Ärger über Bus-Situation in SHS: "Fahrt nach Bielefeld wird zur Weltreise"

Schloß Holte-Stukenbrock. Von Stukenbrock-Senne zur Kirche nach Liemke schafft man’s mit dem Auto in knapp zehn Minuten. Mit dem Bus dauert die reine Fahrtzeit 26 Minuten. Tatsächlich muss ein Fahrgast mehr als eine Stunde einplanen – mit Umstieg am Bahnhof, der fast 40 Minuten Wartezeit kostet. Wer nimmt da den Bus, wenn ein Auto zur Verfügung steht? Eine Antwort erübrigt sich. Deutschland ist ein Autoland und Schloß Holte-Stukenbrock eine Autostadt. Die Auto-Dichte steigt seit Jahren an, trotz aller Bekenntnisse zu einer Mobilitätswende. Deutschland ist im EU-Vergleich mit 587 Autos pro 1.000 Einwohnern dabei noch nicht einmal Spitzenreiter. Nicht verwunderlich ist auch ein deutlicher Unterschied der Pkw-Dichte in städtischen (niedrig) und ländlichen (hoch) Gebieten. SHS liegt mit einer Autodichte von 644 Pkw je 1.000 Einwohner über dem Bundesdurchschnitt. Der ÖPNV spielt hier eine untergeordnete Rolle. Obwohl der Kreis Gütersloh SHS bei der Busanbindung gut aufgestellt sieht und über die Sennebahn die beiden OWL-Metropolen Bielefeld und Paderborn recht gut zu erreichen sind. Fahrt ins benachbarte Bielefeld wird zur Weltreise Warum viele Bürger aus SHS nicht auf ihr Erst- oder Zweitauto verzichten wollen, hat neben dem beschriebenen Zeitaufwand weitere Gründe: Mit dem ÖPNV erreicht man die Ziele nicht so bequem wie mit dem eigenen Auto, die Busse fahren zu selten, Tarife und Fahrpläne sind unübersichtlich, so die Kritikpunkte. Die NW hat Leser um ihre Meinung zum ÖPNV gebeten. &bdquo;Hier ist erst einmal positiv hervorzuheben, dass sich in der Nähe meiner Wohnung eine Haltestelle befindet, so dass eine prinzipielle Anbindung gegeben ist. Von dort besteht mit der Linie 85 eine Verbindung zum Bahnhof, so dass auch überregionale Ziele zu erreichen sind“, schreibt Sören Mirbach. &bdquo;Hier beginnt dann aber leider auch schon das Problem: Die Linie fährt nur stündlich, wodurch die Anschlüsse an die Sennebahn oftmals nicht passen. Damit wird aber eine Fahrt ins eigentlich benachbarte Bielefeld zur Weltreise.“ Auch die Buslinie 83, die vor seiner Haustür hält, bietet keine echte Alternative. Sie fährt einmal morgens und einmal nachmittags – und das auch nicht täglich. &bdquo;Das eine Linie zu nennen, ist eher ein Witz als ein Angebot“, schreibt er und resümiert: &bdquo;In Summe muss man leider feststellen, dass der ÖPNV in Schloß Holte-Stukenbrock heute im Wesentlichen unbrauchbar ist.“ Lesen Sie auch: Mann aus SHS erlebt totales Chaos bei der Bahn Lob für barrierefreie Haltestellen NW-Leser Bernd Dussileck lobt den barrierefreien Umbau der Haltestellen. Dabei wird nicht nur der Einstieg erhöht. Sehbehinderte erhalten eine Orientierung, Haltestellen ein wetterfestes Häuschen und Fahrradbügel. &bdquo;Das finde ich super, da ich oft das Problem habe, direkt an den Bushaltestellen mein Fahrrad vernünftig abstellen und anketten zu können“, schreibt er. Von den 116 Bushaltestellen haben 71 ein Wartehäuschen, sagt Pascal Lideck, der in der Stadtverwaltung zuständig für Verkehrsfragen ist. 33 Haltestellen warten noch auf ihre Barrierefreiheit. Pandemiebedingt sei der Ausbau im Zeitverzug, sagt Lideck. Er wird noch Jahre dauern. Bernd Dussileck sieht die Probleme des ÖPNV in SHS in der Taktung. Einmal in der Stunde von Sende zum Bahnhof sei viel zu wenig. Auch sei das Umsteigen am Bahnhof zu zeitaufwendig. Tatsächlich führen alle Linien – ausgenommen der