sage immer. &bdquo;Es regnet Brei." Dann wäre es klug von der Stadt Verl, den Löffel rauszuhalten, um vom Brei, den es an Landesmitteln regnet, auch etwas aufzufangen. Ich habe es in Hemer erlebt: Die Landesgartenschau bringt viele Millionen Euro, der Eigenanteil der Stadt ist überschaubar. Das ist wie ein Sechser im Lotto. Im Zusammenspiel mit der Dorfmühle riecht das ein wenig nach dem Modell Rheda-Wiedenbrück – eine schöne Verbindung zwischen Verl und dem See entlang des Ölbachs. Esken: Das wird die Machbarkeitsstudie zeigen, aber ich sehe aus meiner Erfahrung mit Landesgartenschauen – ich war in der Vorbereitung auch in Gronau dabei – für Verl keinen sich der Landesgartenschau anschließenden Park, der unterhalten wird und eintrittspflichtig ist. Das stimmt: Das ist so eine Art Modell Rheda-Wiedenbrück, das an der Dorfmühle beginnt, dann über den Ölbach führt. Sicherlich werden wir uns vor 2029 noch einmal das Freibad vornehmen müssen zu einer solchen Landesgartenschau, so wie das Oelde gemacht hat. Das Holzhackschnitzelheizwerk ist ein Vorzeigeprojekt in Sachen regenerativer Energie und müsste ohnehin spätestens im Jahr 2029 modernisiert werden. Wir haben dahinter möglicherweise einen großen Spielplatz. Wir nähern uns dann der Helfgerdsiedlung, für die wir Modelle entwickeln können, wie Wohnen im Jahr 2029 aussieht. Schließlich kommt der Verler See. Das passt von der Größe und der Länge einer Landesgartenschau schon ziemlich gut.

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