Lebensabend auf Europatour im Wohnmobil

Schloß Holte-Stukenbrock. Zwar wickelt sich prompt beim Hinausklettern aus dem Wohnmobil ein Elektrokabel um Walter Abrechts Fuß (ohne Folgen). Vollgestopft sieht es im Innern seines neuen Zuhauses aber trotzdem nicht aus. Obwohl er den Rest seines Hausstandes hineingepackt hat. Jetzt bricht er auf zu seiner letzten Reise. Die erste Station: das Grab seiner Frau. Mit dem Wohnmobil ging am Montagmittag der ehemalige Berufspilot Walter Abrecht (72) auf Europareise. Seine Wohnung an der Kaunitzer Straße musste er aufgeben, und anstatt sich eine neue Bleibe zu suchen, hatte er die Idee, seinen Lebensabend reisend in einem Wohnmobil zu verbringen. In Schloß Holte-Stukenbrock hält ihn nichts. Seine Frau ist vor sieben Jahren gestorben, seine Töchter wohnen an der holländischen Grenze und in Süddeutschland. Die grobe Richtung der Reise: ein Flugplatz eines Bekannten in Spanien und die portugiesische Kleinstadt Nazaré, die für ihre Riesenwellen berühmt ist. Doch zuerst geht es zum Grab der Ehefrau in Brügge-Bracht im Kreis Viersen. Abschied nehmen. Für wie lange, das weiß Walter Abrecht selbst noch nicht. Gesundheitlich ist er nicht mehr in Topform. Ein Schlaganfall vor zehn Jahren hat ihn in seiner Bewegung eingeschränkt, längere Strecken kann er nicht zu Fuß zurücklegen. Deswegen nimmt er seine Ente auf einem Anhänger mit. Doch die wird er keinesfalls täglich gebrauchen. Das Hinauf- und Hinabkurbeln des Autos ist für ihn sehr anstrengend. Handlicher ist ein Elektrofahrrad, das er sich ans Wohnmobil gehängt hat. Das Steuern des Wohnmobils mitsamt Anhänger – immerhin elf Meter lang – traut er sich aber noch zu. Als Segelfluglehrer ist er häufig mit langen Anhängern unterwegs gewesen. Eine Nähmaschine für die Tochter Den Großteil seines materiellen Besitzes hat Walter Abrecht verkauft und verschenkt. Einiges bringt er seiner in Süddeutschland lebenden Tochter mit. Eine antike Nähmaschine zum Beispiel. In zwei bis drei Tagen will er dort sein. &bdquo;Ich habe ja Zeit", sagt er. Ein paar Dinge wie Schränke und Regale entsorgt der Vermieter. Um sein neues Zuhause wohnlich zu gestalten, hat er Fotos laminiert und an nahezu alle freien Stellen im Wohnmobil gehängt. Im Mittelpunkt: ein Porträt seiner verstorbenen Frau im Zeichenblockformat. Und natürlich Fotos der Familie und von Flugzeugen. Nicht nur Erinnerungen fahren mit. Seine Kaninchendackelhündin &bdquo;Bibi" begleitet ihn. Sie hat jeweils ein eigenes Körbchen im Wohnraum und auf dem Beifahrersitz. In Greifnähe vom Fahrersitz aus hat Walter Abrecht den Großteil seiner CD-Sammlung aufgereiht. Mit Jazz geht es in Richtung Süden. Das Holter Holunder-Wunder Walter Abrecht stellt keine hohen Ansprüche. Das Wohnmobil ist 22 Jahre alt und mit dem Nötigsten ausgestattet. Die Autowerkstatt Jaßmeier hat es reisetauglich gemacht. Manchmal hakt die Elektrik aber noch ein wenig. Das Seitenfenster lässt sich nur hochfahren, wenn Walter Abrecht von innen mit der Hand nachhilft. Im warmen Süden will er es eh unten lassen. Gestern ließ er noch den Reifendruck prüfen, aber dann konnte es losgehen. Wehmut verspüre er nicht. Er sei auch nicht aufgeregt, sagt er kurz vor dem Start. Mit ein paar Menschen wird er per Telefon während der Reise in Kontakt bleiben. Mit Bekannten aus dem Riesengebirge, die er im Mai treffen will, mit seinen Töchtern und mit seinem Freund Ulrich Jaßmeier. Eine Erinnerung aus Schloß Holte-Stukenbrock nimmt er dann doch mit. Im Kühlschrank des Wohnmobils steht Barbara Jürgens’ Holter-Holunder-Wunder-Likör.

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