Überraschende Fundstücke bei Bauarbeiten im Kreis Gütersloh entdeckt

Kreis Gütersloh. Bei Bauarbeiten in gleich zwei Kommunen des Kreises Gütersloh haben Archäologen jetzt besondere Fundstücke entdeckt. Ein Überblick, was gefunden wurde und welche historischen Rückschlüsse daraus gezogen werden.Fundstücke in Rietberg Die Anfang Mai ausgehobene Baugrube am Klingenhagen hat ein neues archäologisches Fenster in die Geschichte der Stadt Rietberg geöffnet. Kleine Schätze wie Siegburger Keramik aus dem Spätmittelalter, zerscherbte Weserware aus dem 17. Jahrhundert, Glas von Fenstern und Gefäßen, zahlreiche Knochenfragmente aus Schlachtabfällen sowie Reste von Lederschuhen hat der Gütersloher Stadtarchäologe Johannes W. Glaw aus gut zwei Metern Tiefe geborgen. &bdquo;Wir haben auch Teichmuscheln gefunden, die früher hier wuchsen und gegessen wurden sowie Baumaterial wie Dachziegel, geschmolzenes Glas und völlig vermodertes Holz", berichtet Glaw im NW-Gespräch. Wirklich überraschend sind die Funde nicht, denn die jüngst abgerissenen Häuser am Klingenhagen 10 und 12 wurden auf dem einstigen Stadtgraben gebaut, in dem die Menschen damals den Unrat ihrer Zeit entsorgten. Im 17. Jahrhundert wird der Stadtgraben verfüllt und bebaut Ähnliche Funde wurden in früheren Jahren auch im Untergrund der Südtor-Apotheke entdeckt, die ebenfalls auf dem alten Stadtgraben steht. Dieser wurde im 17. Jahrhundert verfüllt und für die Bebauung frei gegeben, um die wachsende Stadt nach außen hin zu erweitern. Bis dahin diente der Graben, der sich unmittelbar hinter den sternförmigen, zwischen 1602 bis 1607 entstandenen Wallanlagen rund um das im 14. Jahrhundert errichtete Schloss Eden befand, der Stadtsicherung und konnte bei Gefahr durch die Ems geflutet werden. Eine Besonderheit ist aus Sicht des Archäologen, dass die beachtliche Größe des nun freigelegten und mittlerweile ausgekofferten Untergrunds erstmals die Möglichkeit geboten hat, das Ausmaß der sogar doppelten Grabenanlage zu ermitteln. &bdquo;An anderer Stelle am Klingenhagen wurden bisher nur Ausschnitte, nie die Anlage in ihrer ganzen Tiefe offen gelegt”, weiß Glaw. Am Montag hatte der Landschaftsverband Westfalen-Lippe das Areal vermessen. Lesen Sie auch: Hagedorn-Mitarbeiter machen besonderen Fund bei Abrissarbeiten Demnach war der innere Graben zehn Meter breit und bis zu drei Meter tief, der äußere Graben sechs Meter breit und etwas weniger tief. &bdquo;Wir haben hier also eine insgesamt 18 bis 20 Meter breite Anlage, die die Bürger damals dienstverpflichtend, im Sinne der Allmende (Rechtsform für Grundbesitz gemeinschaftlichen Eigentums, d. Red.) rund um die Stadt mit Holzschaufeln ausschachten mussten. Das war gewiss keine schöne Arbeit", vermutet Johannes Glaw. Was jetzt nicht mehr an archäologischen Funden entdeckt wird, bleibt in der Erde Inzwischen haben Mitarbeiter der Firma Krähenhorst, die das Grundstück derzeit für den Neubau eines Mehrfamilienhauses vorbereiten – ein Bauschild mit näheren Informationen fehlt bislang – die Baustelle aufgeräumt und weißen Sand vor die dunklen Grabenprofile gebaggert. Für eine Stilllegung der Baustelle seien die Funde jedoch nicht bedeutsam genug. Glaw: &bdquo;Wie lange ich einen Zugang zu der Grube habe, hängt davon ab, wann die ersten Mauern hochgezogen werden." Fundstücke in Rheda-Wiedenbrück Weitere Teile einer ehemaligen Stadtbefestigung haben Archäologinnen des Landschaftsverbandes Westfalen-Lippe (LWL) nun in Rheda-Wiedenbrück entdeckt. Sie haben Bauarbeiten