Rietberg/Paderborn

Mysteriöser Tod nach Polizeieinsatz in Mastholte noch immer ungeklärt

Vor einem Jahr starb der dreifache Familienvater Pawel Iljenko bei einem Polizeieinsatz im Kreis Gütersloh. Ob es Anklagen geben wird, ist immer noch offen. Gegen neun Polizisten und Anwohner wird noch immer ermittelt.

Blumen und Ewigkeitslichter erinnerten noch Wochen nach dem Tod von Pawel Iljenko an das Drama, das sich in der Schillerstraße in Rietberg Mastholte abspielte. | © Andreas Frücht

11.07.2019 | 11.07.2019, 17:05

Rietberg/Paderborn. Vor einem Jahr sorgte der mysteriöse Tod von Pawel Iljenko (46) bei einem Polizeieinsatz in Rietberg-Mastholte für große Betroffenheit. Der dreifache Familienvater und Bauhofmitarbeiter aus Paderborn war am Nachmittag des 9. Juli 2018 mit seinem Mercedes Kombi und leerem Tank an einer Bushaltestelle an der Schillerstraße in Mastholte gestrandet und habe hilflos gewirkt, erklärten Anwohner später. Hilfsangebote habe er abgelehnt.

Der dreifache Familienvater Pawel Iljenko wurde nur 46 Jahre alt. - © privat
Der dreifache Familienvater Pawel Iljenko wurde nur 46 Jahre alt. | © privat

In sozialen Netzwerken warnten sich die Nachbarn gegenseitig vor dem offenbar verwirrten Fremden, der im weiteren Verlauf unter anderen einen Gully-Deckel aus der Straße gehoben und mit Steinen geworfen haben soll. Die Anwohner konnten den Randalierer zu Boden bringen, nachdem er einem Mann ins Gesicht und einem anderen in den Magen geschlagen habe, hieß es später im Bericht. Sie riefen die Polizei. Kurze Zeit später war Pawel Iljenko tot.

Plötzlich verschlechterte sich sein Gesundheitszustand

Laut Polizeibericht hatte er bei seiner Festnahme erheblichen Widerstand geleistet und sich nach der Fixierung zunächst beruhigt. Dann habe sich sein Gesundheitszustand jedoch plötzlich verschlechtert, so dass die Beamten und anschließend Rettungsdienstmitarbeiter Reanimationsmaßnahmen durchführten. Warum Pawel Iljenko trotz aller ärztlichen Bemühungen verstarb, bleibt bis heute ebenso rätselhaft wie die Rolle der Polizeibeamten und der Anwohner.

Die Obduktion ergab, dass der 46-Jährige weder Alkohol noch Drogen konsumiert hatte und auch nicht unter dem Einfluss von Medikamenten stand. Die Sachverständigen kamen fünf Monate nach dem Vorfall zu der Beurteilung, dass der Mann an einem Atem- und Herzstillstand verstorben sei. Der Tod sei in Folge eines sogenannten "Exited Delirium Syndroms" (ExDS) eingetreten. Zudem hieß es in dem Gutachten, dass "eine Mitbeteiligung der Fixierungsmaßnahmen am Tod des Mannes nicht sicher belegt werden kann, da der Tod auch ohne Fixierungsmaßnahmen hätte eintreten können."

"Offenbar gibt es kein Interesse, die Sache aufzuklären"

Für den Hamburger Rechtsanwalt Alexander Kin, der den Bruder des Opfers vertritt, heißt das alles und nichts. "Die Sachverständigen können also nicht ausschließen, dass die körperliche Gewalt der Polizisten zum Tod von Pawel Iljenko geführt hat", sagte Kin in einem Gespräch mit der Neuen Westfälischen. Der Anwalt ist unzufrieden mit dem Ermittlungsstand. "Vor ein paar Tagen durfte ich noch einmal Akteneinsicht nehmen - aber da steht nicht viel mehr drin als vorher. Offenbar gibt es kein Interesse, die Sache aufzuklären."

Der Bielefelder Staatsanwalt Veit Walter (40) bestätigte auf Nachfrage der NW, dass die Ermittlungen noch immer nicht abgeschlossen sind. "Derzeit gehen wir aber davon aus, dass dies zeitnah geschieht." Dann spielt er den Ball zurück zum Anwalt der Familie: "Wir warten noch auf seine Stellungnahme nach der Akteneinsicht." Ob es in dem Verfahren Anklagen geben wird, ist noch offen. Die Anzahl der Beschuldigten beläuft sich unverändert auf neun, dabei wird sowohl gegen die Anwohner wie auch gegen die am Einsatz beteiligten Polizisten ermittelt.

"Pawel soll nicht in Vergessenheit geraten"

Alexander Kin geht das alles zu langsam. Für die Familie sei es sehr belastend, auch ein Jahr nach dem Tod von Pawel Iljenko keine Gewissheit zu haben, warum er sterben musste. Gegen die Beamten werde wegen Körperverletzung im Amt ermittelt, Zeugen hätten beobachtet, dass sie "überhart" gegen das spätere Opfer vorgegangen seien. "Laut der Aussagen der Anwohner war er nicht ganz bei sich an diesem Tag. Das macht mich stutzig: Warum setzen die Polizisten dann so eine Energie ein, anstatt zu warten, bis der Arzt da ist? Warum diese Gewalt? Statt der erhofften Antworten sehen wir leider kein Fortkommen. Das ist traurig - Pawel soll nicht in Vergessenheit geraten."