Schulbusverkehr – sternförmig zum Bahnhof. Die Anbindung der Busse an die Sennebahn war damals ausdrücklich gewünscht, sagt Pascal Lideck. Im Prinzip geht es ja auch darum, Pendler zur Bahn zu bringen oder in die angrenzenden Nachbarorte. &bdquo;Natürlich wäre ein Halbstundentakt besser“, sagt er, weist aber auch auf die Schwierigkeiten hin. Gibt es wirklich den Bedarf? Wären die Busse also ausgelastet? Sind genügend Busfahrer vorhanden? Und was kostet der Mehraufwand? Das soll sich künftig in SHS ändern Federführend für das Verkehrskonzept im Kreis Gütersloh ist der Verkehrsverbund Ostwestfalen-Lippe (VVOWL). Allein könnte eine Stadt in der Größe von SHS keine Verkehrsgesellschaft betreiben. Der VVOWL plant, die Teutoburger Wald Verkehr (TWV) betreibt die Busse im gesamten Südkreis. Wittler Bustouristik aus SHS fährt als Co-Partner der TWV den Stadtbusverkehr. Im Bürgerportal der Stadt informiert die Rubrik &bdquo;ÖPNV“ über die Busverbindungen, Tarife und Buchungsmöglichkeiten. Die App &bdquo;OWL mobil“ bietet einen haltestellengenauen Abfahrtsmanager. Übersichtlich ist die Informationsfülle allerdings nicht. "Der ÖPNV ist in den vergangenen Jahren stiefmütterlich behandelt worden“, gibt Pascal Lideck zu. Seit einem Jahr ist Mobilitätsmanager Marcell Booth im Dienst. Er schiebt Projekte an, die auch aus Personalmangel liegen geblieben seien, und er hat ein Ziel, wie die Mobilität in SHS zukünftig aussehen soll. Vereinfacht gesagt: Weniger innerstädtischer Autoverkehr, mehr ÖPNV und Alltagsradwege. Der ÖPNV soll dabei &bdquo;bedarfsgerecht und ressourcenschonend“ fahren, dieses Ziel ist im Nahverkehrsplan des Kreises Gütersloh festgelegt. Lesen Sie auch:24 Minuten zu früh im Bus - Fahrgast soll trotz Ticket die Höchststrafe zahlen Liniennetzplan Generell ist der ÖPNV in SHS auf die Sennebahn ausgerichtet, um Pendler auf die Schiene zu bringen. Deshalb führen alle Hauptlinien zum Bahnhof. Dazu kommt noch der Schulbusverkehr. Bislang müssen sich Fahrgäste durch die Netzfahrpläne wühlen oder eine Smartphone-App verwenden. In Kürze veröffentlicht die Stadt einen Liniennetzplan, der schematisch und übersichtlich die innerörtlichen Hauptlinien und den Verlauf der Regio-Busse nach Verl, Sennestadt und Augustdorf abbildet. Hauptachse ist die Sennebahn. Neue Linie Eine neue Buslinie zu installieren sei erstens logistisch nicht so einfach (Anschlüsse mit der Sennebahn und Regiobussen müssen berücksichtigt werden) und zweitens teuer. Grundlage für den innerörtlichen ÖPNV ist das Konzept des Verkehrsverbundes OWL (VVOWL). Der sieht die Stadt SHS im kreisweiten Vergleich sehr gut aufgestellt, sagt der städtische Verkehrsfachmann Pascal Lideck. &bdquo;Wenn wir mehr wollen, müssen wir das auch selbst bezahlen.“ Der Rat hat beschlossen, die Linie 84.3, die zur Zeit noch als reine Schulbuslinie fährt, in eine Hauptlinie umzuwandeln. Sie verbindet dann das Grauthoffgebiet über Bahnhof, Schulen und Rathaus mit der Trapphofsiedlung und bindet so auch das Medicum ans Busnetz an. In dieser Woche wollen die Fachleute Standorte für zwei neu zu schaffende Haltestellen an der Ostritzer Straße und Spellerstraße ausloten. Die 84.3 soll dann montags bis freitags stündlich fahren. Es wird die erste Linie sein, die SHS selbst finanziert. Für 64.000 Euro pro Jahr. Jeder gefahrene Kilometer wird mit 60 Cent, jede Fahrplanminute mit 65 Cent kalkuliert. Entsprechend teurer werden Taktverdichtungen. On Demand Eine Buslinie, die alle Ortsteile