in der Nähe des ältesten weltlichen Bauwerks der Stadt begleitet - am Zwinger, der im Volksmund Pulverturm genannt wird und vermutlich im 13. Jahrhundert entstanden ist. "Mit der Baustellenbeobachtung am Mühlenwall 9 ist es erstmals für Wiedenbrück gelungen, einen Querschnitt durch einen vermutlich mindestens spätmittelalterlichen Abschnitt der Stadtbefestigung zu dokumentieren."Die Baustelle sei ein gutes Beispiel dafür, wie wichtig es trotz ergebnisloser Beobachtungen auf direkten Grundstücken sei, jeden neuen Bodenaufschluss für sich zu bewerten, meint Sven Spiong, Leiter der Außenstelle Bielefeld der LWL-Archäologie. Die untersuchte Baugrube liegt zur Ems hin. Dort zeigten sich in rund zwei Metern Tiefe kleine Flächen "mit mattenartigen Strukturen aus Ästen und eine Reihe von hölzernen Bohlen, die in einer Reihe parallel zum Fluss verliefen", informiert Julia Hallenkamp-Lumpe, LWL-Expertin. Zwischen diesen Bohlen lagen Reste einer dünneren Lage aus Hölzchen und Zweigen. Mit den Bohlen könnten sie zu einem umgekippten Zaun oder einer mattenartigen Konstruktion aus Astgeflecht gehört haben. "Als wichtigsten Fund das Fragment eines Kruges" Später stießen die Archäologinnen, die etwa vier Tage auf der Baustelle weilten, auf der Kellersohle des Neubaus auf einen drei bis vier Meter breiten Graben. Auch er folgte der Richtung der Ems. "Die dunkelbraune, feste, lehmige und leicht riechende Verfüllung enthielt Tierknochen, Lederreste, Muscheln, Holzreste und am straßenseitigen Randbereich als wichtigsten Fund das Fragment eines Kruges oder einer Kanne aus Siegburger Steinzeug", so Hallenkamp-Lumpe. Dieser Fund stammt aus dem 15. bis frühen 16. Jahrhundert. Zwischen der Bohlenreihe und dem Graben fanden die Fachleute einen sandigen, mit dunklen lehmigen Flecken durchzogener Boden. In dem lagen vereinzelt Knochen und die Scherbe eines Topfes aus grün glasierter Irdenware, die auf das 16. bis 17. Jahrhundert datiert wird. Auch die sandige Fläche war teils mit der liegenden, mattenartigen Lage aus Ästen bedeckt.Die Befunde erlauben den Archäologinnen Rückschlüsse auf die Baugeschichte. " Keramik stammt aus dem 15. oder 16. Jahrhundert Die Entstehungszeit von Wall und Graben konnten die Expertinnen zwar nicht ermitteln, doch gebe das Krugfragment einen Hinweis, dass sie gleichzeitig mit der Errichtung des Zwingers angelegt worden sein könnten. Denn wie die Keramik stammt auch der aus dem späten 15. oder frühen 16. Jahrhundert. Die Sandfläche wurde, so lasse es die jüngere Keramikscherbe vermuten, in der frühen Neuzeit angelegt. Damit müsste auch die Anlage der Bohlenreihe in diese Zeit fallen. "Diese Befundlage spiegelt vermutlich den ab dem 16. Jahrhundert einsetzenden frühneuzeitlichen Ausbau der Stadtbefestigung, wobei an dieser Stelle zur Ems hin offenbar eine Befestigung der Oberfläche mithilfe von Sand, abdeckenden Flechtwerk-Matten und einer leichten, diesen Bereich zum Fluss hin abstützenden Holzkonstruktion genügte", sagt Hallenkamp-Lumpe.Die Fundstücke wurden gesichert. Sie werden jetzt in einer Werkstatt gereinigt und dokumentiert. Die Hölzer aus der Bohlenreihe werden dendrochronologisch untersucht. "Die Jahresringe, sie sich hoffentlich erhalten haben, geben ein genaueres Alter an", so die Expertin. Den gefundenen Lederstücken, die im feuchten Boden die Zeit überstanden haben, widmen sich Restauratoren. Sie analysieren, ob sie vor vielen Jahren beispielsweise zu Schuhen gehörten.

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