miteinander verbindet, wird es in SHS nicht geben. Ob dafür überhaupt Bedarf besteht, zieht Pascal Lideck in Zweifel. Als Alternative wird seit Jahren in der Politik On-Demand-Verkehr diskutiert. Minibusse, die auf Abruf unabhängig vom Busliniennetz fahren. Das Jugendparlament hatte die Idee 2020 in die Fachausschüsse getragen, die CSB einen Prüfauftrag durchgebracht und auch die CDU hat diesen Punkt in ihren Klimaschutzleitfaden geschrieben. Oft wird dann auf &bdquo;Mein Anton“ in Sennestadt oder &bdquo;Shuttle“ in Gütersloh verwiesen. Das On-Demand-Prinzip nach dem Anton- und Shuttle-Modell gilt in Fachkreisen als überholt, sagt Marcell Booth. Größter Nachteil: Die Minibusse fahren nur in den Abendstunden, wenn die Linienbusse nicht fahren. Booth findet ein Modell vielversprechender, das bald in Verl umgesetzt wird. Statt Minibusse soll ein ortsansässiges Taxiunternehmen den On-Demand-Dienst als Ergänzung zum bestehenden Busnetz leisten. Der Fahrgast zahlt ÖPNV- und keine Taxipreise. Noch ein Vorteil: Das Personal ist bereits vorhanden. Die letzte Meile Vor einigen Jahren hat sich die &bdquo;letzte Meile“ ins politische Vokabular geschlichen. Gemeint ist, die Distanz zwischen Bus- oder Bahnhaltestelle zum Arbeitsplatz oder zur Wohnung zu überbrücken. Im Stadtrat sind Modelle zu Leihfahrrädern oder Scootern vorgestellt worden. Eine Mehrheit haben diese Ideen nicht gefunden. Sharing-Modelle seien für eine Stadt wie SHS auch nicht geeignet, findet Mobilitätsmanager Marcell Booth. Scooter werden in größeren Städten als Partyfahrzeuge verwendet und dann irgendwo abgestellt. Eher Spielgerät als Verkehrswende. Besser sei es, ÖPNV stärker mit dem eigenen Rad zu verknüpfen. Zu Hause – Rad – Bus – Rad – Arbeit. Und zurück. So könnte die Reihenfolge aussehen. Oder das Fahrrad an Haltestellen stehenlassen. Im Zuge des barrierefreien Umbaus der Bushaltestellen werden, wo es der Platz zulässt, Fahrradbügel installiert. Und auch die verschließbaren Fahrradboxen am Bahnhof nehmen Pendler mittlerweile besser an, ergänzt Pascal Lideck. Sechs bis acht Boxen werden pro Tag gebucht, nicht selten sind die zwölf Plätze ausgebucht. Lideck und Booth nennen für die stärkere Annahme im Vergleich zur Anfangszeit drei Gründe: Teure Fahrräder werden beliebter, die Boxen wurden stärker beworben – und der Preis ist auf ein Euro pro Tag gesenkt worden. Mobilstation Am Bahnhof wird die erste Etappe des neuen Projektes &bdquo;Mobilstation“ umgesetzt. Das Projekt ist initiiert vom Zukunftsnetz Mobilität, dem SHS im März beigetreten ist. Mobilstationen verknüpfen unterschiedliche Verkehrsangebote miteinander und sind NRW-weit einheitlich gestaltet. Der Wiederkennungswert soll es Fahrgästen einfacher machen, sich überall zurechtzufinden. Am Bahnhof SHS soll es eine Informationsstele mit einem Digitaldisplay geben. Darauf werden die Buslinien und deren Abfahrtszeiten angezeigt, einheitlich gestaltete Symbole weisen auf zusätzliche Möglichkeiten hin: auf die Fahrradboxen, die Radservicestation und E-Ladesäulen für Auto und Rad (die sind noch in der Planung). 2024 soll das Projekt verwirklicht werden. Etwa 50.000 Euro soll es kosten, die Stadt muss dank einer Förderung nur zehn Prozent der Kosten selbst tragen. Als weitere Standorte für Mobilstationen hat das Zukunftsnetz Mobilität den Kühlen Grund in Stukenbrock und die Polizeischule in Stukenbrock-Senne vorgesehen. Allerdings zu einem späteren Zeitpunkt.

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